Rezension: Anmerkungen zum islamistischen Totalitarismus

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(hpd) Der Politikwissenschaftler Wahied Wahdat-Hagh nimmt eine Analyse des politischen Systems im Iran vor, mit einer Hervorhebung der dortigen antisemitischen Staatsideologie. Gerade in der erkenntniserhellenden Aufarbeitung persischsprachiger Quellen besteht der Wert der vorliegenden Arbeit, die aber inhaltlich eher fragmentarisch ausgerichtet und analytisch nicht systematisch entwickelt ist.


Wie muss das gegenwärtige politische System im Iran eingeschätzt werden? Handelt es sich um eine totalitäre Diktatur? Geht es den Herrschenden um eine Theokratie? Stehen die offiziellen Aussagen zu Israel für einen Vernichtungsantisemitismus? Und: Wie sollte die Verfolgung von Minderheiten bewertet werden? Diesen Fragen geht der Politikwissenschaftler Wahied Wahdat-Hagh, Mitarbeiter der European Foundation for Democracy, in seinem Buch „Der islamistische Totalitarismus. Über Antisemitismus, Anti-Bahaismus, Christenverfolgung und geschlechtsspezifische Apartheid in der ‚Islamischen Republik Iran'“ nach.

Er versteht diese Studie als Fortsetzung einer früheren Arbeit, worin die Herrschaft des politischen Islam im Iran als Beispiel für eine Spielart des Totalitarismus gedeutet wurde. Nun geht es Wahdat-Hagh stärker um die Bedeutung der Judenfeindschaft für das dortige politische System, was auch den hohen Stellenwert dieses Gesichtspunktes in den acht Kapiteln seines umfassenden Werkes erklärt:

Zunächst widmet sich der Autor aber dem Beginn der Modernisierung des Irans, wobei er nach den ideengeschichtlichen Wurzeln des Islamismus fragt und einschlägige frühe Theoretiker als dessen Wegbereiter benennt: „In der Tat stammen die ideologischen Grundlagen des Islamismus aus dem Iran des 19. Jahrhunderts und nicht, wie oft angenommen wird, aus Ägypten“ (S. 15). Entscheidend sei die Tradition der iranischen Ayatollahs jener Zeit gewesen. Danach geht es kurz um die „Fadayane Islam“ als Vorbilder der heute im Iran herrschenden Islamisten und ausführlicher um den dortigen ideologisch-totalitären Staatsapparat. Dabei wird den Fraktionskämpfen innerhalb der Herrschenden besondere Aufmerksamkeit gewidmet und danach besonders ausführlich deren politischer Messianismus behandelt. Dem schließt sich als umfangreichster Teil eine Analyse des islamistischen Antisemitismus an. Ihr folgen Betrachtungen zur Verfolgung Andersdenkender und eine Einschätzung der „sanften Revolution“ im Iran.

Als bilanzierende Einschätzung schreibt Wahdat-Hagh bereits zu Beginn: „Im vorliegenden Band verfechte ich die These des islamistischen Antisemitismus und belege diese mit neuen Materialien. Während ich mich in meiner Dissertation hauptsächlich auf die Strukturen und das ideologische Selbstverständnis der ‚Islamischen Republik Iran‘ konzentrierte, belegt dieser Band, dass die Diktatur der ‚Islamischen Republik Iran‘ eine Ideologie hat, die per se antisemitisch ist, die Vernichtung der Bahai-Gemeinde im Iran durchsetzen will und die iranischen Frauen geschlechtsspezifisch diskriminiert.“ Unter weiter heißt es: „Jahrelang wurde in den deutschen Zeitungen und gar in der Wissenschaft diskutiert, ob die ‚Islamische Republik Iran‘ eine antisemitische Ideologie besitze. … Im vorliegenden Buch wird nachgewiesen, dass die Vernichtungsideologie gegenüber Israel ein zentraler Bestandteil der islamistischen Staatsdoktrin ist und lange vor der Gründung der ‚Islamischen Republik Iran‘ von iranischen Islamisten aktiv gefordert wurde“ (S. 9).

Da Wahadat-Hagh auch persische Quellen auswerten konnte, gelingt ihm der Beleg für diese Einschätzung gut. Er macht dies etwa in einem längeren Abschnitt zu den Ausführungen von Ayatollah Khomeini mit Zitaten aus dessen „Gesammelten Werken“ deutlich. Gerade in der Aufarbeitung von Informationen, die durch die „Sprachbarriere“ ansonsten verschlossen sind, liegt die Bedeutung des Bandes. Gleichwohl irritiert er durch einige analytische und strukturelle Schwächen: Die einzelnen Kapitel sind nur eingeschränkt inhaltlich miteinander verbunden. Unklar bleibt auch häufig, was mit den genutzten Begriffen jeweils gemeint ist. Da dies auch für zentrale Arbeitsbegriffe wie „Antisemitismus“ und „Totalitarismus“ gilt, handelt es sich hier durchaus um ein Problem. Die einschlägige Forschung mit Definitionen und Typologien kommt nicht vor. Manchmal fehlen auch über mehrere Seiten hinweg die Belege in Fußnoten, während sie in anderen Fällen eher ungenau vorgenommen werden. Allein die Ausführungen zum Antisemitismus als Staatsideologie verdienen aber Interesse.

Armin Pfahl-Traughber

Wahied Wahdat-Hagh, Der islamistische Totalitarismus. Über Antisemitismus, Anti-Bahaismus, Christenverfolgung und geschlechtsspezifische Apartheid in der „Islamischen Republik Iran“, Frankfurt/M. 2012 (Peter Lang-Verlag), 334 S., 49,80 €

 

 


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