Bombenanschläge in Boston offenbaren journalistische Unzulänglichkeiten

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Bombenanschläge in Boston offenbaren journalistische Unzulänglichkeiten

HonestReporting Media BackSpin, 24. April 2013

Abbildung: Unmittelbar nach dem Bombenanschlag in Boston.

Offensichtlich ist der Hang der Medien, zuerst zu berichten und dann zu recherchieren, nicht nur auf die Berichte über Israel und Nahost beschränkt. Der schreckliche Bombenanschlag beim Boston-Marathon und die darauf folgende Fahndung dominierten nicht zufällig die letzten Nachrichten. Aber wie viele Gerüchte und Unwahrheiten erschienen im Fernsehen und in den Zeitungen, bevor die wirklichen Details ans Licht kamen?

In seiner Forderung nach grundlegenden Veränderungen journalistischer Praxis schreibt Brendan Nyhan im Columbia Journalism Review*:

Es überrascht nicht, dass viele erste Berichte über die Bombenanschläge fehlerhaft waren, aber einige Massenmedien hoben diese Ungenauigkeit im Laufe der Woche auf eine weitere Ebene. Zu den weithin bekannten Nachlässigkeiten gehörte die Berichterstattung der CNN, die unzutreffend berichtete, dass ein Verdächtiger festgenommen worden sei, sowie die der New York Post, die beide unzutreffend und fälschlicherweise einen saudischen Staatsbürger als Verdächtigen ausmachten und das Bild von zwei unschuldigen Männern unter die Headline ihrer Berichterstattung stellten, die ihrerseits suggerierte, dass sie in das Verbrechen involviert gewesen seien. Aber das waren sicher nicht die einzigen und schwerwiegenden Fehler, die von zahllosen Journalisten und Nachrichtenagenturen begangen worden waren.

Warum haben sich so viele Medien dermaßen ungeschickt angestellt?

Im Verlaufe einer Berichterstattung sind Kurzmeldungen immer problematisch und verwirrend, und Fehler passieren regelmäßig. Die nahezu unbegrenzte Größe der Nachrichtenlöcher jedoch, die die Medien über Nachrichtenagenturen und soziale Medien versuchen auszufüllen, selbst wenn nur wenige oder zuverlässige Informationen erhältlich sind, machen die Herausforderung noch schwerer und erzeugen falsche Anreize. Angesichts schwacher wirtschaftlicher und gesellschaftspolitisch relevanter Sanktionen aufgrund von Ungenauigkeiten – angeblich verdreifachte sich die CNN-Zuhörerschaft gegenüber der nachrichtenarmen Zeit in der Woche zuvor – schwirrten Reporter aus, um die Leere zu füllen, gleich welch‘ dubiose Informationen verfügbar waren.

Nyhan spricht auch das Problem der Berichterstattung via nicht bestätigter Quellen sozialer Medien an, wenn er feststellt, dass „Handeln aufgrund eines Kanals nicht überprüfter  Informationen ein Akt journalistischer Verantwortungslosigkeit ist.“

Wie viele Male haben wir über die Jahre hinweg Verleumdungen gegen Israel in der Presse registriert, die sich später als falsch erwiesen hatten? Und Nyhan sagt folgerichtig, dass „erste falsche Berichte während eines nachrichtenrelevanten Vorfalls Fehleinschätzungen produzieren können, die jahrelang haften bleiben.“ Da fallen einem sofort Vorfälle wie das so genannte „Jenin-Massaker“ ein.

Nyhan führt auch aus, dass „Korrekturen und vorsichtiges Zurückrudern der Medien viel zu selten wahrgenommen werden und kaum Aufmerksamkeit erzeugen.“

Deshalb ist es so wichtig, dass wir nicht nur danach streben, diese Korrekturen bestätigt zu bekommen, sondern sie auch zu veröffentlichen und sicherzustellen, dass die Medien für ihre Fehler zur Verantwortung gezogen werden.

Schließlich stellt Nyhan die Frage, ob „es überhaupt eine Möglichkeit gäbe, dass wir einen Anti-Pulitzer-Preis für die schlechteste aktuelle Berichterstattung ausloben?“ Ja, vielleicht: zumindest wenn es um die Berichterstattung über Israel geht, ist HonestReporting mit seinen ganz speziellen Dishonest Reporter Award ganz knapp dran.

Lesen Sie hier den vollständigen Artikel im CJR (In Englisch).

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*Das Magazin wird von der Columbia University Graduate School of Journalism geführt.

Die Columbia University Graduate School of Journalism vergibt den Pulitzer-Preis, den weltweit renommiertesten Preis für Journalismus.


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