Die Iranische Frauenbewegung und der 8. März

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Die persischsprachige Website der BBC hat Beiträge von mehreren iranischen Frauen und Männern, die im Exil leben, veröffentlicht. Ihre Argumente, die im Folgenden zusammengefasst wiedergegeben werden, machen die systematischen staatlichen Repressionen gegen die iranischen Frauen sichtbar.

Frau Kar erinnert an die Strafmündigkeit von 9-jährigen Mädchen in der islamischen Strafgesetzgebung. Sie schreibt: „Es heißt, dass es ein religiöses Gesetz sei, dass Frauen, die ihren Männern nicht gehorchen und den geschlechtlichen Forderungen ihrer Ehemänner nicht nachkommen, ungehorsam werden gegenüber göttlichem Befehl.“ Wenn die Frauen nicht gehorchen, würde ihr Lebensunterhalt in Frage gestellt werden, der vom Mann gewährleistet werden müsse. Im Iran seien gegenwärtig aber die Männer dazu oft nicht in der Lage.

Kar erinnert auch an das Blutgesetz, wonach Frauen halb so viel wert seien wie die Männer. Wenn eine Frau ermordet werde, sei ihr Leben halb so viel wert, wie das Leben eines Mannes. Und wenn sie im Zuge eines Streits verletzt werde, sinke der Wert der Frau noch mehr.

Sie erinnert daran, dass Männer gleichzeitig vier Frauen haben dürfen. Die Männer dürfen zudem eine Zeitehe eingehen.

Wenn der Mann sterbe, würde die Frau nur ein Achtel des Eigentums ihres Ehemanns bekommen. Man würde aber betonen, dass falls der verstorbene Ehemann mehrere Frauen hatte, das ein Achtel des Eigentums gleichmäßig unter den Ehefrauen verteilt werden würde.

Wenn der Vater oder die Mutter stürbe, würde die Tochter halb so viel Eigentum erben wie der Sohn.

Der Mann dürfe sich nach religiösem Gesetz wann immer er will, scheiden lassen. Aber die Frau müsse eine ganze Menge Beweise anbringen, damit der Richter die Ehe vielleicht scheidet.

Das islamische Gesetz würde auch zulassen, dass ein Mann seine Ehefrau und ihren Liebhaber tötet, falls sie vom Ehemann beim Ehebruch inflagranti erwischt wird. Der Mörder könne sogar gehobenen Hauptes in Freiheit weiter leben und seine eigene Mannhaftigkeit bis zu seinem Lebensende loben.

Wenn die Frau umgekehrt den Mann in den Armen einer Frau erwischen und deswegen protestieren würde, würde man sagen, dass sie unter teuflischer Eifersucht leide und die Grenzen einer Frau nicht kennen würde. Wenn sie sich deswegen vor Gericht beschweren würde, würde der Richter ihre Beispiele von Hadithen vortragen und ihr beibringen, dass die Frau „brennen und sich anpassen müsse,“ so die Juristin Frau Mehrangiz Kar.

Man würde sagen, dass das religiöse Gesetz einer Jungfrau vorschreibe nur mit der Erlaubnis des Vaters oder der Vorfahren des Vaters heiraten zu dürfen, auch wenn die Frau vierzig Jahre alt sei, sonst könne das Gericht die Heirat für ungültig erklären. Kar kommentiert: „Das ist die Strafe für eine vierzigjährige Jungfrau.“
Kar schreibt, man sage, das religiöse Gesetz schreibe vor, dass eine Frau nicht über ihr eigenes Kind bestimmen könne. Das Erziehungsrecht liege beim Vater. Falls der Vater oder die männlichen Vorfahren des Vaters ein Kind des Vaters töten, dürfe noch nicht mal ein Gericht die Todesstrafe aussprechen, auch wenn sonst diese Strafe für eine solche Tat vorgesehen sei. Die Frau dürfe nur am Grab ihres Kindes trauern, schreibt Mehrangiz Kar.

Lesbische Homosexualität könne in manchen Fällen mit dem Tod bestraft werden.

Mehrangiz Kar stellt die entscheidende Schlüsselfrage: „Die Frage ist wie wir im 21. Jahrhundert uns von diesen giftigen Gesetzen, die unser Leben bestimmen, befreien können?“

Die Juristin Kar schreibt, dass sie und ihre Kollegen in den letzten 32 Jahren alles versucht haben die Gesetze zu ändern.  Manchmal sind sie von einigen Klerikern gelobt worden, die eine Revision der Gesetze befürwortet haben. Auch in den acht Jahren der Reformregierung, d.h. unter der Präsidentschaft von Mohammad Khatami sei nichts passiert. In dieser Zeit seien einige Kleriker, die Gesetzesänderungen wollten, ins Gefängnis gekommen. Sie hätten infolgedessen ihren Turban und ihre Kleidung verloren und seien erniedrigt worden. Nur weil sie den frauenfeindlichen Gesetzen ein wenig die Spitze nehmen wollten.

Die „Herren“, schreibt Kar, würden behaupten Gott zu vertreten und sie hätten das alleinige Interpretationsrecht über die religiösen Schriften. So würden sie jegliche Möglichkeit einer Änderung verhindern.

Kar kommt zu dem Schluss, dass im islamischen Denken, auch in dessen fortschrittlichen Varianten die Gleichberechtigung von Mann und Frau keinen Platz habe. Und auch die Verfassung könne nicht den Weg bahnen, um die Menschenrechte für die weibliche Hälfte der iranischen Bevölkerung zu gewährleisten.

Kar schreibt: „Die Frauen schlagen mit ihren Fäusten nicht mehr gegen verschlossene Türen. Ihre Hände sind blutig und jeder Tropfen ihres Blutes, der auf den Boden gefallen ist, um Emanzipation zu erreichen, hat keinen Platz für die Fortexistenz dieser Verfassung übrig gelassen.“

Die Regierung habe eine Politik verfolgt, die niemandem ermögliche auch an diesem 8. März Hoffnung auf Reformen zu haben. Sogar die Kampagnen, die sich für mehr Rechte eingesetzt haben, seien zunichte gemacht worden. Die Regierung stütze sich auf die Macht von Messerstechern und Kriminellen der Straße.

Kar erinnert daran, dass schon der erste 8. März in der Islamischen Republik, kurz nach der Gründung der Islamischen Republik, mit Protesten begangen worden sei. Nach 32 Jahren Zwangsverschleierung der Frauen habe der Staat ein großes Budget zur Verfügung gestellt, damit Beamte und Polizisten diese Zwangsverschleierung gesellschaftlich durchsetzen.

Die Forderungen der Frauen würden weit über die Abschaffung der Zwangsverschleierung hinausgehen. Die neuen Generationen von jungen iranischen Mädchen würden heute ein Leben voller Freude als ihr Recht betrachten und niemand könne sie davon überzeugen, dass ein Herrschaftssystem ihr Denken, ihre Ziele, ihre Glaubensvorstellungen, ihren Körper, ihre Sprache und ihr Recht auf Wahlfreiheit auf verschiedensten Gebieten des Sozialen und des Politischen kontrollieren dürfe.

Kar kritisiert die „absolute Macht“ im Iran, die gesellschaftliche Änderungen verhindert. Sie fordert freie Wahlen im Iran. Nur wenn die Gesetze und die Verfassung auf der Grundlage der Universellen Menschenrechte beruhen, werde ein Wandel möglich.

Der Widerstand der iranischen Frauen äußert sich in verschiedenen Formen: Said Peywandi erinnert daran, dass die Analphabetenrate unter den Frauen in den letzten drei Dekaden um rund 42 Prozent auf weniger als 20 Prozent gesunken sei. Er betont, dass Bildung für die iranischen Frauen heute eine Widerstandsform ist, um die männliche Ordnung herauszufordern. Dennoch sei heute etwa von sieben arbeitenden Personen nur eine Person weiblich. Doppelt so viele Frauen wie Männer seien arbeitslos. Im Iran würde die Regierung stets eine Politik verfolgen, die einen Anstieg der Frauenarbeit verhindert.

Diese staatliche Politik würde sich direkt gegen jegliche zivilgesellschaftliche Aktivität stellen. Daher sei der niedrige Index der Frauenarbeit auf dem iranischen Arbeitsmarkt ein Zeichen des mangelnden Fortschritts der iranischen Gesellschaft. Die iranischen Frauen müssen Peywandi zufolge, der Professor für Soziologie in Paris ist, nicht nur gegen die wirtschaftlichen Probleme, sondern gegen juristische Hindernisse und gegen eine negative staatliche Politik, die eine Beschäftigung der Frauen erschwert, kämpfen. Die Frauen gehören heute zu den wichtigsten Aktivisten im Kampf für Demokratie im Iran, so Peywandi.

Shahla Shafiq, eine in Paris lebende Frauenrechtlerin schreibt, dass die Lage der Frauen im Iran wie ein kubistisches Gemälde sei. Das schlechte Tragen des Hijab werde von den Machthabern als eine große Errungenschaft der Feinde dargestellt. Die Revolutionsgardisten würden den Feminismus als eine große Gefahr für die islamische Herrschaft verstehen und daher nicht zögern die Frauenbewegung zu unterdrücken. Zwar würden die Ideologen des islamischen Regimes die Befreiung der Frauen versprechen, aber die Anwesenheit der Frauen bei den Massenprotesten habe bewiesen, dass die antidiktatorische Bewegung die Negierung der Parolen des islamischen Regimes bedeute.

Shafiq erinnert daran, dass zwei iranische Islamistinnen gegenwärtig Mitglieder in der Frauenrechtskommission der UNO sind und führt dies auf die offensive Politik des iranischen Präsidenten Ahmadinejad zurück, der der Meinung sei, dass Angriff die beste Verteidigung sei. Die Islamisten würden die Pornographie im Westen kritisieren und die Zwangsverschleierung der Frauen dagegen verteidigen. Sie würden so tun, als ob die Freiheit verantwortlich sei für Sexismus. Dagegen würden sie die Scharia verteidigen als ob die Ungleichheit etwas mit Gewissenhaftigkeit zu tun habe.

Shafiq ist der Überzeugung, dass die iranischen Islamisten internationale Unterstützung für ihre Frauen unterdrückende Politik von linken und rechten politischen Kräften bekommen. Auch religiöse Fundamentalisten verschiedener Religionen würden die Islamisten unterstützen, um ihre eigenen konservativen Werte zu retten. Manche Linke würden davon ausgehen, dass unter dem Motto des antiimperialistischen und antirassistischen Kampfes die Gleichberechtigung und Freiheit der Frauen eine Nebenrolle spiele. Sie erinnert auch an diejenigen Wissenschaftler und Experten, die in ihrem Kampf gegen Islamophobie stets bestrebt seien die Islamische Republik als ein modernes Phänomen darzustellen. Die Frauen seien auch in diesem Kontext die größten Opfer einer Politik, die demokratische Werte ignoriert, beklagt Shafiq. Sie bemängelt einen alternativen Diskurs, der das ideologische Dogma der Islamisten durchbrechen könnte.

Faraj Sarkohi, in Deutschland lebender Journalist, hebt hervor, dass die Verteidiger der Frauenrechte im Iran in den letzten zwei Dekaden aus Vereinen und Versammlungen von etwa 5000 Personen bestanden habe, die hart unterdrückt worden sei. Sarkohi erinnert daran, dass vor der Islamischen Revolution die Frauen frei darüber entscheiden konnten, ob sie ein Kopftuch tragen. Frauen konnten vor der Islamischen Revolution auch Richterinnen werden und besaßen Positionen in gesellschaftlichen und politischen Strukturen.

Diese Privilegien seien aber nicht im gesellschaftlichen Kampf errungen worden und hätten auch nicht die patriarchalische Kultur und das herrschende Wertesystem verändert. Sie seien das Ergebnis von Reformen eines modernistischen Systems gewesen, das sich in gebildeten Familien durchgesetzt habe. Die Islamische Revolution habe viele wohlhabende und studierte Frauen im Iran entrechtet. Die religiösen Massen würden nicht von religiösen oder laizistischen Intellektuellen lernen, sondern vom religiösen Klerus. Ayatollah Khomeini habe sich im Jahre 1963 zwar gegen das Wahlrecht für Frauen ausgesprochen, musste dieses Recht den Frauen aber nach der Revolution zugestehen. Dennoch habe die islamische Revolution die Zwangsverschleierung eingeführt. Die Frauen durften nach der Islamischen Revolution nicht mehr Richterinnen werden, stattdessen sei die Polygamie eingeführt worden. Die Macht der Islamischen Republik beruhe auf der Diskriminierung der Frauen, so Sarkohi.

Fariba Davud-Mohajer erinnert daran, dass vor der Islamischen Revolution in den Jahren 1967 und 1975 das Familiengesetz zugunsten von Frauenrechten reformiert worden sei. Diese Gesetze wurden mit der Islamischen Revolution wieder aufgehoben.

Die Frauenrechtlerin Parvin Ardalan meint, dass die Frauen in den letzten dreißig Jahren seit dem Sieg der Islamischen Revolution es geschafft haben sich neu zu organisieren. Dies sei sowohl auf diejenigen Frauen zurückzuführen, die die iranische Frauenbewegung überhaupt historisch geschaffen haben und auf die Aktivistinnen der letzten 30 Jahre im Iran. Die iranischen Frauen haben es Ardalan zufolge erreicht die traditionellen Lehren zu durchbrechen und neue Themen zu formulieren. Ardalan schreibt über die Aktion 1 Million Unterschriften für Wandel und für Emanzipation.

In dieser Aktion seien religiöse sowie laizistische Frauen aktiv gewesen. Die einen wollten eine Änderung durch andere religiöse Fatwas und die säkularen Frauen wollten neue Gesetze unabhängig von Religion durchsetzen. Alle Frauen, die in dieser Kampagne gemeinsam aktiv waren, wollten irdische Ziele erreichen. Die Kampagne habe sich dafür eingesetzt, dass die Regierungszeit von Ahmadinejad ein Ende findet. Ardalan kritisiert aber auch die Frauenbewegung. Diese habe es nicht geschafft in Distanz zu der Grünen Bewegung zu bleiben. Sie schreibt, dass die Frauenbewegung qualitativ eine andere Bewegung sei als eine soziale Protestbewegung, die das Wahlrecht anficht. Der 8. März solle ein politisch unabhängiger Tag bleiben. Die Frauenbewegung sollte ihrer Meinung nach auch unabhängig bleiben.

Mehrdad Darwishpur, der in Stockholm Soziologie lehrt, formuliert das Problem zugespitzt, indem er davon schreibt, dass Frauenfeindlichkeit ein Wesensmerkmal der religiösen Herrschaft sei. Er hebt hervor, dass die iranischen Frauen seit der konstitutionellen Revolution von 1905 bis zur Islamischen Revolution zwar einen aktiven gesellschaftlichen Kampf für Gleichberechtigung geführt haben. Vor der Machtübernahme des islamischen Regimes sei die Frauenbewegung nicht unabhängig gewesen. Die Frauenfeindlichkeit des Regimes habe einen offiziellen ideologischen Stellenwert. Dadurch sei aber das Selbstbewusstsein der Frauen gestiegen. Die politischen Kämpfe, auch die während der Revolution von 1979 haben Darwishpur zufolge dazu beigetragen, dass die iranischen Frauen ihre Forderungen unabhängig von den anderen Bewegungen formulieren. Zudem würden die iranischen Frauen immer mehr im Zuge der Globalisierung von den Problemen der Frauen weltweit lernen.

Er geht auch auf die gescheiterte Reformpolitik ein. Für manche Reformer haben die Probleme der Frauen sogar eine rote Linie dargestellt, die nicht überschritten werden dürfte, betont der Soziologe Darwishpur. Daher seien die Frauen sehr von den Reformern enttäuscht worden. Im Zuge dessen habe sich die Frauenbewegung bei den Massenprotesten der letzten Jahre mehr die Methoden des zivilen Ungehorsams angeeignet. Dennoch haben die Frauenrechte bei den Protesten keine zentrale Rolle gespielt, sondern eher die Parole „Wo bleibt meine Stimme?“

Darwishpur ist der Meinung, dass nur durch die Trennung von Staat und Religion jeder Mensch vor dem Gesetz unabhängig vom Geschlecht gleichgestellt werde. Daher sei der Säkularismus eng mit der Idee der Gleichberechtigung von Frauen und Männern verknüpft. Es sei kaum vorstellbar, dass ein religiöser Staat herrsche ohne dass Frauenfeindlichkeit eines seiner Hauptdiskriminierungsmethoden darstelle. Er schreibt: „Das Wesen einer religiösen Herrschaft ist mit Frauenfeindlichkeit verknüpft. Wir können nicht die Gleichberechtigung von Mann und Frau fordern, ohne von der Trennung von Staat und Religion zu sprechen.“

Daher würde heute die iranische Frauenbewegung nicht nur gegen Frauendiskriminierung argumentieren, sondern eine Änderung der staatlichen Verfassung des Iran fordern.
Vor diesem Hintergrund ist es nur eine Ironie der Geschichte, dass Vertreterinnen des khomeinistischen Regimes am 8. März 2011 ihre Arbeit in der UN-Frauenrechtskommission aufgenommen haben.

Wahied Wahdat-Hagh ist Senior Fellow bei der European Foundation for Democracy in Brüssel. 

http://europeandemocracy.org/


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