Mehr Realismus: Ein iranischer Wissenschaftler warnt seine Regierung vor Übermut

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Ein iranischer Insider, Mahoud Sariulqalam, analysiert aus der machtpolitischen Perspektive des Iran die Politik des Westens und einiger Staaten des Nahen Ostens. Der iranische Politikwissenschaftler und USA-Experte arbeitet an einer Teheraner Universität und gilt als pragmatisch-realistisch. Er verfolgt das Ziel, der islamistischen Diktatur zu einer korrektem Einschätzung ihrer eigenen Macht zu verhelfen, um sich realistisch mit anderen Mächten auseinandersetzen zu können. Der iranische Professor ist genauso antisemitisch wie seine Regierung. Seiner Meinung nach hat Israel alleine nicht erforderliche die militärische Macht, um den Iran anzugreifen. Und die USA wollten unter der Präsidentschaft Obamas keinen Krieg riskieren. Daher verfolgten die USA das Ziel, die Atomverhandlungen zu verlängern.

 

Sariulqalam lobt die Türkei und Saudi-Arabien. Insbesondere die Türkei entwickle sich zu einem Modell für die islamische Welt, und nicht der Iran. Saudi-Arabien sei die eigentliche wirtschaftliche Macht und die Türkei die diplomatisch-politische Macht in der Region. Der iranische Politikwissenschaftler geht davon aus, dass die Zukunft des Islam in Ägypten entschieden werde und nicht im Iran. Falls Obama wiedergewählt werde, würde die „idealistische Politik“ des Panislamismus abnehmen und die arabische Welt sich mehr mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigen.

 

Mit einer solchen Aussage relativiert er natürlich die sonst übliche Propaganda der iranischen Machthaber. Aber auch dieser iranische Wissenschaftler will Wege aufzeigen, wie die islamistische Diktatur des Iran ihre Ziele besser durchsetzen kann.

 

Sariulqalam ist der Meinung, dass der Iran sich heute weltweit engagieren müsse und sich nicht isolieren dürfe. Dabei stellt er das im Iran herrschende System keineswegs in Frage. Explizit sagt der iranische Wissenschaftler, dass er sich nicht am Westen orientiere, vielmehr seien Staaten der Dritten Welt wie Brasilien für ihn von Interesse. Ein Staat wie Brasilien sei erfolgreich, weil er weltoffen sei. Er kritisiert, dass der Iran rund 3000 oder bestenfalls 4000 Manager habe, die überdies kaum Fremdsprachen sprechen würden. Daher schlägt er vor, dass auch religiöse und fromme Menschen Beziehungen zur Welt aufbauen müssen. Er verteidigt mitnichten eine offene säkulare Demokratie. Im Gegenteil, auch die „Islamische Republik Iran“ müsse mit der Welt umgehen können. Er will die islamistische Diktatur erhalten und dafür sorgen, dass diese ihre Interessen in der Welt besser durchsetzt. Deswegen argumentiert er in der Tat aus der islamistischen Machtperspektive pragmatischer, aber dafür nicht weniger entschlossen als die herrschenden Ideologen im islamistischen Pseudo-Parlament oder in der Regierung Mahmoud Ahmadinejads.

 

Als Realist kritisiert der iranische Professor, dass die Russen und die Iraner für ihre idealistische Mentalität bekannt seien. Der Realismus sei aber eine Tugend und brauche eine Methodologie und eine Philosophie. Sariulqalam verteidigt den chinesischen Weg. Die chinesische Führung habe zwar keine positive Meinung über Europa und die USA. Dennoch versuche China von der Welt zu lernen, um die eigenen Ziele besser durchsetzen zu können.

 

Die verschiedenen Staaten der Region des Nahen Ostens würden lediglich machtpolitisch miteinander konkurrieren. Dieser Konkurrenzkampf habe zwar manchmal auch ein religiöses Gesicht, aber die eigentlich konkurrierten Iran, Saudi-Arabien, der Türkei und Ägypten um politische Macht. Es sei die westliche Propaganda, die einen Gegensatz zwischen der schiitischen und der arabisch-sunnitischen Welt sehen wolle. Iran habe überhaupt nicht die logistische Macht, die Schiiten gegen die Sunniten zu organisieren. Zwar seien 15 Prozent der Muslime Schiiten, aber sogar der schiitische Staat Azerbaijan habe Konflikte mit dem Iran.

 

Sariulqalam räumt ein, dass in Zukunft Änderungen in der syrischen Regierung vorstellbaren seien, aber es sei nicht klar, wie „die politische Matrix“ nach einem Machtwechsel in Syrien aussehen würde. Russland, Europa, die USA, aber auch regionale Staaten wie der Iran würden eine Rolle bei der Gestaltung der Zukunft Syriens spielen.

 

Der iranische Politologe meint, dass der Iran die wirtschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarstaaten ausbauen müsse, auch mit Saudi-Arabien. Es gebe eine gute wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Staaten der Region wie Jordanien, Saudi-Arabien und Tunesien. So würden diese Staaten auch ihre einseitige Abhängigkeit von den USA aufgeben. Besonders die Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Saudi-Arabien sei sehr wichtig. Diese beiden Staaten würden die Zukunft Ägyptens und des politischen Islam bestimmen. Die US-Regierung, aber auch die Türkei und Saudi-Arabien wollten, dass auch die ägyptische Muslimbruderschaft sich stärker und pragmatische mit wirtschaftlichen Problemem auseinandersetzt, statt rein ideologischen Fragen zu debattieren.

 

Sariulqalam meint, dass Obama keine Konfrontationspolitik im Nahen Osten verfolge. Die US-Regierung wolle nicht ein direktes Problem für den „arabischen Frühling“ werden und verfolge die Strategie der „remote leadership“, d.h. sie versuche, aus der Ferne Einfluss zu nehmen und zu führen. In Bezug auf die US-amerikanische Sicht auf den Iran ist er der Meinung, dass die US-Regierung aus geopolitischen Gründen die territoriale Integrität des Iran erhalten wolle. Iran habe im Vergleich mit seinen Nachbarstaaten eine entwickelte Gesellschaft.

 

Der iranische Professor äußert sich antisemitisch und folgt hier der iranischen Staatsdoktrin. Die US-Regierung würde programmatisch alles tun, was die „jüdische Lobby“ von ihr fordere. Obama könne es sich nicht leisten, gegenüber der „jüdischen Lobby“ gleichgültig zu sein. Deswegen sei die iranische Atomakte von Wien (Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA) nach New York (Hauptquartier des UN-Sicherheitsrates) gegangen und deswegen seien mehrere Resolutionen gegen den Iran verabschiedet worden. Auch der pragmatische Politikwissenschaftler, der im Dienste der islamistischen Diktatur arbeitet, muss die politische Verschwörungstheorie propagieren, der zufolge die Juden schuld daran seien, dass Resolutionen gegen den Iran verabschiedet werden.

 

Israel habe nicht die militärische Macht, den Iran anzugreifen, sagt der iranische Professor. Israelische Kampfflugzeuge müssten mindestens zwei Mal in der Luft tanken, wenn sie den Iran angreifen wollten, ganz gleich ob sie vom Westen oder vom Süden anfliegen würden. Israel sei daher auf die militärische Macht der USA angewiesen. Der iranische Wissenschaftler weiß auch, dass die USA die israelische Regierung vor einem Krieg gegen den Iran abhalten wollen. Gerade weil der Iran im Falle eines Angriffs mit einem asymmetrischen Krieg, d.h. mit Terrorismus, antworten würde, könne sich ein US-amerikanischer Präsident, der wiedergewählt werden wolle, einen riskanten Krieg nicht leisten. Dennoch wollten die USA die Sanktionspolitik gegen den Iran fortsetzen, um eine wirtschaftliche, sicherheitspolitische und politische Krise infolge eines Krieges zu vermeiden.

 

Obama müsse beweisen, dass das iranische Atomprogramm unter Kontrolle sei, dabei tue er gleichzeitig alles, was die „jüdische Lobby“ von ihm fordere. Dennoch sei der Iran für die US-amerikanischen Experten ein langfristiges Thema. Die USA hätten keine Probleme mehr mit dem Iran, wenn die Probleme mit dem Atomprogramm gelöst würden. Insbesondere verfolge die USA das Ziel, den russischen und den chinesischen Einfluss auf den Iran zu vermindern. Der Iran sei in der US-Politik kein parteipolitisches Thema, sondern ein großes strategisches und politisches Thema der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Politik der US-Regierung unter Obama unterscheide sich nur in den taktischen Fragen von der Politik der Bush-Regierung.

 

Demokraten arbeiteten generell programmatischer als die Republikaner, meint der iranische Experte. Die Bush-Regierung habe trotz 9/11 und der militärischen Angriffe auf den Irak und Afghanistan gegenüber dem Iran eine vorsichtige Politik verfolgt. Prinzipiell würden die US-Regierungen die Probleme des Nahen Ostens aus geopolitischer Sicht betrachten. Viele würden denken, dass die USA wegen Ölinteressen im Nahen Osten aktiv seien. Dies sei falsch, da die USA nur sehr wenig Öl aus dem Iran beziehen würden. Die USA haben aber geopolitische Interessen, die weitreichender seien als Ölinteressen. Die USA wollten die Region unter Kontrolle bekommen, um sich gegen China und Russland zu behaupten. Der Iran spiele im Kampf der Großmächte nur eine geringfügige Rolle, er sei eben nur eine mittlere Macht und eine Regionalmacht. Mit solchen Aussagen dämpft der iranische Politologe die Allmachtphantasien mancher iranischer Staatskleriker.

 

Für die US-Regierung sei es sehr wichtig, dass die Ölpreise niedrig bleiben. Sariulqalam geht davon aus, dass die USA gegenwärtig nicht vorhaben, militärisch gegen den Iran vorzugehen. Der iranische Experte meint aber, dass sich das politische Verhalten der US-Regierung nach den nächsten Präsidentschaftswahlen ändern könne. Man wolle das Problem des iranischen Atomprogramms in der Schwebe halten bis die Präsidentschaftswahl vorbei ist. Die USA wollten die Verhandlungen über das iranische Atomprogramms verzögern und einen langfristigen Dialog mit dem Iran eröffnen.

 

Ähnlich wie die iranische Regierung fordert Sariulqalam, dass die iranische Akte von New York wieder nach Wien zurückgeschickt werden müsse. Der Iran verhalte sich bei den Atomverhandlungen sehr realistisch. Das iranische Verhandlungskomitee agiere im Rahmen der Anordnungen, die es von der Regierung bekommen habe. Der iranische Experte will den Atomunterhändlern nur dann die beste Note geben, wenn sie mit geringfügigen Zugeständnissen die iranische Atomakte von New York wieder nach Wien zurückholen. Er fordert ein Ende der Sanktionspolitik.

 

Sariulqalam ist einer der Experten, die die Welt für die iranischen Machthaber erklären. Er gehört zu den iranischen Wissenschaftlern, die an den besten US-amerikanischen Universitäten studiert haben, um gemeinsam mit der totalitären Macht der „Islamischen Republik“ gegen die Interessen Europas und der USA zu kämpfen.

 

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy (EFD).

 

 


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