Iranische Uran-Diplomatie: Krieg oder Akzeptanz des Atomprogramms

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Die Nachrichtenagentur Tabnak, die dem Ex-General der Revolutionsgardisten Mohssen Rezai nahesteht, veröffentlichte am 14. März 2013 ein Interview mit dem iranischen Wissenschaftler Dr. Kayhan Barsegar. Er ist Professor für internationale Beziehungen an der Azad-Universität in Teheran und vertritt die Position, dass nur das Thema des Atomprogramms eine Basis für einen bilateralen Dialog zwischen dem Iran und den USA sein kann und nicht die Probleme, die die Region betreffen.

Barsegar meint, dass der Iran mit dem „Instrument der Urananreicherung ein Gleichgewicht bei den Verhandlungen“ herstellen könne. „Die USA müssen entweder gegen den Iran in einen Krieg ziehen oder das iranische Atomprogramm aushalten.“

Tatsächlich ist das Tabu einer Diskussion über einen iranisch-amerikanischen Dialog gebrochen, auch wenn der „Revolutionsführer“ Ali Khamenei einem solchen Dialog noch nicht zugestimmt hat. Barsegar meint, dass die „Natur des iranischen Atomprogramms einen Dialog fast unvermeidbar“ mache, da dieses Problem irgendwann gelöst werden müsse. Der Iran wisse, dass die USA der Key Player seien.

Tatsächlich aber baut Barsegar eine argumentative Zwickmühle auf, in der die USA gezwungen sind das iranische Atomprogramm zu akzeptieren. Nach Meinung des iranischen Wissenschaftlers ist der Iran mit seinem Atomprogramm auf der Siegerseite. Weder spielt in seiner Argumentation die Diktatur eine Rolle noch die Unterstützung der Terrorbewegungen seitens des Iran. Das Machtmonopol und die aggressive Außenpolitik stehen für die Repräsentanten des islamistischen Machtapparats nicht zur Debatte. Barsegar setzt auf die Machtposition des Iran, die nicht infrage gestellt werden könne. Demokratiefragen und Menschenrechtsverletzungen spielen in seinem Denken überhaupt keine Rolle.

Zu gefährlich für die USA. Der iranische Professor glaubt, dass die „USA es verstanden haben, dass die Fortsetzung des iranischen Atomprogramms und ein überhöhter wirtschaftlicher und politischer Druck auf das Land gefährliche Folgen für die USA haben könnten“. Er gesteht aber, dass beide Seiten in einer ernsten Krise seien. Beide Seiten würden einen Krieg nicht befürworten, aber sich wegen mangelnden Vertrauens nicht tolerieren. Beide Seiten gingen davon aus, kurz vor dem Sieg zu stehen. Diese Siegesgewissheit sei ebenfalls gefährlich. Das Misstrauen des Iran gegenüber den USA sei sehr groß, da die USA eine Großmacht mit einem stetigen „Potential für Abenteuer“ seien. Dass die US-Regierung dem Iran misstraut, ist dem Denken des islamistischen Wissenschaftlers fremd.

Urananreicherung als Hebel. Der iranische Wissenschaftler ist stolz darauf, dass der Iran eine „Macht“ in der Region sei und warnt, dass es keine Verhandlungen mehr geben wird, falls der Iran keinen Nutzen aus ihnen ziehe. Tatsächlich geht Barsegar davon aus, dass die US-Regierung gezwungen sei, mit dem Iran zu reden und obendrein die iranischen Positionen zu akzeptieren. Iran habe den „Hebel der unabhängigen Urananreicherung“.

Der iranische Wissenschaftler meint, dass die US-Regierung Vertrauen schaffen müsse und nicht der Iran. Man könne mit Gesprächen über regionale Probleme anfangen, aber das Hauptthema sei das Atomprogramm. Das Atomprogramm sei für den Iran ein nationales Anliegen und daher könne man mit diesem Thema gut „manövrieren“.

Urananreichung auf 60 Prozent gilt als legitim.
Barsegar bezweifelt, dass die Sanktionen das iranische Atomprogramm aufhalten können. Zu diesem Ergebnis seien auch einige westliche Experten gekommen. Der iranische Wissenschaftler sagt, es sei „viel zu spät“ für ein iranisches Einlenken. Denn die iranische Regierung müsste erklären, warum ein solches Nachgeben nicht vor der zeitlichen Verhängung der Sanktionen erfolgt sei. Iran könne und dürfe sogar sein „legales Recht“ der Anreicherung von Uran auf 50 Prozent und gar auf 60 Prozent wahrnehmen, um Brennstoff für seine U-Boote zu bekommen. Iran könne sogar aus dem Atomwaffensperrvertrag aussteigen. Daher sollte die US-Regierung abwägen, ob sie sich dieser Gefahr aussetzen wolle.

Der iranische Wissenschaftler zitiert zynischerweise den antiisraelischen US-amerikanischen Wissenschaftler Stephan Walt, der zu Recht gesagt habe, dass der Iran im Jahre 2002 lediglich 20 Zentrifugen besessen habe. D.h. es sei der Fehler der US-amerikanischen Regierung gewesen, zu ihrem eigenen Nachteil den Iran unter Druck gesetzt zu haben, mit dem Ergebnis, dass das iranische Atomprogramm sich immens entwickelt habe.

Dialog ist möglich. Barsegar geht nicht davon aus, dass das Jahr 2013 diplomatische Lösungen mit sich bringen werde, die der US-Regierung gefallen könnten. Er meint, dass ein US-amerikanisch-iranischer Dialog möglich sei, denn dies sei auch im Falle von China möglich gewesen. Und ein solcher Dialog sei nur von Erfolg gekrönt, wenn die USA die iranische Machtposition im Nahen Osten akzeptieren würden. Barsegar fordert damit eine politische Kapitulation der USA vor der totalitären Diktatur. Auf jeden Fall werde der Iran niemals ein Freund der USA werden können.

Entweder Krieg oder Akzeptanz des Atomprogramms. Barsegar sagt: „Die USA müssen entweder gegen den Iran in einen Krieg ziehen oder das iranische Atomprogramm aushalten.“ Dieser iranische Wissenschaftler geht davon aus, dass die USA keinen Krieg gegen den Iran führen, weil Iran mächtige Freunde wie Russland und China habe, und daher Schritt für Schritt das iranische Atomprogramm akzeptieren müssten. Iran werde nach Meinung des iranischen Wissenschaftlers mindestens noch zwei oder gar drei Jahre gegen die Sanktionen Widerstand leisten und in dieser Zeit würden die US-Amerikaner das iranische Atomprogramm mitnichten aufhalten können.

Der iranische Wissenschaftler setzt auf den neuen US-amerikanischen Verteidigungsminister Chuck Hagel, der zumindest nicht anti-iranisch eingestellt sei. Er sieht auch die Rolle von US-Außenminister John Kerry sehr positiv. Gleichzeitig sagt Barsegar, dass die iranische Regierung eines Tages gezwungen sein werde, mit der US-Regierung zu sprechen.

Barsegar sagt, dass Syrien für den Iran lediglich aus Gründen des „Gleichgewichts der Macht“ wichtig sei. Ähnlich wie China und Russland wolle auch der Iran nicht, dass seine Konkurrenten in der Region zu stark werden.

Ägypten und Iran. Er glaubt, dass Iran und Ägypten die Achsen eines Gleichgewichts im Nahen Osten darstellen und nicht die Türkei oder Saudi-Arabien. Die USA würden zwar Ägypten unterstützen, aber dessen Regierung hege keine Feindseligkeit mehr gegen den Iran wie zu Zeiten von Mubarak. Die Türkei könne sich nicht erlauben, in Syrien einzugreifen. Der Westen wolle aber nicht, dass Ägypten und Iran sich annäherten. Beide Länder müssen sich nach Meinung des iranischen Experten stärker annähern, und zwar auf der Grundlage der gemeinsamen „geopolitischen Interessen.“

Wahied
Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy.

 


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