Iran lehnt die Erklärung der Menschenrechte ab

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Die wissenschaftliche Abteilung des iranischen Pseudo-Parlaments lehnt die Menschenrechte und westliche Demokratien ab. Das islamische Menschenrechtsverständnis geht prinzipiell davon aus, dass das islamische Gesetz als von Gott offenbartem Gesetz die Menschenrechte definiert. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 wird daher abgelehnt.

 

Die Kairoer Erklärung zu den Menschenrechten im Islam wurde am 5. August 1990 von den Mitgliedstaaten der Organisation Islamischer Konferenz verabschiedet. Im Juli 2008 erklärte Präsident Ahmadinejad diesen Tag zum „Internationalen Tag der Islamischen Menschenrechte“. Nun vergleicht die wissenschaftliche Abteilung des iranischen Pseudo-Parlaments in einer neuen 48-seitigen Studie vom August 2011 die islamischen und die „westlichen“ Menschenrechte miteinander. Darin wird die Behauptung aufgestellt, dass der geistige Vater der „Islamischen Menschenrechte“ der am 16. November 1998 verstorbene Kleriker und Philosoph Mohammad Taghi Jafari gewesen sei. Gleichzeitig wird in dieser „parlamentarischen“ Studie des Iran erklärt, warum die „westliche Demokratie“ kein gutes politisches System darstellt.

Taghi Jafari war der Meinung, dass Menschenrechte nur auf der Grundlage eines bestimmten Wertesystems definiert werden können. Er war der Meinung, dass das Menschenbild, das der Philosophie der Menschenrechte zugrunde liegt den Vorstellungen des Propheten der Muslime entsprechen müsse. Daher sprach er von islamischen Menschenrechten, die anders definiert seien als die „westlichen Menschenrechte.“ Der universelle Anspruch der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird daher nicht anerkannt und als „westlich“ herabgewürdigt.

Jafari ging davon aus, dass das islamische Gesetz heute einen universellen Anspruch besitze, denn es handle sich dabei um das letzte Wort Gottes. Daher sollten die „islamischen Menschenrechte“ den Vorstellungen des Propheten der Muslime entsprechen.

Hojatul-Islam-wal-Muslimin Reza Zahravi, der Autor der „parlamentarischen“ Studie schreibt in Anlehnung an Jafari, dass die „westliche Sicht der Menschenrechte auf friedlicher Koexistenz beruhe, die mit Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft einhergehe.“

Ein solcher Ansatz wird in der Studie abgelehnt. Denn dieser schaffe nicht eine „Grundlage, die alle Menschen als eine Familie“ betrachte. Ein solches Ziel könne nur erreicht werden, wenn „höhere Ziele, die auf der Grundlage des Islam beruhen, geschaffen werden.“

Um den Unterschied zu den „islamischen Menschenrechten“ herauszuarbeiten, zitiert Zahravi den iranischen Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, der stets betont habe, dass der Westen immer „unter dem Deckmantel der Menschenrechte verschwörerisch“ gehandelt habe. Khomeini habe gesagt, dass es „Menschen gibt, die im Namen der Menschenrechte die Menschenrechte verletzen.“

Und am 28. Juni 1989 habe der gegenwärtige Revolutionsführer Ali Khamenei gesagt: „Wir glauben nicht an die Menschenrechte, die heute von den Regierungen und den Organisationen, die von den Großmächten abhängig sind, verkündet werden. Für uns ist das alles List und Lüge.“

 

Die Menschenrechte, so wie der Islam sie definieren würde, seien „fortschrittlicher“ als die westliche Sichtweise, habe Ali Khamenei schon am 12. März 1990 hervorgehoben, heißt es in der Studie. Und ebenfalls im März 1990 habe Khamenei gesagt: „Die Menschenrechte sind ein Betrug. Amerika und viele der Großmächte glauben gar nicht an Menschenrechte. Sie lügen. Die Menschenrechte sind gut für die Überlistung von Menschen und als allgemeines Druckmittel. Wenn sie eine Regierung unter Druck setzen wollen, werfen sie ihr Menschenrechtsverletzung vor.“

Ayatollah Jafari habe hervorgehoben, heißt es in der Studie, dass „im Islam die Menschenrechte religiös definiert worden“ seien. Daher beruhe ein solches „Rechtssystem auf dem Willen Gottes. D.h. Gott hat all die Gesetze und Pflichten für die Menschen geschaffen.“ Daher müsse der Mensch die Gesetze Gottes mit Freude ausführen und müsse davon ausgehen, dass diese zum „Wachstum der Menschen“ beitragen. Diese islamischen Gesetze beruhen auf dem Propheten Abraham und da sich „alle Religionen auf Abraham berufen, ist die weltweite Verantwortung für die Menschenrechte evident“, meinte Jafari der Studie des Majless zufolge.

Die westliche Sicht der Menschenrechte würde davon ausgehen, dass alle Menschen in der Welt die gleichen Rechte haben, was die Grundlage der westlichen Freiheitsvorstellungen sei. Ein solcher Ansatz wird abgelehnt, da für die westlichen Menschenrechte „der innere Wert des Menschen“ kein Thema sei.

Hier wird eindeutig der Superioritätsanspruch, ein totalitärer Anspruch, deutlich, der dem Muslim, der an Khomeini glaubt, einen anderen „inneren Wert“ zuspricht, als anderen Muslimen und Andersdenkenden.

Im westlichen Menschenrechtsverständnis gehe man davon aus, dass alle Menschen, trotz ihrer nationalen und kulturellen Zugehörigkeit gleich seien. Eine solche Gleichheit wird abgelehnt. Solche Menschenrechte hätten nur einen Sinn, wenn „Rechte für das Leben der Menschen“ existieren würden, heißt es in der Studie. Wenn der Mensch sich „höhere Werte“ angeeignet habe, sei auch die Verwirklichung der wahren Liebe zwischen den Menschen möglich. Eine zwischenmenschliche Liebe sei wiederum abhängig von der Liebe der Menschen zu Gott.

Das Problem dieser Interpretation ist aber, dass Vertreter einer irdischen totalitären Diktatur bestimmen, wie dieses Verhältnis zu Gott auszusehen hat. Das offensichtliche Problem ist aber, dass die iranischen Machthaber und der Staatsklerus darüber befinden wie eine Abhängigkeit des Menschen von Gott auszusehen hat.

Auch hier wird die totalitäre Utopie des Islamismus sichtbar. Der Islam wird überhöht und damit wird auch der islamistische Herrscher und die herrschende Klasse des Staates über die anderen Menschen gestellt. Gleiche Rechte bekommt der Mensch dieser Philosophie zufolge nur als treuer Untertan in einer islamistischen Diktatur, wie die der „Islamischen Republik Iran.“

In der wissenschaftlichen Studie des iranischen Pseudo-Parlaments werden die westlichen Menschenrechte mit einem „Schloss“ verglichen, das auf die Spitze eines heißen Vulkans gebaut worden sei.

Die westlichen Menschenrechte würden Meinungsfreiheit und Abschaffung der Armut als ihre Motive aufführen. Diese Themen seien aber gar nicht das Ziel, sondern nur ein Mittel zum Zweck.

In der Studie des iranischen „Parlaments“ wird betont, dass es Unterschiede zwischen den islamischen und westlichen Menschenrechten gebe. Beispielsweise gehe das islamische Menschenrechtsverständnis davon aus, dass die Menschen nicht von anderen Menschen eine Belohnung fordern sollten. Denn der Mensch werde durch seine Nähe zu Gott gütig. Die Menschen sollten aus ihrer Überzeugung heraus einander helfen. Der Islam würde die Menschen als Mitglied einer Familie betrachten. Ihre Beziehung untereinander müsse „brüderlich“ sein.

Der Verfasser der Studie unterstellt, dass das westliche Verständnis der Menschenrechte Religionen und Gottesverständnis ablehnen würde. Dies ist nicht nachvollziehbar, denn gerade die UN-Charta und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verteidigen eine Religionsfreiheit, die beispielsweise im Iran nicht existiert.

Mit einer geradezu absurden Argumentationskette werden die „westlichen Menschenrechte“ in Frage gestellt. Es wird beanstandet, dass im „westlichen“ Verständnis der Menschenrechte der Mensch im Mittelpunkt aller Dinge stehe und nicht Gott. Es wird gefragt, ob das Verständnis vom Menschen darauf beschränkt sei, dass der Mensch ein Lebewesen sei, das von „unbewussten Gesetzen der Natur beherrscht“ werde, nach einem „ziellosen Leben“ strebe, die  „Natur zerstöre“, sich in  „Kämpfe verstricke“ und nach einem „genussvollen Leben“ „unter die schwarze Erde“ gehe? Der Leser der Studie könnte den Eindruck bekommen, als ob das westliche Verständnis der Menschenrechte ein rein nihilistisches sei und Religionen per se ablehne. In einer geradezu banalen Form wird behauptet, dass die „westlichen Menschenrechte“ keine „höheren Ziele“ kennen würden.

Der Mensch müsse zuallererst „seinen Platz in der übernatürlichen Welt finden“, wo sein eigentlicher Platz ist, und solange könne man nicht von den Menschen erwarten, dass sie sich einigten. D.h. ein menschlicher Konsens kann nur über den Islam entstehen – obendrein so, wie der Staatsklerus im Iran diesen interpretiert.

In der Studie des islamistischen Pseudo-Parlaments wird kulturalistisch argumentiert. Jeder Mensch und jede Gesellschaft suche für sich Prinzipien auf deren Grundlage Gesetze geschaffen würden, die gemäß der eigenen Kultur konzipiert seien. Der Autor dieser Studie, ähnlich wie die Machthaber der totalitären Diktatur im Iran, geht davon aus, dass auf der „Grundlage der westlichen Menschenrechte das Gesetz, worauf die Kultur beruhe, nicht definiert werden könne.“ Daher sei auch nicht klar, was der Westen unter „Gerechtigkeit“ verstehe. Deswegen brauche der Westen die „höhere Moral“ des Islam.

In dieser Studie ist die Rede von einer „verantwortungsbewussten Freiheit“, die nur in einer islamischen Gesellschaft entstehen könne. Daher sei die Freiheit im Westen keine Freiheit. Es sei nur eine Freiheit von Egoisten. Die wahre Freiheit entstehe auf der Grundlage des islamischen Rechts.

In der Studie wird auch kritisiert, dass die westlichen Menschenrechte in einem demokratischen Staat umgesetzt werden müssten. Ein solcher Staat sei aber das Problem. Jeder könne in einem demokratischen Staat frei nach seinem Geschmack leben, solange dieser nicht die Rechte der anderen verletze. Dies führe dazu, dass die „hohen ethischen Maßstäbe eines Menschen zerstört würden.“

Offenbar ist dies der Grund, warum seit 32 Jahren die Islamisten im Iran alle Andersdenkenden entweder in den Kerker geworfen, ermordet oder ins Exil gejagt haben.

Der Autor der Studie sieht aber auch Gemeinsamkeiten der westlichen und der islamischen Menschenrechte. Es wird festgestellt, dass beide „Systeme“ das Recht auf Leben thematisiert haben. Beide würden die Würde des Menschen berücksichtigen. Beide „Systeme“ würden davon ausgehen, dass die „Verantwortlichen“ einer Gesellschaft das Recht auf Lehre und Erziehung bekommen. Die Verantwortlichen beider Systeme würden auch das Recht auf Freiheit in ihrer Verfassung definieren.

Das Problem bleibt auch hier, dass die Machthaber einer Diktatur, die die Meinungsfreiheit per Definition ablehnt, gleichzeitig die Freiheit definieren will.

Am Ende der Studie werden die Differenzen zwischen den islamischen und „westlichen“ Menschenrechten ausgearbeitet. Im Islam werde das Leben als ein Geschenk Gottes verstanden, aber im Verständnis der westlichen Menschenrechte sei eine solche Vorstellung nicht vorhanden. Im Islam dürfe niemand seinem eigenen Leben Schaden zufügen, daher sei auch die Abtreibung außer aus medizinischen Gründen, verboten. Im Westen hingegen nicht.

Im islamischen Verständnis würde Gott den Menschen eine innere Würde verleihen. Zudem gäbe es eine Form der Würde, die von Werten bestimmt werde. Hier muss man schon fragen, wo die Würde der politischen und aus religiösen Gründen Inhaftierten im Iran geblieben ist. Wo ist die Würde der verstorbenen Menschen, beispielsweise der Angehörigen der Bahai-Religion, geblieben, die als Verstorbene kein Recht auf eine Ruhestätte bekommen? Wo ist die Würde eines jungen Menschen geblieben, der nicht studieren darf, weil er Bahai ist?

Der Gipfel des Zynismus wird erreicht, wenn behauptet wird, dass nach westlichem Menschenrechtsverständnis zwar eine Schulpflicht bestehe, der Islam aber das Recht auf lebenslange Erziehung fordere. Als ob nicht zu Beginn der Islamischen Revolution von 1979 die Universitäten in einer „islamischen Kulturrevolution“ islamisiert wurden, als ob gegenwärtig nicht wieder eine forcierte Islamisierung der Universitäten mit Hilfe der gewalttätigen Bassij-Kräften stattfände.

Im islamischen Recht muss der Großvater das Erziehungsrecht der Kinder übernehmen, in den westlichen Staaten sei dies aber nicht so geregelt. Es wird dabei verschwiegen, dass ein Großvater nach iranischem Recht sogar das Recht auf die Tötung seiner Enkelkinder bekommt, falls diese sich seiner Meinung nach beispielsweise unislamisch verhalten. Eine Tatsache, die von allen iranischen Menschrechtlern, die sich mit Kinderrechten im Iran auseinandersetzen, beanstandet wird.  

Die Studie geht dann auf das  „Menschenrecht auf Almosen“ im Islam ein. Ein Recht auf Almosen gäbe es im Westen nicht. Auch die Medien müssten dafür sorgen, dass die Menschen dem Islam dienen. Im Westen würden die Medien nur im „Dienste der Selbstsucht“ arbeiten. Im Islam dürfe niemand bedingungslos das Recht auf Meinungs- und Glaubensfreiheit nutzen. Im Islam dürfe die Freiheit nicht dazu benutzt werden, um jede Meinungs- und Religionsüberzeugung zu verkünden.

Die Praxis belegt die Gültigkeit dieser falschen Argumentation. Der Iran gilt als das größte Gefängnis der Welt für Journalisten, die sich diesen von der Regierung diktierten „höheren Werten“ nicht unterordnen.

Natürlich werden in dieser Studie die islamischen Menschenrechte gegenüber den „westlichen“ als die höheren und besseren Werte dargestellt.

Das ideologische Verständnis der Menschenrechte, das die „wissenschaftliche Abteilung des iranischen Parlaments“ vertritt, beweist lediglich den totalitären Herrschaftsanspruch des Islamismus.

Wahied Wahdat-Hagh is Senior Fellow at the European Foundation for Democracy in
Brussels.

http://europeandemocracy.org/media/european-media/iran-rejects-universal-declaration-german.html


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