Friedman an die Palästinenser: „In Israel für moralische Verunsicherung sorgen“

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Friedman an die Palästinenser: „In Israel für moralische Verunsicherung sorgen“

HonestReporting Media BackSpin, 6. April 2012

Kommentar von Simon Plosker, Chefredakteur HonestReporting

In seinem letzten Gastbeitrag für die New York Times plädiert Thomas Friedman für „gewaltfreien Widerstand“ der Palästinenser:

Wenn sich die Palästinenser einerseits für gewaltfreien zivilen Ungehorsam in der West Bank einsetzen und zum anderen die Karte für eine vernünftige Zweistaaten-Regelung ziehen, übernehmen sie die einzige Strategie, die zur Beendigung der israelischen Besatzung

führen wird: den Israelis das Gefühl moralischer Verunsicherung aber auch strategischer Sicherheit vermitteln. Das eherne Gesetz des Friedensprozesses lautet, dass derjenige gewinnt, der die israelische schweigende Mehrheit wegen der Besatzung moralisch verunsichert, aber auch für strategische Sicherheit Israels sorgt.

Was mir an Friedmans Kommentar am meisten auffällt ist seine Unkenntnis über die Alltagssituation der einfachen Israelis (und ich zähle mich dazu). Seine Vorstellung geht von der falschen Prämisse aus, dass es sich beim so genannten Friedensprozess um die Beendigung der israelischen Kontrolle über die von den Palästinensern umstrittenen Gebiete handele.

Dies kann nicht die Endphase eines Friedensprozesses sein. Die überwiegende Mehrheit aller Israelis und jeglicher politischen Ausrichtung sehnt sich nach echtem Frieden. Wenn Friedman glaubt, dass der Verzicht auf israelisch kontrolliertes Gebiet als gelungenes Ergebnis seiner Vision eines gewaltlosen palästinensischen Widerstands zu bewerten sei, dann täuscht er sich.

Wie sieht es mit dem Frieden selbst aus?

Friedman nennt Ägyptens Anwar Sadat als Beispiel für erfolgreiche Friedensbemühung. Doch war es nicht „moralische Verunsicherung“ oder sogar „strategische Sicherheit“, die den israelischen Mainstream davon überzeugte, den Sinai aufzugeben und einen Friedensvertrag abzuschließen. Es war der einfache Akt Sadats, klar und öffentlich seiner Sehnsucht nach Frieden mit Israel Ausdruck zu verleihen, der die Barrieren des Misstrauens überwand.

Das ist etwas, was die Israelis von der palästinensischen Führung erst noch hören müssten, deren Vorstellung von „gewaltlosem Widerstand“ nicht Friedmans naiver Vision von Sit-ins, Boykottmaßnahmen und Hungerstreiks entspricht, sondern der einer massiven Kampagne zur Delegitimierung Israels, geführt auf diplomatischer, politischer, kultureller und medialer Ebene.

Diese Form des so genannten „gewaltlosen Widerstandes“ eignet sich nicht dazu, die Israelis moralisch zu verunsichern, selbst wenn sie zum Verzicht auf Land bereit wären.

Ist es nicht an der Zeit, dass Thomas Friedman, statt einer Attacke auf Israel mit nichtmilitärischen Mitteln das Wort zu reden, damit beginnt, sich für einen Friedensprozess einzusetzen, der tatsächlich den Begriff Frieden beinhaltet?

Die Formel Land für Frieden* hat sich angesichts der palästinensischen Reaktionen auf israelische Zugeständnisse als falsch erwiesen. Warum also will Friedman eine Formel „Land für nichts“ unterstützen?

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*Dazu habe ich  zwei Karikatur-Klassiker zum Thema „Land for Peace“ ausgegraben (bd):

http://honestlyconcerned.info/wp-content/uploads/2012/04/Land_for_Peace_Doesnt_Work.png

http://www.thejerusalemconnection.us/blog/2011/02/19/cartoon-dry-bones-land-for-peace.html


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