Luftangriffe auf Jisr al-Shughour

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Jerusalem, 8. Juni 2011 – Die syrische Armee hat Truppen im Norden des Landes konzentriert und plant einen Angriff mit Panzern auf die Stadt Jisr al-Shughour nahe der türkischen Grenze. Angeblich gab es sogar Luftangriffe auf die Kleinstadt von 44.000 Einwohnern, etwa 100 Kilometer südwestlich von Aleppo gelegen. Viele seien schon in die Türkei geflohen.
Wie üblich gibt es so gut wie keine zuverlässigen Berichte aus Syrien, wobei die Vorgänge ausgerechnet in jener Kleinstadt besonderes Interesse wecken, weil sie kaum jemand kennt. Der Arabienkorrespondent des israelischen Rundfunks, Eran Singer, ist deshalb der Frage nachgegangen. Angeblich seien in der Stadt fünf Iraner und mehrere Kämpfer der Hisbollah aus dem Libanon von der aufständischen Bevölkerung gefangen genommen worden sein. Nach Angaben des syrischen Staatsfernsehens sind in der Kleinstadt 120  Polizisten und Soldaten von „bewaffneten Terrorbanden“ ermordet worden.
Die geplanten Attacken auf Jisr al-Shughour seien nicht nur als Rache des Assad-Regimes wegen der Ermordung so vieler Sicherheitsleute zu verstehen, sondern als Versuch, um jeden Preis eine Auslieferung der Iraner an die Türkei zu verhindern. Die Welt dürfe nicht erfahren, dass ausgerechnet Iran und die Hisbollah dem Assad-Regime helfen, sich gegen den Aufstand durchzusetzen.
Angeblich stehen 30.000 Soldaten etwa 40 Kilometer vor der Stadt bereit, sie dem Erboden gleichzumachen.
Gemäß diesen Berichten, die alle nicht verifiziert werden können, habe die syrische Regierung behauptet, dass tatsächlich Iraner nach Jisr al-Shughour gekommen seien, jedoch als schiitische Pilger. Sprecher der syrischen Opposition hätten das als „lächerliches Argument“ abgetan. Bisher habe noch niemand in Jisr al-Shughour ein schiitisches Heiligtum entdeckt, das Pilger anziehen könnte.
Weil die Berichte aus Jisr al-Shughour widersprüchlich sind und keine Journalisten eingelassen werden, hat die BBC in einer Tabelle die unterschiedlichen Versionen gegenüber gestellt.
So berichtete das syrische Staatsfernsehen am Montag um 16 Uhr von einer Attacke „bewaffneter Gruppen“ auf die Polizeiwache, um dort Waffen und Granaten zu ergattern. Abu Nader, ein Bewohner der Stadt, behauptete jedoch, dass die Bewohner gar keine Waffen hätten. Vielmehr seien dort Soldaten von „anderen Sicherheitselementen“ in den Rücken und in den Kopf geschossen worden. Abu Nader deutet an, dass es unter den Soldaten eine Meuterei gegeben haben könnte. Wissam Tarif von einer syrischen Menschenrechtsorganisation behauptet laut BBC, dass es nur „friedliche Demonstranten“ gebe und dass die Gewalt allein vom Staat ausgehe. Wer da die Wahrheit sagt, dürfte sich wohl nie ermitteln lassen.
Gemäß dem Bericht des israelischen Rundfunks bringen die Ereignisse in der grenznahen Stadt Jisr al-Shughour die Türkei in Verlegenheit. Der wahlkämpfende Premierminister Tayyip Erdogan hatte in den vergangenen Jahren einen scharfen Kurswechsel unternommen, gegen Israel und zugunsten Syriens. Als Syrien vor einigen Jahren dem kurdischen PKK-Chef Öcalan Asyl geboten hatte, wäre es fast zu einem Krieg zwischen der Türkei und Syrien gekommen. Inzwischen haben Damaskus und Ankara „offene Grenzen“ beschlossen, also Visumsfreiheit. Auch um seine Wähler nicht zu verprellen, musste Erdogan deshalb den Flüchtlingen aus Syrien Einlass gewähren. Welchen Einfluss die grausamen Ereignisse in Syrien mitsamt Massakern an der Bevölkerung einerseits, und Erdogans gewollte Annäherung an Syrien auf den Wahlausgang in der Türkei haben werden, ist schwer vorherzusehen. Immerhin hatte der türkische Außenminister der radikalislamischen Organisation IHH empfohlen, ihre demnächst geplante zweite blockadebrechende Fahrt nach Gaza zu überdenken, da die israelische Blockade durch die Öffnung der Grenze zu Ägypten wirkungslos geworden sei. Vor einem Jahr gab es neun Tote unter den bewaffneten „Friedensaktivisten“ auf dem Schiff Mavi Marmara, als die „Hilfsflotte“ von der israelischen Marine auf hoher See gestoppt wurde. An Bord waren auch deutsche Abgeordnete von „Die Linke“, darunter Norman Paech, Annette Groth und Inge Höger. Sie hätten bei den türkischen Friedensaktivisten keine Schusswaffen gesehen. Doch inzwischen sind Filmaufnahmen entdeckt worden, die beweisen, dass durchaus Schusswaffen an Bord waren. Israelische Soldaten wurden beim Entern der Schiffe angeschossen.

(C) Ulrich W. Sahm


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