Die zynische Macht des iranischen Atomunterhändlers

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Der Iran fordert, dass die Welt sein Atomprogramm akzeptiert und zu Menschenrechtsfragen schweigt. Das schreibt Hossein Mousavian in einem Gastkommentar für Boston Globe. Dabei wollen sich die iranischen Machthaber die Option offenhalten, ob sie irgendwann die Atombombe bauen.

Als zwischen 1990 bis 1993 zwei Deutsche in Libanon von der Hisbollah gefangen genommen wurden, vermittelte er bei den Verhandlungen für die Freilassung der zwei Deutschen. Ebenso vermittelte er bei der Freilassung der Geiseln, die die Hisbollah 1989 bis 1999 festhielt. Dabei finanzierte in derselben Zeit der Iran die libanesische Hisbollah. Damals arbeitete Hossein Mousavian für das iranische Außenministerium.

In Bezug auf die anstehenden Atomverhandlungen mit dem Iran argumentiert Hossein Mousavian optimistisch: Er will einen Durchbruch erzielen. Für ein Weltproblem. In Wirklichkeit will er das Überleben der islamistischen Diktatur absichern. Denn seiner Meinung nach werden die Konfliktparteien nur dann aus der Sackgasse kommen, wenn die Welt vor dem islamistischen Totalitarismus kapituliert.

Hossein Mousavian fordert zuallererst, dass der Westen das iranische Anreicherungsprogramm akzeptieren müsse. Dabei weiß der Ex-Atom-Unterhändler, dass der Westen genau das Gegenteil fordert.

Mousavian, der verlängerte Arm des iranischen Revolutionsführers, sagt es im westlichen Ton und nicht in Form von orientalischen Beschimpfungen, wie wir es von Mahmoud Ahmadinejad und Ayatollah Ali Khamenei und anderen iranischen Politikern gewöhnt sind. Mit scheinbar rationalen Argumenten wiederholt Mousavian, das, was wir von den Hasspredigten der Freitagsgebete kennen. Mousavian spricht Machtworte aus: Sanktionen, verdeckte Aktionen und militärische Schläge werden Irans Atomprogramm nicht stoppen. Denn der Iran habe die „break out capability“ schon vor 10 Jahren erreicht. D.h. der Iran hatte schon im Jahre 2002 genug nuklearen Brennstoff, um mindestens eine Atombombe zu bauen.

Die zynische Macht der islamistischen Diktatur: Mousavian argumentiert aus der Position der zynischen Macht. Denn ungeachtet dieser Fähigkeit des Iran würden alle wichtigen Player im Geschehen, die USA, die EU und sogar Israel davon ausgehen, dass der Iran keine Atombombe bauen könne. Iran habe sich noch nicht einmal entschieden die Atombombe zu erlangen. Noch schlimmer: Sie gehen davon aus, dass der Iran weit davon entfernt sei.

Der iranische Unterhändler macht eines deutlich: Der Iran hat schon lange das Potential zum Bau einer Atombombe. Und immer noch stimmt seine Aussage mit der Aussage von Ahmadinejad und Khamenei insoweit überein, als der Iran keine Atombombe brauche. Nicht jetzt. Denn er sagt letztlich: Iran kann die Bombe bauen, wenn er es will. Genau das hatte Ahmadinejad in seinem ZDF-Interview auch Herrn Kleber gesagt. Wenn der Iran die Bombe bauen wolle, wird niemand gefragt werden.

Dennoch baut der Zyniker Mousavian auf den US-amerikanischen Präsidenten, der doch auf diplomatische Lösungen setze. Mousavian will auch eine diplomatische Lösung. Fängt aber mit einem aggressiven Schachzug an: Er macht zunächst deutlich, dass der Westen sich irrt. Denn der Iran habe ein Potential erlangt, das der Westen unterschätzt habe. Vor diesem Hintergrund verlangt Mousavian nun die Kapitulation des Westens. Die USA müsse auf ein Regime Change verzichten.

Nach dieser Lesart soll sich die iranische Bevölkerung auf Ewigkeit dem totalitären Herrschaftsapparat unterordnen. Mousavian ist nicht gerade bescheiden: Er verlangt von der Welt, dass das „unabdingbare Recht“ des Iran auf sein Urananreicherungsprogramm akzeptiert werden müsse. Sanktionen müssten gestoppt werden. Die Welt müsse eben das iranische Atomprogramm eines mörderischen Regimes stillschweigend respektieren. Als Gegenzug bietet Mousavian etwas an, was man im Persischen als „Taarof“ bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine verlogene und überzogene Höflichkeitsformel.

Ja, der Iran müsse, wenn der Westen endgültig die Kröte der totalitären Diktatur geschluckt hat auch gegenüber der IAEA Transparenz zeigen. Was dies wiederum bedeutet, hatte Ahmadinejad in seinem ZDF-Interview als eine Gegenfrage verdeutlicht. Würde Deutschland erlauben, dass das Büro der deutschen Bundeskanzlerin von Inspektoren kontrolliert wird? Im Klartext: Das iranische Regime werde niemals die Anlagen, die als militärische Zonen deklariert sind, offenlegen. Höflich mit persischem „Taarof“ gesagt, heißt dies: Transparenz bedeutet für das iranische Regime, das, was aus dessen Perspektive tatsächlich sichtbar werden darf. Der Iran werde dann auch als vertrauensbildende Maßnahme gerne auf die Atombombe verzichten. Wie lange? Ist unklar.

Spieltheorie: Die Haltung des iranischen Regimes kann man spieltheoretisch mit folgendem Bild erklären: Man weiß nicht, ob Mousavian nur zu hoch pokert, um zu gewinnen oder ob er tatsächlich gewonnen hat. Denn Mousavian wettet nicht nur um Geld, sondern um Leben und Tod. Wenn Mousavian verliert, könnte gleichzeitig eine Bombe hochgehen und das gesamte Kasino und womöglich mehr könnte in die Luft gehen. Die Frage ist, lässt der Gegenspieler ihn nun gewinnen? Oder wird der Gegenspieler ihn entlarven, indem er womöglich gar den Nachweis haben will, dass Mousavian nicht mit gezinkten Karten spielt.

Der Iran versucht indessen Zeit zu gewinnen, denn wer riskiert schon sein Leben und das Leben von Millionen Menschen. Also gibt Mousavian seinem Gegenspieler ein Bonbon, damit niemand bei diesem aufregenden Spiel einen Herzinfarkt erleidet. Mousavian verspricht, dass der Iran in dem Fall einer westlichen Kapitulation vor der totalitären Diktatur auf eine zwanzigprozentige Anreicherung verzichten würde. Nur für eine Zwischenpause.

Tatsächlich ist es aber so, dass weder die IAEA noch irgendeine westliche Macht jemals die Gewissheit bekommt, dass der Iran tatsächlich keine versteckten Urananreicherungsanlagen besitzt, die als militärische Sperrzonen deklariert werden. Mousavian und Khamenei brauchen diese Spannung, um Zeit zu gewinnen. Die erzeugte Angst beim Gegner wird doppelt ausgenutzt, denn der Gegner, d.h. P5+1 soll nun vertrauensvoll auch noch Brennstäbe liefern, natürlich nur für ein Teheraner Forschungszentrum.

Das ist aber nicht das Ende des Feilschens im Bazar. Der Gegner soll in die Knie gehen: Er soll auch noch auf die Ölsanktionen verzichten und obendrein die iranische Zentralbank wieder freisprechen, damit bitte schön wirklich Vertrauen geschaffen wird.

Ja, wie Ahmadinejad im Interview gegenüber Kleber schon gesagt hat, der Iran werde im Rahmen der „gesetzlichen Bestimmungen“ Transparenz zeigen. Mousavian geht gar einen Schritt weiter: Die IAEA Kontrolleure dürfen auch unangemeldete Kontrollen durchführen, d.h. der Iran würde sogar im Rahmen des Zusatzprotokolls handeln.

Aber der Pokerspieler Mousavian lässt sich immer noch nicht in seine Karten schauen, denn militärisches Sperrgebiet bleibt weiterhin auch für die IAEA eine verbotene Zone. Das Leben bleibt also gefährlich, besonders dann wenn man es mit einem potentiellen Selbstmörder zu tun hat, der in seiner „ultima irratio“ tatsächlich kein Risiko scheut.

Mousavian will der IAEA also „vollständige“ Kontrolle gewährleisten und seine Urananreicherung in den „existierenden Anlagen“ sogar limitieren. Für eine vertrauensbildende Phase solle der Iran sogar auf nicht für den einheimischen Konsum verwendbaren radioaktiven Brennstoff verzichten. Im Gegenzug solle der Westen dann auf die unilateralen Sanktionen verzichten, Flugverbote aufheben und mit Irans friedlichem Atomprogramm zusammenarbeiten.

Der Pokerspieler Mousavian ist auch ein guter alter Schachspieler. Denn wie ein guter Schachspieler versucht er zu verheimlichen, was er in seinen nächsten fünf Zügen genau vorhat. Der Gegenspieler soll einen Gegenzug oder zwei Gegenzüge kennen, aber spätestens ab dem dritten Gegenzug soll der Gegenspieler in Angst versetzt werden, womöglich nicht nur seinen König zu verlieren. Denn zu viele militärische Verbotszonen im grauen Dunst bleiben ein Rätsel. Und genau davon profitiert Mousavian. Die Erfüllung jeglicher Vereinbarung bleibt eine Nicht-Erfüllung, wenn ein Spielpartner definiert ob es weiterhin unkontrollierte militärische Grauzonen gibt oder nicht. Und genau dies ist der Fall. Die totalitäre Diktatur will die Spielregeln bestimmen.

Mousavians Zynismus kennt keine Grenzen, denn er bezeichnet seine Spielregeln mit der berechtigten Unsicherheit seines Gegners als einen seriösen Dialog.

Offenbar ist es 5 nach 12. Schon in der Theorie der Außenpolitik der demokratischen Staaten nehmen die Menschenrechte eine der letzten Prioritäten ein. Es geht vor allem um die Erfüllung des nationalen Versprechens das Bruttosozialprodukt zu erhöhen. Mousavian setzt genau an dem herrschenden Instinkt eines kapitalistischen Staates an, der um jeden Preis seine Profitinteressen erfüllen will. Auch die totalitäre Diktatur will überleben. Wer sich für Menschenrechte in diesem Spiel einsetzen will, hat verloren, bevor das Spiel begonnen hat.

Die Frage ist, ob es einen Gewinner gibt, wenn es um das Spiel der totalitären Atomdiktatur geht.

Wahied Wahdat-Hagh ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der European Foundation for Democracy (EFD) in Brüssel.

 


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