Machtkampf und Korruption in Iran

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Gegenwärtig sind in der „Islamischen Republik Iran“ innerislamistische Machtkämpfe und politische Rivalitäten verquickt mit einem Korruptionsskandal, der einmalig ist in der iranischen Geschichte. Es geht um die Veruntreuung von mindestens 2,6 Milliarden Dollar.

Eine totalitäre Justiz bekämpft die für die Korruption verantwortlichen Personen mit antikapitalistischen Untertönen. Man kann nur vermuten, wie vielschichtig die Dimensionen des seit Monaten schwelenden Problems sind. Es ist offen, ob die Justiz selbst und dem Revolutionsführer Ali Khamenei nahe stehende Personen in diesen Geld- und Machtskandal verstrickt sind. Der Status Quo ist: Die Machtmonopolisten um Khamenei sind am längeren Hebel und schwächen ihre Rivalen.

Korruption in einer totalitären Diktatur: Im Iran existiert ein Bankensystem, das hauptsächlich staatlich und nur teils privat ist. Auch die privaten Bankenchefs sind insofern staatlich gelenkt als sie linientreu sein müssen. Gleichzeitig werden loyale Ex-Militärs oder Ex-Beamte in die höchsten Riegen von Wirtschaftsunternehmen gehievt, wenn sie a) politisch loyal sind und b) die besten Kontakte in die Bankenwelt haben.

Faktisch handelt es sich um eine orientalische Form des Staatskapitalismus, der weniger von einer geordneten Staatsbürokratie, als vielmehr von einflussreichen Machtcliquen innerhalb des islamistischen Establishments gesteuert wird. Diese Machtcliquen sind oft miteinander im politischen Streit und haben Widersprüche und tauchen untereinander als wirtschaftliche Konkurrenten auf.

Ein solches Klientelsystem innerhalb eines totalitären Herrschaftsapparates funktioniert solange bis ein Konflikt im inneren Machtbereich auftaucht. Dann kann auch mal der Bock zum Gärtner gemacht werden. Die totalitäre Justiz, die für die Hinrichtung von Tausenden von unschuldigen Menschen verantwortlich ist, stilisiert sich zum Kämpfer gegen kapitalistische Ungerechtigkeit.

Wenn der Chef der Banke Melli ins Ausland flieht: Der Verwaltungsdirektor der iranischen Banke Melli, Mahmoud Khavari ist vor rund vier Monaten aus dem Iran geflohen und lebt inzwischen irgendwo in Kanada. Angeblich hat er sich dort ein Schloss gekauft.

Der Herausgeber der Zeitung Iran, Ali Akbar Javanfekr, der Präsident Ahmadinejad beraten hat, hatte kritisiert, dass der geflohene Mahmoud Khavari sich mit Wissen und Hilfe der Justiz und des Revolutionsführers aus dem Staub gemacht habe. Khavari hätte ausreisen dürfen, obwohl er kurz davor 12 Stunden lang verhört worden sei.

Gab es tatsächlich einen Deal zwischen Teilen des iranischen Justizapparates, dem Revolutionsführer nahestehenden Beamten und dem geflohenen Bankenchef? Durfte der Chef der iranischen Bank Melli ausreisen, weil er zu viel darüber wusste, wie die herrschende Klasse von Militärs und Technokraten sich mit billigen Krediten bereichert hat?

Javanfekr, der als enger Freund Ahmadinejads sicher kein Freund der Humanität ist, unterstellte, dass die Falschen, damit meint er einige Freunde Ahmadinejads, systematisch von der Justiz beschuldigt werden, zu den Abweichlern zu gehören und für die größte Korruption in der iranischen Geschichte verantwortlich zu sein.

Javanfekr behauptete ferner, dass der Verwaltungsdirektor von Bank Saderat, Mohammad Jahrami, den religiös-konservativen Gegnern von Ahmadinejad und sogar der Zeitung Farsnews, die den Revolutionsgardisten nahesteht, Geld gegeben habe, damit diese Ahmadinejads Regierung die Verantwortung für die Korruption zuschieben sollen. Dabei war Jahrami selbst im Kabinett der ersten Regierung von Ahmadinejad als Minister für Arbeit tätig. Er wechselte offenbar seine Freunde.

Javanfekr bekam eine Gefängnisstrafe von einem Jahr wegen Beleidigung des Revolutionsführers Ali Khamenei. Er hatte behauptet, dass Khamenei nahestehende Personen in einem Korruptionsskandal verstrickt seien. Khamenei jedenfalls forderte eine schnelle Beendigung der Diskussion. Niemand weiß, ob auch er etwas zu verbergen hat.
Wahrscheinlich ist ein breiter Teil der herrschenden Faktionen im islamistischen Establishment in diese 2,6 Milliarden Dollar Korruption verstrickt. Die Tatsache, dass sieben Banken verdächtigt werden, macht das Ausmaß des Skandals deutlich.

Die Bauernopfer: Vor dem Gericht steht gegenwärtig Mehafarid Khosrawi, der mit seinen Brüdern billige Kredite bekommen hat und innerhalb von wenigen Jahren über 40 Firmen aufbauen konnte, berichtet BBC-Farsi. Die Familie Khosrawi soll so gute Beziehungen zum Staat gehabt haben, dass sie auch einige Staatsfirmen übernehmen konnte.

Arya soll Akkreditive, sogenannte letters of credits mit hohen Summen von der Banke Saderat kostenlos bekommen haben, um diese in ein Stahlunternehmen zu investieren. Arya hat die Papiere offenbar an eine andere und zwar an die Banke Melli verkauft. Das System schien perfekt zu sein. Die Herren hatten scheinbar alles in der Hand. Sogar die Firma, in die investiert werden sollte, wurde von einem Gruppenmitglied geführt.

Die Bank Saderat hat lediglich ein Eigenkapital von rund zwei Milliarden Dollar. Die Korruptionssumme ist aber mindestens 2,6 Milliarden Dollar hoch. Es müssen also noch andere iranische Banken verstrickt sein. Noch ist kein Licht am Ende des islamistischen Tunnels der Korruptionen zu sehen.

Der Chef der Banke Melli, Mahmoud Khavari, hat sich wie oben erwähnt nach Kanada abgesetzt und der Chef der Bank Saderat Jahrami ist zurückgetreten und steht vor Gericht.

Korruption im Gottesstaat: In einem islamischen Staat darf es keine Korruption geben, nicht gemäß der Ideologie. Einige Bankdirektoren wurden verhaftet. Gegenwärtig stehen 22 Personen vor Gericht. Fünf von ihnen sollen hingerichtet werden.

Die 22 Inhaftierten sind nur die Spitze des Eisbergs. Wahrscheinlich sind viele Staatsbedienstete, linientreue Diener des Revolutionsführers, des Präsidenten, der iranischen Zentralbank und diverser anderer Banken dank ihrer Beziehungen in Politik und Wirtschaft reich geworden.

Die khomeinistische Justiz wirft nun einigen Mitarbeitern des Präsidentenbüros vor in diese große Korruptionsgeschichte verstrickt zu sein. Einige Konkurrenten von Ahmadinejad, die im islamistischen Pseudo-Parlament sitzen, wollten auch den Präsidenten Ahmadinejad in den Skandal hineinziehen. Kein Geringerer als Revolutionsführer Ali Khamenei verhinderte dies.

Ahmadinejads Ring: Tatsächlich hatte Ahmadinejads Wirtschaftsminister Shamsoldin Husseini zu einem früheren Zeitpunkt einige inzwischen verhaftete Personen gelobt und in Schutz genommen. Beispielsweise hatte er die zentrale Figur in diesem Korruptionsfall, Amir Mansour Arya, als einen „Held der Industrialisierung“ des Iran bezeichnet. Arya habe viele Arbeitsplätze geschaffen.

Die Dimensionen dieses Korruptionsfalls sind bisher nicht wirklich ans Tageslicht gekommen. Aber Sadeq Larijani, Chef der Justiz, hat den iranischen Staatsanwalt Qolamhussein Mohsseni Ejei beauftragt diese Korruptionsakte zu überwachen.

Auch Isfandiar Rahim Mashai, enger Mitarbeiter von Ahmadinejad, soll zu früheren Zeiten Ministerien schriftlich dazu aufgefordert haben mit der Gruppe von Amir Mansur Arya zusammenzuarbeiten. Mashai gehört zu einer Truppe um Ahmadinejad, die im Iran als die „abweichlerische Gruppe“ bezeichnet wird.

Die Anhänger von Ali Khamenei bezeichnen Mashai als Chef der Gruppe. Der Sohn von Ahmadinejad ist mit der Tochter von Mashai verheiratet. Mashai hatte sich einen Namen gemacht, weil er gesagt hatte, dass das iranische Volk keine Feindschaft gegen das israelische Volk hege. Dies hatte für sehr viel Konfusion gesorgt. Mashai befürwortet genauso wie sein Freund Ahmadinejad die Vernichtung Israels. Nach einiger Kritik wiederholte Mashai abermals, dass er natürlich für die Vernichtung Israels sei.

Ferner hatte Mashai als Nationalist davon gesprochen, dass die Zeit des Islamismus vorbei gehe und eine Periode der „iranischen Schule“ kommen werde. Er hat deswegen viel Kritik von Khamenei und seinen Anhängern bekommen, aber noch wird er von Khamenei geduldet.

Zu dieser abweichlerischen Gruppe um Ahmadinejad zählen weiterhin Hamid Baghai, Mojtaba Samare Hashemi, Ali Saidlu, Mohammadreza Rahimi, Ali Akbar Javanfekr und Masud Saribafan.

Hamid Baghai hat unter anderem für den iranischen Geheimdienst gearbeitet. Baghai hatte beispielsweise gesagt, dass die Türkei tatsächlich einen Massenmord an den Armeniern ausgeführt habe, was für Ärger mit der türkischen Regierung gesorgt hat. Hier setzte der nationalistische Baghai auf antitürkische Ressentiments.

Mojtaba Samare Hashemi war in der ersten Periode der Präsidentschaft Ahmadinejads einer seiner engsten Berater. Es heißt, dass Hashemi beispielsweise vorgeschlagen hatte, dass Ahmadinejad Briefe an Frau Merkel und Herrn Bush schreiben solle, was er auch tat. Hashemi ist zudem ein treuer Anhänger von Ayatollah Mesbahe Yazdi. Dieser galt zunächst als Mentor von Ahmadinejad, konnte aber als Panislamist die nationalistischen Tendenzen von Ahmdinejad nicht mittragen.

Ali Saidlu ist gegenwärtig der außenpolitische Berater von Ahmadinejad. Der Präsident wollte, dass Saidlu das Ölministerium leitet, aber das Majless stimmte dieser Entscheidung nicht zu.

Mohammadreza Rahimi ist ein kurdischer Politiker, der eng mit Ahmadinejad verbunden ist. Er ist erster Sekretär von Ahmadinejad. Ihm werden verschiedene Korruptionsfälle vorgeworfen, aber Ahamdinejad hält zu ihm. Rahimi hat seine Treue zu Ahmadinejad mal mit folgender Aussage unter Beweis gestellt. In Syrien, sagte Rahimi, habe ein „Muslim zu ihm gesagt, dass wenn ein Prophet nach Mohammad kommen wird, wird es Ahmadinejad sein.“

Ali Akbar Javanfekr ist Verwaltungsdirektor der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA und zudem Direktor der Zeitung IRAN und Medienberater des Präsident Ahmadinejad. Javanfekr kritisierte in einem Interview mit der Zeitung Etemad das eintägige Verbot der Zeitung IRAN. Daraufhin sollte er verhaftet werden, Ahmadinejad stellte sich aber hinter ihn. Er wurde dennoch zu einem Jahr Haftstrafe und zwei Jahren Berufsverbot verurteilt.
Javanfekr hatte immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sich die Politik von Ahmadinejad von der des Revolutionsführers in puncto Amtsbesetzung unterscheide. Beispielsweise hatte er hervorgehoben, dass Ahmadinejad durchaus befürwortet habe, dass der Geheimdienstminister Heydar Maslahi gehe, aber Ali Khamenei habe darauf gedrängt, dass Maslahi bleibe.

Masud Saribafan gehört ebenfalls zur Seilschaft von Ahmadinejad und ist gegenwärtig sein Sekretär.

Korruptionsskandale und islamische Revolution. Der gegenwärtige Korruptionsskandal ist nicht der erste Fall in der Geschichte der „Islamischen Republik Iran“. Ahmadinejad wurde das erste Mal zum Präsidenten gewählt, weil er den verarmten Massen die totalitäre Utopie der Befreiung der Armen der Welt im Namen des Islam versprach. Tatsächlich hat der Iran wegen des Anstiegs des Ölpreisees zwar immense Öleinnahmen gehabt, aber die iranische Gesellschaft ist in der Regierungszeit Ahmadinejads ärmer geworden. Dennoch wird der antisemitische Revolutionsführer Khamenei seinen antisemitischen Präsidenten kaum fallen lassen. Er will nicht, dass die Machtbalance innerhalb der totalitären Diktatur verloren geht, zumal Ahmadinejads Amtszeit im Sommer 2013 zu Ende sein wird.

Die Korruptionsskandale in der Regierungszeit von Ahmadinejad haben aber gezeigt, dass Macht- und Geldgier unter totalitär denkenden und handelnden Islamisten weit verbreitet sind.

(Quellen: BBC-Farsi, Farsnews, IRNA, Kayhan, ISNA)

Wahied Wahdat-Hagh ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der European Foundation for Democracy (EFD) in Brüssel.

http://europeandemocracy.org/media/european-media/power-struggles-and-corruption-in-iran.html

 


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