Rede des Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, bei der Kundgebung „Zusammenstehen – Gesicht zeigen“ am Dienstag, 13.1.2015, in Berlin

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Neues Bild (5)Liebe Bürgerinnen und Bürger,

wir stehen heute hier, immer noch voller Trauer und unter Schock. Die schrecklichen Bilder aus Frankreich lassen uns nicht los. Die hohe Zahl der Toten und Verletzten erschüttert uns zutiefst. Mit Menschenverachtung haben die Terroristen ihre brutalen Pläne umgesetzt und unschuldige Menschen kaltblütig ermordet.

Die jüdische Gemeinschaft weltweit ist von den Ereignissen tief getroffen. Denn wieder einmal hat sich gezeigt: Die Islamisten wollen unsere freiheitlichen westlichen Demokratien treffen UND sie wollen die Juden vernichten. In Frankreich wurden Zeichner ermordet, weil sie für die Meinungs- und Pressefreiheit eintraten. Es wurden Polizisten ermordet, weil sie diese Menschen schützten. Und es wurden Juden ermordet – weil sie Juden waren.

Wenn uns etwas fernliegt, dann ist es, alle Muslime zu verdächtigen oder gar diese Religion zu verunglimpfen. Racheakte wie etwa Anschläge auf Moscheen verurteilen wir voll und ganz! Und wir wollen an dieser Stelle auch unseren tiefen Respekt bekunden vor Lassana Bathily: Ein Moslem aus Mali, der in dem koscheren Supermarkt bei Paris mehreren Menschen, Juden, das Leben gerettet hat. Ihm ging es nicht um die Religion. Ihm ging es um die Menschen. Das ist und bleibt auch immer unsere Richtschnur!

Wir dürfen aber auch die Augen nicht verschließen: Gerade im Islam gibt es eine immer stärkere Radikalisierung. In Asien, in Afrika, im Nahen Osten verbreiten radikalisierte, fanatische Islamisten Angst und Schrecken, ja, den Tod. Die gesamte Welt, vor allem aber die Muslime selbst sind daher aufgerufen, gegen diesen Terrorismus vorzugehen. Führende muslimische Würdenträger, muslimische Staatschefs und Imame müssen ihren Einfluss nutzen, um mäßigend zu wirken. Um die radikalisierte Auslegung des Koran zurückzudrängen.

Auch in Deutschland ist die muslimische Gemeinschaft gefordert. Antisemitismus unter vor allem jungen Muslimen darf nicht einfach hingenommen werden. Der schädliche Einfluss vieler Fernsehsender aus dem arabischen Raum und des Internets muss bekämpft werden. Die muslimischen Verbände tragen dabei eine hohe Verantwortung.

Um erfolgreich zu sein, brauchen sie aber auch unsere Unterstützung! Die Unterstützung der gesamten Gesellschaft. Unsere offene Gesellschaft, die so verwundbar ist, muss eben auch für Minderheiten offen sein und Abschied nehmen von Vorurteilen. Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir heute hier alle zusammengekommen sind.

Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, zeigen: Unsere Freiheit, unsere Demokratie werden wir verteidigen! Wir lassen nicht zu, dass Menschen nur aufgrund ihrer Religion, ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft diskriminiert, bedroht oder gar umgebracht werden!

Für uns Juden ist diese Bedrohung leider schon seit langem sehr real. Ich erinnere nur an den Anschlag 2012 auf die jüdische Schule in Toulouse. An den Anschlag auf das jüdische Museum im vergangenen Jahr in Brüssel. Und ich erinnere an die judenfeindlichen Hassparolen bei den Anti-Israel-Demonstrationen im Sommer. Israel ist seit Jahren dem Raketenterror der Hamas ausgesetzt. Bis heute steht in der Charta der Hamas die Vernichtung aller Juden als Ziel. Manchmal haben wir den Eindruck, in Deutschland lässt das viele Menschen gleichgültig.

Doch Gleichgültigkeit ist das Schlimmste!

Es darf uns nicht egal sein, wenn immer mehr französische Juden ihre Koffer packen und nach Israel auswandern. „Frankreich ohne Juden wäre nicht mehr Frankreich“, hat der französische Premierminister gesagt. Auch in Deutschland wird die Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft größer.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, nehmen Sie unsere Gefühle als Seismographen! Wenn Juden bedroht sind, dann sind wir alle bedroht! In Frankreich wurde uns das in schonungslos und brutal vor Augen geführt. Wir alle fragen uns verstört: Wen wird es als nächstes treffen? „Sicherheit ist nirgends“(, schrieb Arthur Schnitzler). Wir müssen uns schützen: Durch angemessene Gesetze gegen den Terror Durch eine gute personelle Ausstattung der Polizei und Geheimdienste Vor allem aber: durch unseren Zusammenhalt quer durch die ganze Gesellschaft.

Die Terroristen fürchten unsere Freiheit!
In Wahrheit sind sie es, die Angst haben.
Sie sind schwach. Und wir sind stark.
Deshalb werden wir gewinnen!


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