ULRICH W. SAHM – Maßnahmen eines hilflosen Israel

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Ulrich W. Sahm

Ulrich W. Sahm

Jerusalem, 20. November 2014 – Mit Mauer, Zaun und geheimdienstlicher Aufklärung hat Israel es geschafft, die mörderische Zweite Intifada niederzuschlagen und die besetzten Gebiete fast hermetisch gegen Selbstmordattentäter zu sperren.

Die jüngste Terrorwelle ist nicht so einfach in den Griff zu bekommen. Die Attentäter sind Einzelgänger und handeln „spontan“, ohne eine Organisation hinter sich. Ihre Waffen sind in Mordwaffen umfunktionierte Autos, Küchenmesser und Pistolen, die man problemlos auf dem Schwarzmarkt erwerben kann.

Weil der Anschlag in einer Synagoge völlig aus dem Rahmen fällt und Modell für ähnliche Attacken anderswo stehen kann, haben sogar die Türkei, Russland und Bahrain eine Verurteilung ausgesprochen.

Am Abend danach hat Premierminister Benjamin Netanjahu Maßnahmen verkündet, die von Ratlosigkeit zeugen und deren Wirkung fraglich ist.

Die Zerstörung der Häuser von Terroristen soll abschrecken. Dahinter steckt die Idee, dass die engsten Familienangehörigen im Voraus von Plänen ihrer Söhne Bescheid wissen, aber nichts unternehmen, die Massenmorde zu stoppen. Tatsächlich hat die Mutter von einem der Attentäter in der Synagoge „gewusst“, dass ihr Sohn die Tat wegen der vermeintlichen Ermordung eines arabischen Busfahrers verübt habe. Tatsächlich hat der wohl Selbstmord verübt, wie es ein israelischer und palästinensischer Pathologe übereinstimmend festgestellt hatten. Erst später hatte der Palästinenser der Familie erzählt, dass der Busfahrer „von Juden“ ermordet worden sei. Die Hauszerstörungen waren früher üblich, bis eine israelische Untersuchung festgestellt hat, dass sie keine abschreckende Wirkung hätten. Deshalb wurde diese Strafmaßnahme vor einigen Jahren gestoppt.

Weiter „verfügte“ der Premierminister härteren Vollzug und Strafen für Hetze, sowie ein Verbot von Organisationen, die Hetze betreiben. Doch hier sind dem Regierungschef die Hände gebunden. Die Gerichte haben absolute Hoheit in Israel. Sie urteilen gemäß bestehenden Gesetzen. Eine Einmischung in das Gerichtswesen durch die Regierung würde das Ende des Rechtsstaates bedeuten.

Weiter forderte Netanjahu die Bevölkerung zu „mehr Aufmerksamkeit“ auf. Wer nur mal kurz Israel besucht hat, weiß, dass man nirgendwo eine Tasche „vergessen“ kann, ohne dass sofort Feuerwerker der Polizei kommen, um sie zu „entschärfen“. In keinem anderen westlichen Land ist die Bevölkerung derart getrimmt, „aufmerksam“ zu sein.

Auch der Aufruf, die Gesetze nicht in die Hand zu nehmen, dürfte Terroranschläge wie in der Synagoge kaum verhindern.

„Als Staat“ werde Israel die „Rechnung begleichen“ mit „allen Terroristen und jenen, die sie losgeschickt haben“. Auch das ist ein schöner Vorsatz, der nichts bringt, solange die Attentäter alleine handeln und während ihres Amoklaufes erschossen oder schwer verletzt werden. Gegen potentielle Selbstmörder nützt keine Abschreckung.

Weiter wurde vorgeschlagen, mehr Grenzschützer nach Jerusalem zu verlegen und sogar Militär in der Stadt einzusetzen. Eine Verstärkung der Grenzschützer, einer Polizeitruppe, macht wohl Sinn doch ein Einsatz von Soldaten wäre problematisch. Wie in anderen Demokratien gibt es ein Tabu, Militär im eigenen Staatsgebiet einzusetzen. Der Vorschlag wurde deshalb schon kritisiert

Und schließlich will Polizeiminister Jitzhak Aahronowitsch eine Erleichterung beim Erwerb einer Schusswaffe erwägen. Heute muss ein Israeli 21 Jahre alt sein, psychologische und andere Tests bestehen, um eine Pistole mit 50 Patronen legal zu erwerben. Heute schon sind viele Israelis bewaffnet, als Soldaten, Sicherheitsleute oder Polizisten. In einigen Fällen haben bewaffnete Israelis auch ohne offiziell im Einsatz zu sein, Terroranschläge stoppen oder verhindern können. Das gilt auch für den Anschlag in der Synagoge am Dienstag. Ohne das zufällige Erscheinen von drei bewaffneten Polizisten wären die beiden Attentäter nicht schon nach 7 Minuten gestoppt worden. Ihr aufopfernder Einsatz, den einer der Polizisten mit dem Leben bezahlt hat, während der andere schwer verletzt wurde, hat gewiss weitere Todesopfer verhindert.

Nur relativ selten wurde eine legale Dienstwaffe für Mordtaten missbraucht. Das lässt sich wohl kaum verhindern. Doch solange die Ausgabe von Waffen kontrolliert geschieht, dürfte auch diese Maßnahme nicht zu Massakern an Arabern auf offener Straße führen.

 


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