Iran: Wenn Schulkinder gezwungen werden, zum Islam zu konvertieren

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Im August 2012 berichtete Jungle World in einer Reihe von online-Artikeln, dass die „University of Religions and Denominations“ (URD) in der Stadt Qom, eine islamistische Kaderschmiede, mit der Universität Potsdam zusammenarbeitet. Die Universitätsleitung und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) verteidigten die Zusammenarbeit mit der URD. Inzwischen ist bekannt geworden, dass das iranische „Ministerium für Erziehung“ landesweit Lehrer rekrutiert, um diese in Anti-Bahai-Propaganda zu unterweisen. Die Lehrer werden von zumindest einer Lehrkraft der URD unterrichtet und setzen dann insbesondere Bahai-Schüler unter Druck, damit diese zum Islam konvertieren.

Die Bahai International Community (BIC) hat im März 2013 einen neuen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen gegen die Bahai im Iran veröffentlicht. Es werden über 300 Fälle dokumentiert, in denen seit 2005 Schüler zur Konversion gezwungen werden sollten. In vielen Fällen wurden Schulkinder dazu aufgefordert, ihre Religion vor der Klasse zu kritisieren und zum Islam zu konvertieren. Schulkinder und ihre Eltern haben oft Angst, über solche Erlebnisse zu berichten, weil sie befürchten müssen, noch mehr öffentlich drangsaliert zu werden.

Die BIC berichtet, dass Lehrer nach Qom geschickt werden, um dort über die Bahai-Religion „aufgeklärt“ zu werden. Am 23. April 2007 wurde beispielsweise eine Gruppe von Lehrern aus 14 iranischen Provinzen vom Ministerium für Erziehung rekrutiert, um in Qom Lehrgänge zu absolvieren. Seyyed Ali Musavi-Nejad, eine Lehrkraft der URD, die u.a. mit der Universität Potsdam zusammenarbeitet, leitete die Anti-Bahai-Kurse, in denen die Angehörigen der religiösen Minderheit als gefährliche Sektierer dargestellt werden, deren Glauben keine Existenzberechtigung in der „Islamischen Republik Iran“ hat.

Im Februar 2009 wurde im obligatorischen Koran-Unterricht einem Bahai-Schüler vorgehalten, dass der „Koran ausreichend“ sei und man andere religiöse Schriften nicht bräuchte. Eine Bahai-Schülerin verteidigte sich und sagte, dass für sie ihr Glaube am wichtigsten sei. Als sich der Vater der Schülerin am nächsten Tag beim Schuldirektor beschwerte, dass seine Tochter unter Druck gesetzt werde, wurde ihm mitgeteilt, dass die Lehrer staatliche Anordnungen ausführen würden.

Seit 2005 wurden mindestens neun Bahai ermordet oder starben unter mysteriösen Umständen. Die BIC hat einige Fälle dokumentiert. Am 16. Februar 2007 wurde die Leiche einer 85jährigen Frau in ihrem Haus in Abadeh in der Provinz Fars gefunden. Man hatte ihre Arme und Beine gefesselt und sie geknebelt. Am nächsten Tag wurde eine 77jährige Frau in ihrem Haus in Isfahan ermordet. In Yazd verschwand im Februar 2009 ein 82jähriger Mann. Nachdem seine Tochter die Polizei drängte ihn zu suchen, wurde ihr mitgeteilt, dass sein Verschwinden damit zu tun habe, dass er zu viel über die Bahai-Religion gesprochen habe. Die Täter wurden niemals gesucht, obwohl die Äußerungen der Polizisten darauf hindeuten, dass sie bekannt waren. Doch Gewalttaten gegen Bahai bleiben im Iran straflos.

Die BIC dokumentiert, wie Individuen physisch angegriffen werden. Beispielsweise entdeckte ein Bahai im März 2008 Anti-Bahai-Parolen an der Wand seines Geschäftes. Er legte bei der Polizei eine Beschwerde ein. Wenige Tage später bekam er einen Drohbrief, in dem die Bahai-Religion angegriffen wurde. Einige Tage später, als der Bahai-Geschäftsmann zu seinem Auto gehen wollte, näherte sich ihm ein Mann, der nach Benzin fragte, weil er zur nächsten Tankstelle fahren müsse und der Tank seines Autos leer sei. Der Bahai pumpte aus dem Tank seines eigenen Autos Benzin, um es dem Mann zu geben. Plötzlich hielt der Mann mit Hilfe eines Komplizen den Bahai fest. Sie schleppten ihn zum nächsten Baum und fesselten ihn mit Ketten daran. Das Benzin wurde über ihn gegossen. Der zweite Mann versuchte, mit Streichhölzern den Gefesselten anzuzünden, was ihm nicht gelang. Schließlich liefen Nachbarn herbei, um zu verhindern, dass der Bahai öffentlich verbrannt wird. Er konnte gerade noch gerettet werden, wurde aber im Juli 2008 verhaftet. Die Polizei warf ihm vor, diese Geschichte erfunden zu haben, um das islamische Regime zu diffamieren. Er weigerte sich zu gestehen, dass die Geschichte unwahr sei. Er wurde gefoltert. Seine Haut wurde mit der Glut von Zigaretten verbrannt.

In verschiedenen weiteren Fällen wurden Bahai auf offener Straße mit Messern angegriffen oder grundlos zusammengeschlagen. In den meisten Fällen bekamen die Bahai vorher Drohbriefe und als Vorwarnung wurde ihr Eigentum beschädigt. Dieses Vorgehen legt die Vermutung nahe, dass es sich um organisierte Gewalttaten hat.

In Semnan, in Rafsanjan und in einigen anderen Städten wurden Häuser von Bahai angezündet oder zerstört und Bahai-Friedhöfe geschändet. Am 27. Januar 2008 zerstörten maskierte Männer in Abwesenheit des Hauseigentümers mit einem Bulldozer die Wände eines Hauses. Es war kein normaler Raubüberfall. Man wollte nicht nur den Besitz des Bahai, sondern ihm zeigen, dass er als Bahai ein Problem sei. Als der Hauseigentümer nach Hause kam, wurde er zusammengeschlagen. Man nahm alle Bahai-Bücher aus dem Haus und stahl auch, was an wertvollen Gegenständen zu finden war. Am nächsten Tag wurde ein Brief in das zerstörte Haus geworfen, in dem die Bahai als eine „perverse Sekte“ bezeichnet wurden. Ferner warnten die Verfasser des Briefes, dass der Hauseigentümer auch seine Bahai-Freunde warnen solle, denn man wolle die Stadt Abadeh „von Bahai säubern“. In der Stadt Ivel wurden 2010 rund 50 Häuser von Bahai zerstört.

In einigen Fällen handeln die Täter auf staatliche Anweisung, andere Gewalttaten sind das Werk übereifriger religiöser Fanatiker. Diese Angriffe werden nicht nur geduldet, sie sind ein Ergebnis der Hasspropaganda des Regimes. Seyyed Ali Musavi-Nejad von der URD ist maßgeblich verantwortlich dafür, dass Iraner schon in ihrer Kindheit dieser Propaganda ausgesetzt sind. Die Frage ist, wie viele Beweise der DAAD noch braucht, um die Ansicht zu revidieren, der intellektueller Austausch mit islamistischen Hetzern könne „als Mittel gegen starre Ideologien wirken“.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy.

 


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