Lynsey Addario und der Fallout einer Leibesvisitation

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Lynsey Addario und der Fallout einer Leibesvisitation

HonestReporting Media BackSpin, 30. November 2011

Man stelle sich folgende Szene vor: Eine im achten Monat schwangere Frau wird zum Zeitvertreib des Sicherheitspersonals angewiesen, dreimal ein Röntgengerät zu passieren.

Dann wird ihr gesagt, dass sie sich sowieso einer Leibesvisitation zu unterziehen hätte.

Die New York Times-Fotografin Lynsey Addario arbeitete an einem Bericht und befand sich auf der Rückreise aus dem Gazastreifen nach Israel. Sie war im Besitz eines von der Pressestelle der Regierung ausgestellten Journalistenausweises und rief die Beamten des Grenzübergangs Erez vorzeitig an, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich auf dem Weg dorthin befände. Addario beantragte auch, nicht durch das Röntgengerät gehen zu müssen, um mögliche gesundheitliche Schäden für das Baby zu vermeiden.

Weil sie bereits Anfang des Jahres in Libyen entführt worden war, hielt Addario sich streng an die Vorschriften.

Man kann ihr also wegen dieses Twitter-Beitrages nicht böse sein:


Kann dies überraschen, wenn man weiß, dass Addario von der Tweed-Antwort Mona Eltahaways, die von ägyptischen Sicherheitskräften sexuell bedrängt wurde, verunsichert war?

Stellungnahmen wie „Was hat eine schwangere Frau in Gaza zu tun?“ oder „Die TSA treibt’s noch schlimmer“ muss man vorbeugen. Das ist nicht zielführend.

Ich stimme auch Kommentaren anderer Seiten nicht zu, die unterstellen, Addarios Erfahrung würden [allein] durch die Tatsache abgeschwächt werden, dass in der Vergangenheit weibliche Selbstmordattentäter gezielt [den Grenzübergang] Erez für Anschläge ausgesucht haben. Das erklärt nur die Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen, trägt aber nicht zur Entspannung bei, wenn Soldaten auf eine schwangere Frau gaffen, die dreimal durch ein Röntgengerät geschickt wird und sich anschließend einer Leibesvisitation unterziehen muss.

Sie hat sich nicht verdächtig verhalten. Von Israel ausgestellte Journalistenausweise werden sowieso einer Sicherheitsprüfung unterzogen, und es gab keine spezifischen Terrorwarnungen, was schwangere Pressefotografinnen beträfe.

Und die Armee hat sich bereits entschuldigt.

In diesem Jahr haben israelische Sicherheitskräfte Leibesvisitationen an einem Kameramann von Al-Jazeera durchgeführt, außerdem an Sara Hussein von AFP, Simri Diab von Al-Jazeera und Kevin Flower von CNN.

Es gab keinen wirklichen Protest seitens der ausländischen Nachrichtenagenturen, ausgenommen von einigen griesgrämigen Pressemitteilungen; aber früher oder später muss einer die Zeche zahlen.

Verwundert es jetzt also, dass „Israelische Rücksichtslosigkeit“ die unglückliche Conclusio sei, die Addarios Freunde und Kollegen wie Joe Klein ziehen?

Das ist absolut empörend, natürlich. Und es stellt ein weiteres Indiz dafür dar, dass Israel durch die Besetzung der arabischen Gebiete seit 1967 verrohte. Für diejenigen von uns, die sich vehement aus Überzeugung für die Notwendigkeit des Existenzrechts Israels einsetzen – vor allem jene unter uns, die das Land lieben mit all seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, ist dies ein weiterer Anlass, sich Sorgen um Israels Zukunft zu machen.

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P.S. in eigener Sache:

Ich finde Pesach Bensons Beitrag sehr honorig, aber ich habe etwas Bauchschmerzen mit der Konnotation, die darin (sicher unbeabsichtigt) mitschwingt. Irgendwie drängt sich da bei mir das Gefühl auf, dass man Israel [prinzipiell] demokratische Defizite unterstellen will – noch dazu, wo sich das Land im Kriegszustand mit den Palästinensern befindet! [Bernd D.]

Ich lasse mich gerne korrigieren!


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