Iran: Die Atombombe ist nicht verboten

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Ali Khamenei, der religiöse Führer des Iran, hat in verschiedenen Reden davon gesprochen, dass eine Atombombe nicht islamisch sei. Gegenwärtig schlussfolgern einige Politiker, Wissenschaftler und Journalisten daraus, dass diese Aussage auf einer Fatwa beruhe und man davon ausgehen könne, dass der Iran die Atombombe nicht bauen wolle. Doch an dieser optimistischen Annahme muss gezweifelt werden.

Um herauszuarbeiten was eine Fatwa ist, lohnt es sich, einen Blick in das Buch „Tosih ul-Masael“ (Erläuterung zu Fragen) von Ayatollah Khomeini zu werfen. Man wird feststellen müssen, dass das, was Ayatollah Khamenei in Bezug auf die Atombombe gesagt hat, von seinen Anhängern nicht befolgt werden muss, da es sich nicht um eine Fatwa, also nicht um ein islamisches Rechtsurteil, handelt.

Unter Frage 5 kann man in Ayatollah Khomeinis „Tosih ul-Masael“ nachlesen, dass eine Fatwa von einem Mojtahed, einem islamischen Gelehrten, ausgesprochen werden müsse. Ferner sei es möglich, eine Fatwa von einem Mojtahed persönlich zu hören oder über eine dritte Vertrauensperson von dieser Fatwa zu erfahren. Es folgen aber gravierende Einschränkungen, die von höchster Relevanz sind: man kann sich nur sicher sein, dass eine Aussage eines Klerikers tatsächlich eine Fatwa, also ein Rechtsurteil, darstellt, wenn diese Aussage in einer religiösen Schrift (Resale) ausdrücklich als Fatwa oder in der Liste der Fatwas aufgeführt wird.

Ali Khamenei hat eine Liste seiner Fatwas beispielsweise auf seiner Homepage stehen. Aber in dieser Liste taucht eine Fatwa über das Thema Atombombe mitnichten auf.

Es ist nicht das erste Mal in der islamischen Geschichte, dass ein Kleriker etwas sagt und die Anhänger des Klerikers nicht wissen, wie verbindlich seine Aussage tatsächlich ist, von der Weltöffentlichkeit ganz zu schweigen. Deswegen wird in Frage 6 von Ayatollah Khomeini festgehalten, dass die Muslime den in den Resalets festgeschriebenen Fatwas folgen sollten, solange nicht sicher ist, ob ein Ayatollah seine einst ausgesprochene Fatwa wieder verändert hat. Es heißt sogar, wenn auch nur die Möglichkeit bestehe, dass die Fatwa geändert worden sei, sei es nicht notwendig überhaupt nachzuschauen, ob ein Rechtsspruch als Fatwa definiert worden ist.

Die Ayatollahs wissen ganz genau, dass auch von Geistlichen viel Unverbindliches gesagt wird. Daher legte Ayatollah Khomeini fest, dass der muslimische Nachahmer nur dann einer Fatwa folgen muss, wenn diese schriftlich in einer religiösen Schrift und in der Liste der Fatwas festgehalten worden ist.

Solange also die Aussage, dass die Atombombe nicht islamisch sei, nicht in schriftlicher Form ausdrücklich als Fatwa festgehalten worden ist, gibt es für Muslime keine religiöse Vorschrift, die den Bau von Atombomben verbietet.

Weder Ali Khamenei noch irgendein anderer Ayatollah haben jemals in ihren schriftlichen Fatwas die Atombombe thematisiert.

Abschließend sollte auch über die Frage der Ethik in einer Diktatur nachgedacht werden. Khomeini sprach vor der Machtergreifung von einer islamischen Demokratie, von Meinungsfreiheit und einer gerechten Gesellschaft. Seine Fatwas waren anders als viele seiner politischen Aussagen.

Beispielsweise ist für die iranischen Machthaber der islamistische Terrorismus eine Taktik des Befreiungskampfes. Ist der Terrorismus etwa deswegen ethisch legitimierbar? Der Iran hätte 1982 nach der Rückeroberung der iranischen Stadt Khoramshahr den Krieg gegen Irak beenden können. Die iranische Führung wollte aber den Krieg aus ideologischen Gründen bis zur Befreiung Jerusalems fortsetzen. Mit Ethik hatte diese Entscheidung kaum zu tun.

Ergo erinnert die Aussage Ayatollah Khameneis, dass die Atombombe nicht islamisch sei, an die Parolen der realsozialistischen Diktaturen über Weltfrieden, Freiheit und Sozialismus.

Die Frage, ob und wann der Iran eine Atombombe baut, bleibt daher offen.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy.


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