Vor umstrittenem Interview in Ägypten: Gilad Shalit nicht vom Roten Kreuz untersucht

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Vor umstrittenem Interview in Ägypten: Gilad Shalit nicht vom Roten Kreuz untersucht

HonestReporting Media BackSpin, 27. Oktober 2011

Das ägyptische Interview mit Gilad Shalit fand statt, bevor irgendein Arzt die Chance bekam, dessen Gesundheitszustand zu überprüfen. Der Enthüllungsjournalist Richard Behar (Forbes) runzelt die Stirn:

Letzte Woche schrieb ich der Interviewerin Shahira Amin, Ägyptens populärster TV-Journalistin, eine E-Mail – danach gepostet in einem News-Beitrag.

Vor drei Tagen antwortete sie sehr ausführlich – ebenfalls in einer E-Mail, deren Inhalt sie größtenteils in einem Offenen Brief an die Jerusalem Post veröffentlichte. In ihrem Brief an mich verteidigt Amin ihre Entscheidung, das Interview mit Shalit geführt zu haben – zum Teil, wie sie behauptet, das Interview wurde angesetzt,  „NACHDEM [so ihre Darstellung] er von der Hamas freigelassen worden war und einem medizinischen Checkup durch das Rote Kreuz unterzogen worden wurde.“

Hier aber gibt es ein Problem: Rot-Kreuz-Sprecher Hicham Hassan schrieb mir heute, „dass Vertreter des ICRC (International Committee of the Red Cross [Anm.: bd]) Gilad Shalit kurz nach seiner Übergabe an die ägyptischen Behörden besucht haben. Er wurde jedoch nicht von einem Arzt des Roten Kreuzes untersucht, da dies [sic] nicht angefordert worden war.“

Und was genau bedeutete das für das Interview?

„Hier wurde eine Wahlmöglichkeit vorgetäuscht“, so Dr. Nancy Zarse von der Chicago School of Professional Psychology, Expertin bei Geiselhaft-Verhandlungen für das FBI, Bundesgefängnisse und die Polizei von Chicago. „Ich sah mir das Video zum Interview an. [Und] es lieferte Hinweise auf eine erhöhte Belastung des [vegetativen] Nervensystems sowie schweres Atmen; und manchmal glaubte ich, dass er sehr verängstigt wirkte. So eindeutig kann man das nicht entscheiden.

Ich hatte keinerlei Kontakt mit ihm, aber ich kann nachvollziehen, dass eine Person wie er sich immer noch so fühlt, als sei er in Gefangenschaft – dass ein Interview wie dieses zum wesentlichen Bestandteil der Gefangenschaft werden könnte.“

Die Genfer Konvention von 1949 wird seit langem angewendet, um die Menschenwürde von heutigen und ehemaligen Kriegsgefangenen zu schützen. Da diese Verordnung für Regierungen gilt und nicht Medienorganisationen, sollte man im Hinterkopf behalten, dass das Shalit-Interview fürs ägyptische Staatsfernsehen durchgeführt wurde – also einen Ableger der Regierung.

Seit 2003 haben das Britische Rote Kreuz und die britischen Regierung Anstrengungen unternommen, eine erweiterte Interpretation bezüglich der Anforderung zu unterstützen, dass Kriegsgefangene und zivile Häftlinge vor „Verunglimpfungen und öffentlicher  Zurschaustellung“ durch TV-Medien zu schützen sind. Wie das Rote Kreuz bemerkenswerterweise anführt, kann Publizität zur Demütigung eines Menschen führen und die Rückkehr in sein Heimatland erschweren. Und viele dieser Interviews werden „unter Zwang“ durchgeführt.

Das Interview war nicht nur ausbeuterisch, es war auch schmähend und bedeutete eindeutig eine weitere Demütigung im Zusammenhang mit Shalits Gefangenschaft.

(Hat tip: HonestReporting-Leser GW)


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