Ein persönlicher „Zewa Adom“ / „Code Red“ Erlebnisbericht aus Tel Aviv…

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10300900_805922802763925_7999294140511345738_nDiesmal war der Alarm besonders surreal. Wie im Film. In der Sekunde, in der ich das Fenster des Sicherheitsraumes verriegelte und mit der Explosion der Rakete rechnete, klingelte plötzlich die Gegensprechanlage. Ich beschloss zu öffnen, weil ich mir sofort ausrechnete, dass der, welcher da draußen klingelt, sofort ins Haus muss, in den Treppenraum – bevor möglicherweise eine Rakete in seiner Nähe kracht. Ich verließ den geschützten Sicherheitsraum, rannte zur Tür und öffnete sie. Vor mir stand ein Bote mit einem Helm auf dem Kopf. Ich sagte ihm, „beeile Dich, der Alarm“.
Er hörte nicht. Er hörte auch nichts, als er seinen Helm abnahm. Ich brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, dass vor mir ein junger Mann steht, der überhaupt nichts hört. Weder mich noch den Alarm. Er ist taub.
Ich geriet augenblicklich unter großem Stress und versuchte, ihm durch Handzeichen zu erklären, dass die Alarmsirenen heulen. Und genau in diesem Augenblick ertönten ein „Boom“ und dann noch ein „Boom“ und danach noch ein „Boom“. Der taube Bote hörte immer noch nichts, aber jetzt verstand er mich, weil er meine Lippen lesen konnte. Trotzdem hatte er es eilig, wieder in die Straße hinaus zu rennen. Er hatte noch mehrere Lieferungen vorzunehmen.
Als die in meinem Haus verantwortliche Person, hatte ich Angst, dass eine weitere Rakete in unserer Nähe niederkrachen wird. Ich drängte ihn, wenigstens noch zwei Minuten zu bleiben. Um ihn dazu zu bringen, gab ich ihm ein Glas Wasser und zwang ihn, es auch auszutrinken, bevor er wieder auf das Moped steigt, um seine gefährlichen Lieferungen in einer Welt vorzunehmen, in der Raketen niederkrachen, während die Stille in seinen Ohren ewig ist.
Ich bin sicher, dass die Auslieferungsfirma, für die er arbeitet, auf ihn Rücksicht hätte nehmen können – seinen Lohn zahlen, ihn aber von der Arbeit freistellen, insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich gestern an der Tankstelle ein Gehbehinderter schwer verletzte, der nicht in der Lage war, wegzurennen.
Der Krieg nimmt sich immer die Schwachen oder die Glücklosen.
Möge Gott uns alle beschützen – die Hörenden und die Gehörlosen.

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