ULRICH W. SAHM – „Die Ägypter hassen die Hamas“

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Sahm03Jerusalem, 13. August 2014 – Mit Bangen wurden in Israel und im Gazastreifen am Mittwoch die Stunden gezählt, während in Kairo die Verhandlungen um eine Verlängerung der auf 72 Stunden befristeten Verschnaufpause beim Krieg weitergingen. Bis Mitternacht mußte eine Formel gefunden werden, um die Waffen auch danach schweigen zu lassen.

Tausende israelische Familien hatten die Kibbuzim und Ortschaften rund um den Gazastreifen in Richtung sicherer Gegenden des Landes verlassen, weil sie Angst um ihre Kinder während der Sommerferien hatten. Neben dem ständigen Beschuss mit Raketen und Mörsergranaten ist jetzt auch die Entdeckung von Angriffstunnels hinzugekommen. Die Vorstellung, dass Hunderte schwerbewaffnete Hamas-Terroristen aus Erdlöchern mitten in ihren Dörfern hervorkommen könnten, um Massaker anzurichten, hat bei vielen Müttern Panik ausgelöst. Deshalb wagten nur Wenige, während der Feuerpause in ihre Heime zurückzukehren.

Im Gazastreifen lief die „Rückkehr zur Normalität“ nur schleppend voran. Denn für Tausende gab es gar keine Wohnungen mehr, in die sie aus UNO-Schulen und anderen Zufluchtsorten zurückkehren könnten. Sie fanden Trümmer vor, aus denen sie verbeultes Kochgeschirr, verklemmte Sofas und zerfetzte Schulbücher hervor holten. Die grenznahen ärmlichen Ortschaften Sadschaije und Beth Hanoun sind am schwersten getroffen. Von ihnen aus hatten die Hamas und andere Extremistengruppen mit Vorliebe ihre Raketen auf Israel abgeschossen und so israelische Bombenangriffe provoziert. Ebenso wurden von diesen Städten aus Angriffstunnels gegraben und Häuser vermint, um vorrückende israelische Soldaten mit Sprengfallen zu töten. Als die Israelis dann kilometerlange Tunnel sprengten, flogen gleichzeitig darüber liegende Straßenzüge in die Luft.

Reichenviertel wie Rimal in Gaza, wo Hamasbonzen ihre Villen mit Blick auf das Meer errichtet haben mit privatem Schwimmbad auf der Dachterrasse, blieben hingegen fast unversehrt. Von dort wurden natürliche keine Raketen abgeschossen, sodass es für Israel keinen Grund gab, sie zu bombardieren.

Auf den Märkten konnten sich die Menschen mit frischem Gemüse und Obst eindecken. Auch während des Kriegsgeschehens rollten Tausende Sattelschlepper mit Waren aus Israel in den Gazastreifen. Nur gelegentlich, wenn die Hamas den Terminal Kerem Schalom mit Mörsergranaten beschossen hatte, wurde das Umladen der Lastwagen zeitweilig unterbrochen.

Zu den Verhandlungen in Kairo ist nur wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Die israelische Delegation war immer wieder heimgekehrt. Doch am Mittwoch morgen waren sie wieder in dem Hotel erschienen, wo die Gespräche auf zwei Ebenen stattfinden. Die Israelis sitzen in einem Stockwerk und die palästinensische Delegation eine Etage höher. Wortführer und eigentliche Gesprächspartner ist bei den Palästinensern die Autonomiebehörde von Ramallah, während Vertreter der Hamas und des Islamischen Dschihad, also die eigentlichen „Kriegsgegner“ Israels, der palästinensischen Delegation nur „angeschlossen“ sind. Auf der Treppe, zwischen beiden Etagen, haben dann die Ägypter das Sagen. Sie formulieren die israelischen Positionen um und fügen eigene Forderungen hinzu, die sie dann den Palästinensern präsentieren. Viele ultimative Vorstellungen der Hamas, darunter eine Öffnung des Grenzübergangs in Rafah zum Sinai oder der Bau eines Seehafens tangieren nach Ansicht Kairos ägyptische Interessen mehr als die israelischen.

Dazu passt der sehr ungewöhnliche Telefonanruf eines hochrangigen Hamasmitglieds bei den Verhandlungen in Kairo. Angerufen wurde Gal Berger, Reporter für „palästinensische Angelegenheiten“ beim israelischen Rundfunk. Berger verfügt über gute direkte Kontakte in der arabischen Welt und interviewt per Telefon immer wieder Palästinenser aus dem Gazastreifen und sogar Sprecher der Hamas. Die tragen dann teilweise in bestem Hebräisch die Vorstellungen der Hamas im israelischen Rundfunk vor.

Diesmal hat Berger den Namen des ungewöhnlichen Anrufers aus Kairo nicht genannt. „Die Ägypter hassen die Hamas“, klagte er. Sie seien keine „ehrlichen Vermittler“. Die Ägypter würden „härtere Positionen überbringen, als die Israelis tatsächlich vertreten“. Der Hamasvertreter verlangte, dass europäische Vermittler an die Stelle der Ägypter treten sollten. Als Alternative empfahl er, dass die Israelis ihre Antworten in Hebräisch aufschreiben und im Wortlaut an die Hamas-Vertreter überbringen lassen sollten. Bei der Gelegenheit erklärte der Hamas-Vertreter auch, dass Israel jetzt schon der Öffnung eines Seehafens zustimmen müsse, um den Gazastreifen mit der Außenwelt zu verbinden, ohne von Israel oder Ägypten abhängig zu sein. Berger berichtete weiter, dass die Hamas zum Schluss komme, lieber mit Israel direkt zu verhandeln, anstatt die Ägypter als „kaputte Telefonleitung“ zu benutzen.

Dieses denkwürdige Telefongespräch zeigt mal wieder, dass die Hamas und Israel trotz Feindseligkeit und Krieg durchaus miteinander kommunizieren und sich offenbar besser „verstehen“ als allgemein angenommen. Auch in der Vergangenheit wurden israelische Reporter „benutzt“, Botschaften zwischen Palästinensern und Israel zu übermitteln.

 


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