Kayhan ist das Sprachrohr des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei. Am 10. Mai 2011 erschien in der Zeitung ein Kommentar, der das Abkommen zwischen Fatah und Hamas kritisiert. Hussein Schariati, Chefredakteur von Kayhan kritisiert das Abkommen vom 4. Mai 2011, das von Mahmud Abbas und Khaled Mashal unterzeichnet worden ist.
Der iranische Experte vergleicht das Abkommen mit dem Vertrag von Camp David und mit dem Oslo-Vertrag. Das Camp-David Abkommen wurde am 17. September 1978 unterzeichnet. Verhandlungspartner waren Anwar Sadat, Jimmy Carter und Menachem Begin. Das erste Oslo-Abkommen wurde am 13. September 1993 unterzeichnet. Schon damals gehörte Mahmud Abbas zu den Verhandlungspartnern, neben Yitzhak Rahbin und Bill Clinton.
Für Schariat Madari ist das neue Abkommen genauso „schändlich” wie die anderen Friedensabkommen mit Israel.
Schariatmadari schreibt, dass die beiden palästinensischen Verhandlungspartner, die das Abkommen unterzeichnet haben, zwei verschiedene und sich widersprechende Sichtweisen besitzen, wie die „Zukunft Palästinas” gestaltet werden sollte. Sowohl Fatah als auch die Hamas haben demnach in dem Abkommen ihre jeweiligen Strategien festgelegt. Die Differenzen würden sich auf ihre unterschiedlichen Strategien in Hinblick auf ihren „Kampf gegen Israel” beziehen.
Schariati schreibt, dass Abbas eine „illegale” Position in der Führung der Fatah besitze. Dieser gehe gar nicht davon aus, dass das „künstliche Jerusalem besetzende Regime von der politischen Geographie der Region ausgelöscht werden müsse.” Zudem habe Abbas jegliche „militärische Auseinandersetzung mit dem zionistischen Regime aus seinen Kampfstrategien gestrichen.”
Schariatmadari greift auf eine alte Verschwörungstheorie der iranischen Politik zurück: Er behauptet, dass Abbas, aus dem Iran stamme und Bahai sei. Seine Familie stamme aus dem Clan der Qajaran und sei infolge der „Niederlage der Bahai” nach Haifa ausgewandert. Vorweg: Tatsache ist, dass der palästinensische Politiker keineswegs Bahai ist. Zudem wurden der Stifter der Bahai-Religion und einige seiner Anhänger im August 1886 in die Strafkolonie von Akko verbannt.
Die iranischen Machthaber glauben aber, dass es ausreicht jemanden als Bahai zu bezeichnen, um ihn zu diffamieren.
Die Hamas auf der anderen Seite sei der „islamische Widerstand Palästinas.” Die Hamas sei eine politische und eine militärische Bewegung, die im Jahre 1987 von Ahmad Yassin, Abdulasis Rantisi und Mohammad Taha gegründet worden sei. Die Hamas fordere die „Vernichtung Israels und die vollständige Auslöschung des zionistischen Regimes” und habe diese Ziele als eine „unveränderbare strategische Linie” in ihrer Charta aufgenommen.
Kayhan hebt den Artikel neun des zweiten Abschnitts der Hamas Charta hervor, wonach die „ungültige Fahne” heruntergerissen werden müsse, um „einen islamischen Staat” zu gründen. Das Ziel sei die Rückkehr aller palästinensischen Flüchtlinge. Kayhan zitiert auch den Artikel elf der Hamas Charta: „Der islamische Widerstand glaubt, dass das Gebiet Palästinas bis zum Tage der Auferstehung ein islamisches Eigentum ist und allen Generationen der Muslime gehört. Es ist nicht erlaubt auf auch nur einen Teil von diesem Eigentum zu verzichten.” Man dürfe nicht auf einen Teil Palästinas verzichten. „Denn der Verzicht auf einen Teil davon wäre gleich bedeutend mit dem Verzicht auf einen Teil der Religion.”
Kayhan analysiert, dass das Wesen der beiden Bewegungen sich voneinander unterscheide. Diese seien nicht nur unterschiedlich, sondern stünden im Gegensatz zueinander. Daher sei die Unterzeichung eines Abkommens zwischen den beiden Parteien wie ein Witz, außer eine der beiden Seiten ändere ihre Sichtweisen oder ihre Strategie. Schariatmadari gibt Abbas Recht, der gesagt habe, dass die Israelis stets argumentiert haben, dass sie keine zuverlässigen Gesprächspartner haben. Dann zitiert die iranische Zeitung Itzhak Rabin, der gesagt habe: „Israel hat keine ernsthaften und unlösbaren Konflikte mit Mahmud Abbas. Die Probleme mit Abbas können im Dialog gelöst werden. Das Problem ist die Hamas, die das Ziel der vollständigen Vernichtung Israels verfolgt.”
Kayhans Analyse ist einfach gestrickt: Israel habe stets mit Abbas verhandelt, denn die Verhandlungen mit Abbas haben Selbstzweck. Zumal Abbas zwar die Hamas als „Brüder” bezeichne, aber gleichzeitig Frieden mit Israel schließen wolle. Eine solche Politik bringe die Hamas in das „Jagdgebiet der Israelis”, sagt Hussein Schariatmadari, der strikt gegen einen Frieden mit Israel ist, kritisiert sogar den Hamas-Politiker Mashal, der sich in das Spielfeld mit den USA und Israel begebe. Dies würde einen Strategiewechsel bedeuten, der der Charta der Hamas widerspreche. Denn folge man der Satzung der Hamas dürfe auf kein Stück Erde von Palästina verzichtet werden.
Kayhan zitiert Khaled Mashal, der nach der Unzeichnung des Vertrages mit Fatah gesagt hat: „Wir wollen die Rechte des palästinensischen Volkes bekommen. Und wenn wir einen unabhängigen Staat Palästina gegründet haben, werden wir über den Frieden mit Israel reden.”
Hussein Schariatmadari ist noch radikaler als der Hamas Politiker Mashal und schreibt: „Wenn man sich mit der Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates beschäftigt, hat man das Jerusalem besetzende Regime anerkannt.” Er kündigt deswegen den Untergang von Hamas an, denn der Iran ist gegen eine Zweistaatenlösung.
Schariatmadari gibt exakt die iranische Staatsideologie wieder. Tatsächlich sagt Schariatmadari in dem Zusammenhang nicht mehr als was Präsident Ahmadinejad im Oktober 2005 auf der Konferenz, „Eine Welt ohne Zionismus” sagte. Er forderte „Tod Israel” und sagte: “Unser lieber Imam [Khomeini] sagte auch: Das Regime, das Jerusalem besetzt hält, muss aus den Annalen der Geschichte getilgt werden. In diesem Satz steckt viel Weisheit. Das Palästina-Problem ist kein Problem mit dem wir uns auch nur teilweise versöhnen könnten.”
Im islamischen Recht gibt es das Gesetz von Hudna, eines zeitlich begrenzten Waffenstillstands. Der Hamas Führer Rantissi hatte 2004 einen auf 10 Jahre begrenzten Waffenstillstand mit Israel verhandeln wollen. Ein nach islamischem Recht vereinbarter Waffenstillstand ist kein Frieden. Die Frage ist, ob die neue Strategie von Hamas mehr als ein Hudna ist.
Wahied Wahdat-Hagh ist Senior Fellow bei der European Foundation for Democracy in Brüssel
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