ULRICH W. SAHM – Der Gazakrieg ist kein Krieg

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Sahm08Jerusalem, 28. Juli 2014 – Der Krieg um Gaza ist kein Krieg, denn gemäß dem herkömmlichen Kriegsrecht führen nur Staaten miteinander Krieg. Der Gazastreifen ist kein eigenständiger Staat und die Hamas ist nicht einmal eine anerkannte Regierung des Landstreifens, den sie de facto kontrolliert. Die Hamas ist lediglich eine von mehreren politischen Parteien der Palästinenser, neben der Fatah-Partei, der PFLP und anderen. Eine Besonderheit dieser Parteien, ähnlich wie im Libanon, sind die sogenannten „bewaffneten Arme“ dieser Parteien: El-Aksa-Brigaden oder Tanzim der Fatah im Westjordanland und Izza Din el Qassam Brigaden der Hamas im Gazastreifen. Hinzu kommt der Islamische Dschihad, ebenfalls eine bis an die Zähne bewaffnete politische Gruppe im Gazastreifen, die sich nicht einmal als Partei betrachtet.

Diese „bewaffneten Arme“ werden auch „Milizen“ genannt. Sie verfügen über militärische Strukturen, Brigaden für bestimmte Aufgaben, militärische Ränge und Uniformen.

Im Libanon hat die islamische Hisbollah Partei einen gleichnamigen militärischen Arm, der über eines der größten Raketenarsenale der Welt verfügt und den halben Libanon unter Kontrolle hält. Seit etwa einem Jahr greift die Hisbollah mit Tausenden eigenen Truppen aktiv im Bürgerkrieg in Syrien ein.

Der sogenannte „Zweite Libanonkrieg“ wie auch die vorausgegangenen israelischen Kriege gegen Libanon seit 1978 waren alle laut israelischer Sprachregelung nur militärische „Operationen“. Es waren keine Kriege gegen den Staat Libanon, sondern Feldzüge gegen eigenständige Milizen; zunächst die PLO und dann die Hisbollah.

Der „Krieg“ gegen Gaza, „Operation strammer Felsen“ genannt, gestaltet sich im Sprachgebrauch des Kriegsrechts noch komplizierter. Denn trotz eines vollständigen Rückzugs aus dem Gazastreifen 2005 hat die Welt beschlossen, dass Israel weiterhin als „Besatzer“ gelte. Genau genommen müssten die israelischen Aktionen „Polizeieinsätze“ genannt werden, auch wenn dabei Kampfflugzeuge, Panzer und anderes schweres Gerät eingesetzt werden.

Der rechtliche Status des Gazastreifens ist doppelt und dreifach kompliziert und passt in keines der herkömmlichen Konzepte. Der letzte Souverän in dem Küstenstreifen war die Türkei, deren osmanisches Reich 1917 zusammengebrochen ist. Danach erhielten die Briten ein „Mandat“ des Völkerbundes, das gesamte Gebiet der osmanischen Provinz Südsyrien zu verwalten. Dieses Gebiet wurde in Palestine umbenannt. Das heutige Jordanien wurde 1921 abgetrennt, woraufhin jenes Territorium übrig blieb, in dem ein jüdischer und ein arabischer Staat errichtet werden sollten. 1948 entstand zwar Israel, aber der vorgesehene arabische Staat wurde nie ausgerufen. Infolge des Krieges 1948 eroberte Jordanien das Westjordanland und Ägypten den Gazastreifen. Während Jordanien das von ihm besetzte Gebiet annektierte und so den dort lebenden Menschen (heute würde man Palästinenser sagen) die jordanische Staatsbürgerschaft verlieh, betrachtete sich Ägypten im Gazastreifen nur als „Besatzer“ im ehemaligen britischen Mandatsgebiet Palästina. Das hatte zur Folge, dass die dort lebenden Araber staatenlos blieben, bis sie im Rahmen der Osloer Verträge 1994 die palästinensische Staatsangehörigkeit erhielten. Auch das ist ein Absurdum. Es gibt schon die Staatsangehörigkeit, bis heute aber nicht den dazugehörigen Staat.

Entsprechend schwierig gestaltet sich jetzt die Wortwahl für die Feuereinstellung, Waffenruhe oder den Waffenstillstand.

Der UNO-Sicherheitsrat forderte ein „ceasefire“. Das ist im Englischen der gleiche Begriff wie für den mit Landkarten und Vertrag geschlossenen „Waffenstillstand“ zwischen Israel und Jordanien nach dem Krieg von 1948. Neu ist der Begriff „humanitärer Waffenstillstand“. Der soll nur eine begrenzte Zeit andauern, um den Menschen im Kampfgebiet zu ermöglichen, sich mit Nahrungsmitteln einzudecken.

 


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