Iran: Lizenz zum Schummeln oder wie im „Wirtschaftsjihad“ Sanktionen umgangen werden sollen

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Es ist für das iranische Regime schwerer geworden, im Westen Waffen und Militärtechnologie zu erwerben. Unmöglich ist es jedoch offenbar trotz der Sanktionen nicht. Wie Spiegel online berichtet, hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen einen Deutsch-Iraner erhoben, der Flugmotoren für militärische Drohnen nach Teheran geliefert haben soll. Sein Komplize in Teheran soll diese weiterverkauft haben. Sicher nicht an Privatpersonen, sondern offensichtlich an die iranischen Revolutionsgardisten.

Mit der Frage, wie sensible Verkaufsgespräche geführt werden sollen, beschäftigen sich die Machthaber intensiv. Eine neue Studie des Majless, des iranischen Pseudo-Parlaments, empfiehlt, Geschäftsleute und Firmen des privaten Sektors einzusetzen, um die Sanktionen zu umgehen und verbotene Waren in den Iran zu importieren: „Der einfachste Weg, die Sanktionen zu umgehen, ist, wenn eine Person oder ein Unternehmen den Namen und die Anschrift des Unternehmens, das von der Sanktion betroffen ist, ändert. So können ausländische Vermittler für den Import von Waren und fortschrittlichen Technologien benutzt werden. (….) Das Wachstum des privaten Sektors kann bis zu einem bestimmten Ausmaß beim Umgehen der Sanktionen effektiv sein, denn die Sanktionen greifen in der Regel den Staat an und die privaten Unternehmen können weiterhin die Vorteile des Handels genießen.“

Es ist die wissenschaftliche Abteilung des „Parlaments“, die hier zum Betrug ermuntert, eines „Parlaments“, zu dem auch Mitglieder des Bundestags als Angehörige der deutsch-iranischen Parlamentariergruppe Beziehungen unterhalten. Diese Bundestagsabgeordneten können nun aus einer offiziellen Quelle zur Kenntnis nehmen, dass ihre iranischen Gespächspartner von Ehrlichkeit nicht viel halten. Denn die Studie betrachtet den Betrug als frommes Werk, sogar als religiöse Pflicht. Sie konstatiert, dass die US-Regierung die Verantwortung für die Sanktionen trägt, die das Ziel verfolgen, die iranische Wirtschaft zu schwächen. Dagegen wird „wirtschaftlicher Widerstand“, auch „Wirtschaftsjihad“ genannt, propagiert. Revolutionsführer Ali Khamenei hat diese Begriffe geprägt und die wissenschaftliche Abteilung des Majless legte in einem 41seitigen Bericht dar, was daraus zu folgern sei.

Nach islamischem Recht sei „jede Form der Herrschaft der Ungläubigen über Muslime auf jeglichem Gebiet, sei es auf politischem, sozialem, kulturellem, wirtschaftlichem und militärischem, nicht erlaubt“. Doch „leider herrscht ein fremdes Wirtschaftssystem über die Muslime. Und diese bittere Wahrheit resultiert daraus, dass die Muslime nicht gemäß ihren Glaubenspflichten handeln.“

Die wissenschaftliche Abteilung des Majless ist der Ansicht, dass gemäß der islamischen Rechtsprechung die „Frommen verpflichtet sind, sich zu bemühen insbesondere ihre wirtschaftlichen Abhängigkeiten abzuschütteln.“ Zum Konzept des „Wirtschaftsjihad“ gehört auch die „Mäßigung“ des Konsumverhaltens. Ein „wirtschaftlicher Widerstand“ zeichne sich dadurch aus, dass das gesamte Wirtschaftssystem nicht lahm liegen dürfe, wenn ein Sektor angegriffen worden sei. Insbesondere müsse die Landwirtschaft autark sein.

Auf jedem Markt herrsche das Prinzip des Profits. Der einfachste Weg sei eine Änderung des Namens des Unternehmens, das von Sanktionen betroffen sei. Man könne die iranischen Schiffe unter der Flagge eines kleineren Staates fahren lassen oder das Öl in einem anderen Land lagern. In diesem Fall könnte das Öl unter dem Namen des Unternehmens eines anderen Staates verkauft werden. Auch der Privatsektor könne dafür sorgen, dass die Sanktionen umgangen werden. Beispielsweise würden die Geldwechselstuben eine große Rolle beim Import von ausländischen Devisen spielen.

Die iranische Regierung trage die Verantwortung, international zu agieren, um die Sanktionen zu blockieren und zu stoppen, heißt es in der Studie. Es wird vorgeschlagen, dass das iranische Versicherungssystem für Exportwaren, insbesondere für Öltanker, verbessert werden müsse, damit im Falle von Sanktionen die Öltanker gute und international anerkannte Versicherungsfirmen haben. Die iranische Regierung solle auch dafür sorgen, dass andere Ölstaaten nicht mit den USA zusammenarbeiten.

Weiterhin empfiehlt die Studie, den Konsum der Bevölkerung zu senken. Der Iran müsse alles tun, damit sich nicht noch mehr Staaten dem Sanktionsregime anschließen. Beispielsweise gebe es in Europa schwache Staaten wie Griechenland, Portugal, Spanien und Irland, denen der Iran sich annähern könnte, um die Front der feindlichen Staaten zu schwächen. Ausdrücklich wird erläutert, dass eine „genaue Erkennung des objektiven und des potentiellen Feindes“ sehr wichtig sei und einen Bestandteil des „wirtschaftlichen Widerstands“ darstelle. Dem Iran würden Studiengänge wie „Westforschung und Israelforschung“ fehlen.

Auch die Arbeitslosigkeit müsse gesenkt werden, um den „Wirtschaftsjihad“ zu stärken. Außerdem solle dem brain drain, der Emigration qualifizierter Arbeitskräfte, ein Riegel vorgeschoben werden. Wenn gut ausgebildete Iraner das Land verlassen, sei dies vergleichbar mit der Flucht von Offizieren aus dem Kampfgebiet.

In einer anderen Studie, die von derselben wissenschaftlichen Abteilung des Majless zur wirtschaftlichen Lage des Iran verfasst worden ist, wird auf der Basis der Statistiken des Internationalen Währungsfonds (IWF) konstatiert, dass die Inflationsrate im Iran eine der höchsten der Welt ist. In dem Bericht heißt es, dass „seit Jahren das Phänomen der Inflation eine der wichtigsten Herausforderungen und Probleme der Wirtschaft“ sei.

Im Iran seien die Preise schon seit 1971 gestiegen, als die Öleinnahmen des Landes zugenommen haben. Interessant ist, dass das Problem der Inflation in einem staatlichen Bericht des Iran nicht auf Sanktionen, sondern auf den Anstieg der Ölpreise zurückgeführt wird. Im Jahr 2012 habe der Iran auf Platz 6 der Länder mit den weltweit höchsten Inflationsraten gestanden.

Tatsächlich ist die wirtschaftliche und soziale Lage im Iran schlecht, das kann nicht einmal mehr die staatliche Propaganda gänzlich leugnen. ISNA schrieb am 18. Februar 2013, dass es im Iran rund „30 Millionen Analphabeten und wenig alphabetisierte Menschen gibt.“

Radio Farda berichtet am 20. Februar, dass über 20 Prozent der Drogensüchtigen im Iran Frauen seien. 65 Prozent von ihnen würden von ihren Ehemännern und 35 Prozent von Freunden die Drogen bekommen. Insgesamt seien 1,375 Millionen Menschen im Iran drogensüchtig. Auch die Prostitution gedeiht im iranischen Gottesstaat. Dank der staatlichen Unterstützung und Förderung der Polygamie geraten immer mehr Frauen in die Prostitution.

Dass nun der „Wirtschaftsjihad“ ausgerufen und das Verlassen des Iran mit Landesverrat gleichgesetzt wird, zeigt die Sorge der Machthaber der totalitären Diktatur vor erneuten Protesten. Doch auch mit staatlich legitimiertem Betrug wird das Regime die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Iran nicht lösen können.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy.

 


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