THOMAS SCHREIBER – Eine Analyse: Zwei Beileidsbekundungen – Selber Absender, unterschiedliche Adressaten

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Auswaertiges AmtDer deutsche Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier hatte sich zu zwei Ereignissen in Nahost geäußert: dem Anschlag in einer Synagoge in Jerusalem und dem Tod von Ziad Abu Ein, während einer Demonstration in den besetzten Gebieten. Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Forderungen und Schlüsse, die Steinmeier zieht.

Bei dem Anschlag auf die Synagoge haben zwei Palästinenser mit Äxten, Messern und Pistole „tödliche Angriffe auf unschuldige Gläubige“ durchgeführt. Steinmeier sieht darin „eine schreckliche Grenzüberschreitung in einer ohnehin extrem angespannten Lage“. Er bezeichnet das Ereignis als „Tragödie“ und sieht darin einen „Weckruf“. Als ob der Anschlag, bei dem neben den beiden Angreifern fünf Menschen ermordet worden sind, kein „gewaltsamer Ausbruch“ gewesen wäre, warnte Steinmeier: „Die Spannungen können schnell zum gewaltsamen Ausbruch kommen.“

Bemerkenswert ist auch, dass Steinmeier keine „umfassende und für alle nachvollziehbare Aufklärung“ fordert, wie nach dem „tragischen“ Tod von Ziad Abu Ein. Bei dem Synagogenanschlag sieht er auch kein „Fehlverhalten“, wie beim Tod des palästinensischen Politikers. Ebenso wenig verlangt er, dass jemand nach dem Synagogenanschlag „Konsequenzen“ ziehen müsse.

Ein Vergleich der beiden Verurteilungen Steinmeiers ergibt eine sehr unterschiedliche Sichtweise auf die beiden Streitparteien im Nahen Osten.

Die Israelis sind Opfer einer „Tragödie“, wie bei einer Naturkatastrophe oder nach einem schweren Unfall. Da ist die Rede von einer „Grenzüberschreitung“, offenbar weil „Gotteshäuser“ (im Plural) „zum Schauplatz von tödlichen Angriffen auf unschuldige Gläubige werden“.

Immerhin sieht Deutschlands höchster Diplomat die Opfer als Menschen, denn er spricht den Angehörigen „Mitgefühl“ aus und wünscht den Verletzten „baldige Genesung“.

Der palästinensische Politiker hingegen scheint keine Angehörigen zu haben. Zumindest spricht ihnen der deutsche Außenminister kein Beileid aus. Während der Anschlag in der Synagoge aus heiterem Himmel passierte, ist der Tod des Palästinensers „ein neuer Tiefpunkt in den seit Wochen anhaltenden Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern.“

Dass Abu Ein als Beauftragter der Autonomiebehörde dafür verantwortlich war, „öffentlichen Widerstand“ gegen die Siedlungen und die Besatzung zu organisieren und gemäß allen gefilmten Berichten die Konfrontation mit den israelischen Soldaten suchte und damit bestehende Spannungen anfachte, wird nicht erwähnt. Vielmehr drängt Steinmeier auf eine „schnelle, umfassende und für alle nachvollziehbar Aufklärung“. Das klingt zwar neutral, ist dennoch eine Schuldzuweisung gegen Israel. Denn niemand wird wissen wollen, warum ausgerechnet dort die Demonstration stattfand und was der Herr „Minister“ dort zu suchen hatte. Niemand wird je prüfen, wieso sich Abu Ein den Soldaten näherte und sich mit ihnen ein Brüllgefecht lieferte. Auch der Griff des Grenzschützers nach dem Hals von Abu Ein wäre wohl kaum passiert, wenn der Palästinenser gebührende Distanz gehalten hätte. Steinmeiers Forderung, „Sollten sich Hinweise auf Fehlverhalten ergeben, müssen hieraus Konsequenzen gezogen werden“, dürfte sich kaum auf die Palästinenser beziehen, derartige Demonstrationen zu unterlassen oder sich von den Soldaten fern zu halten.

Auf Facebook fügte Steinmeier noch einen Satz hinzu: „Die wiederkehrenden Ausbrüche von Gewalt mit Opfern auf beiden Seiten müssen ein Ende haben.“ Das hat er nicht nach dem Anschlag auf die Synagoge gesagt, sondern nach dem Tod von Abu Ein.

Man darf davon ausgehen, dass der deutsche Außenminister seine Worte genau abwägt, sogar auf Facebook und gewiss bei öffentlichen Erklärungen seines Amtes. Deshalb muss er sich auch hier gefallen lassen, dass seine Äußerungen unter die Lupe genommen und einzeln auf die Goldwaage gelegt werden.

 

 

 


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