Arabischer Aufstand drängt palästinensische Intelligenzija in die Defensive

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Arabischer Aufstand drängt palästinensische Intelligenzija in die Defensive

HonestReporting Media BackSpin, 28. Februar 2011

Meine Antennen stellten sich auf, als ich heute Morgen Dr. Ahmed Tibis Versuch einer Schadensbegrenzung wahrnahm. Wie bekannt ist, weilte Tibi letztes Jahr zu Besuch in Libyen. Eine Delegation arabisch-israelischer Führer war von Oberst Gaddafi auf Staatskosten eingeladen worden.

Dieser Tage sind lateinamerikanische Autokraten die Einzigen, die Gaddafi für cool halten; Und Tibi weiß, dass es Erklärungsbedarf gibt. Und er erzählte Haaretz:

„Ich gebe zu, dass die Verbindung zur arabischen Welt auch nichtdemokratische Regime einschließt. Es gibt jedoch einen Unterschied, ob ich Regime besuche und ihnen gegenüber loyal bin oder ob ich mich diesem oder jenem Regime gegenüber kriecherisch verhalte. Ich sage klar und eindeutig, dass ein Besuch weder Ausdruck der Unterstützung für Gaddafi noch für die Politik Libyens ist – und so haben wir es dort angesprochen. Zum Beispiel habe ich persönlich Kritik an der Rückständigkeit in der Welt als Folge bestimmter Regimes geübt, und an der Tatsache, dass den Bürgern keine Rechte gewährt werden.“

Ach so.

Das passt nicht zur vernichtenden Kritik an der wehleidigen Gruppe um Tibi. Der angesehene drusische Lyriker Salman Mashala schrieb:

Aber Wunder über Wunder, plötzlich kamen sie alle zusammen, um eilends die Gastfreundschaft keines anderen als Muammar al-Gaddafi zu genießen, des Mannes, der mehr als sonst jemand die hässliche Seite der arabischen Regimes verkörpert – die Stammesherrschaft. Dieses launische und unberechenbare Individuum kann in einem Atemzug dies und im anderen genau das Gegenteil sagen, und niemand wird es wagen, ihn um Erklärung zu bitten, aus Angst, dass es die letzte Frage sein könnte, die er gestellt hat.

Nach einem von ihrem Gastgeber aufgetischten Mahl kamen die kriecherischen Reden, die all jene müden alten Parolen der Superlative beinhalten, die Despoten niedrigster Provinzialität gerne über sich hören wollen….

Es muss laut und deutlich gesagt werden: solche Reisen arabischer Repräsentanten zu arabischen Despoten, um vor ihnen einen Kota zu machen, sind nicht nur eine Beleidigung für die Intelligenz, sie schaden auch dem gerechten Kampf der arabischen Minderheit im Land [in Israel]. Allein schon dadurch, dass sie sich an solche Orte begeben und überhaupt sagen, was sie sagen, verstärken sie die Ablehnung im Mainstream der israelischen Gesellschaft – die Ablehnung, gegen die sie jahrelang einen gerechten Kampf geführt haben. Indem sie der Versuchung einer Einladung durch arabische Diktatoren, wer immer diese auch sind, nicht widerstehen, werden sie zu Handlangern dieser Diktatoren.

Womit wir bei Edward Said* sind. Was hätte der verstorbene palästinensische Denker über die Aufstände in der arabischen Welt gesagt?

Es stellt sich heraus, dass Said nichts über eine arabische Demokratie gesagt hat. Null. Dazu David Burchell:

Said selbst hatte sich perfekt an die Erfordernisse unserer Zeit angepasst: Obwohl er sein ganzes Erwachsenenleben in Manhattan verbracht hatte, erweckte er den Anschein, die authentische Stimme der arabischen Opferrolle einer Intelligenzija anzubieten, die danach verlangt, alles, für das ihre eigenen Länder standen, als einen Akt geistiger Selbstreinigung abzulehnen….

Saids Gefolgsleute sind wahrscheinlich weniger vertraut mit den Artikeln, die er über viele Jahre hinweg für die staatlich gelenkte ägyptische Presse geschrieben hatte – Artikel, frei von jeglicher Kritik an existierenden arabischen Regierungen, (schon gar nicht an der von Mubarak), dabei alle Probleme der arabischen Welt auf Aktionen der  beiden Bösewichte USA und Israel reduzierend. Sie werden sicher nicht überrascht sein zu hören, dass Said absolut nichts über Libyens absurden Mussolini-Nachahmer Gaddafi zu sagen hatte, außer dass er die USA mit Dreck bewarf, wenn sie auf diverse terroristische Provokationen reagierte.

Burchells Fazit:

Was offensichtlich scheint bei den jungen Libyern in den Straßen von Tobruk, Bengasi und Tripolis – wie bei den jungen Iranern und Ägyptern, und möglicherweise auch vielen Syrern und Saudis, ist, dass sie nichts mehr mit jenen elenden selbstsüchtigen Phantasien über arabische Opferrollen-Mentalität und zionistische Hexerei zu tun haben wollen**. Stattdessen wollen sie einfach nur leben – so, wie Said das Glück hatte, in einem „normalen“ Land zu leben, dessen Menschen mit Würde behandelt und deren Meinungen respektiert werden.

Der arabische Aufstand zerstört viele lang gehegte Vorstellungen über eine zentrale Rolle des israelisch-palästinensischen Konflikts für die regionale Stabilität und die arabische Würde. Das wirft eine Menge unangenehme Fragen für die palästinensischen Intellektuellen und all‘ diejenigen auf, die sich auch an einer Delegitimierung Israels beteiligen.

Und das alles gerade jetzt, wo wir uns mitten in der höchst interessanten Israel-Apartheid-Woche befinden….

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*Keine Überraschung: Said war eng mit Daniel Barenboim befreundet. Er gründete mit ihm das West-Eastern Divan Orchestra.

**Da ist Burchell für meinen Geschmack doch sehr optimistisch, weil bisher viel zu wenig Zeit für eine Beurteilung vergangen ist. Wir wissen aber, dass sich die muslimischen Gruppierungen [noch] relativ bedeckt halten. Das war 1979 im Iran ähnlich. Da schlug man auch erst nach 6 Monaten zu, nachdem sich alle anderen Gruppen zerstritten hatten.

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