ULRICH W. SAHM –Netanjahu brüskiert Obama oder umgekehrt

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10574478_10153039980714838_3021596513464305826_nJerusalem, 24. Januar 2015  – Die Einladung des Vorsitzenden der Republikaner-Partei im amerikanischen Kongress an den wahlkämpfenden israelischen Premierminister, in Washington eine Rede vor beiden Häusern des Kongresses zu halten, entwickelt sich zu einer scharfen Krise.

Das Weiße Haus ist brüskiert, weil Benjamin Netanjahu nicht einmal bei Obama nachgefragt hat, ob ein Besuch genehm sei. Schlimmer noch. Israels US-Botschafter Ron Derner, ein enger Vertrauter Netanjahus, hatte sich zwei Stunden lang mit US-Außenminister John Kerry unterhalten, ohne auch nur mit einem Wort den geplanten Besuch seines Chefs zu erwähnen. Hatte Derner es Kerry vorenthalten? Das Weiße Haus und das State Departement erklärten, dass grundsätzlich keine wahlkämpfenden Politiker aus befreundeten Demokratien nach Washington eingeladen würden. Eigentlich eine ehrenwerte Haltung, wenn sie nur stimmen würde. Israelische Reporter haben festgestellt, dass 1996 der wahlkämpfende Schimon Peres nach Washington geflogen ist. Sein damaliger Gegner, Netanjahu, hat ihm das als unlautere Wahlkampfmasche verübelt. Genützt hat es Peres dennoch nicht.

Immerhin hat Netanjahu die für Februar vorgesehene Reise auf den 4. März verschoben, knapp zwei Wochen vor dem Wahltermin. Offiziell wurde das mit der jährlichen Sitzung der pro-israelischen amerikanischen Lobby AIPAC begründet. Dort gehört eine Rede des israelischen Premierministers zur festen Tradition. Doch für Netanjahu gibt es noch einen weiteren praktischen Grund. Ab dem 4. März nämlich darf Wahlpropaganda in Fernsehen und Radio ausgestrahlt werden. Ein anachronistisches israelisches Gesetz verbietet bis dahin jegliche Wahlpropaganda. Würde Netanjahu vor dem 4. März fliegen, wäre sein Medienwirksamer Auftritt für die Katz. Denn dann könnten sich die Israelis nicht daran ergötzen, auf der Mattscheibe ihren Regierungschef vor applaudierenden Abgeordneten im Kongress zu bewundern. Netanjahus Redetermine seien mit den besten Sendezeiten im israelischen Fernsehen abgestimmt worden.

Obamas tiefe Verärgerung über Netanjahu hat auch inhaltliche Gründe, abgesehen davon, dass sich beide Männer zutiefst verabscheuen, was auf Gegenseitigkeit beruht.

Obama will unbedingt mit Iran einen Vertrag unterzeichnen. Iran erhofft sich ein Ende der Wirtschaftssanktionen und will gleichzeitig nicht auf sein Atomprogramm verzichten. Die Amerikaner könnten damit leben, während Netanjahu eine tödliche Gefahr für Israel sieht, falls Iran in den Besitz einer A-Bombe gelangen sollte. Obama fürchtet nicht zu Unrecht, dass Netanjahu im Kongress eine Fortsetzung der Sanktionen fordern würde. Damit würde er Obama in den Rücken fallen.

Bereits im Oktober hatte der Journalist Jeffrey Goldberg im Magazin «The Atlantic» berichtet, wie Obamas Leute über Netanyahu reden: Dieser sei ein Feigling («chickenshit»). Vor zwei Jahren habe er nicht den Mut gehabt, Irans Nuklearanlagen anzugreifen, zitiert Goldberg einen Angehörigen der US-Regierung. Nun sei es zu spät. Niemand in Washington rechne noch mit einem israelischen Militärschlag gegen Iran. Goldbergs Enthüllungen könnten eine gezielte Indiskretion gewesen sein. Obama habe die Hoffnung aufgegeben, eine iranische Atombombe zu verhindern. Nun versuche er, präventiv die Schuld den Israelis in die Schuhe zu schieben.

Der Streit Obama/Netanjahu ist längst auch Wahlkampfthema in Israel. Zipi Livni bezichtigte Netanjahu eines „unverantwortlichen Handelns“, Obama derart vor den Kopf zu schlagen. Denn sollte es wieder zu einem Krieg kommen, könnten allein mit der Unterschrift des US-Präsidenten Waffen nach Israel geflogen werden. Das war so auch während des Gaza Kriegs, als der israelischen Luftwaffe bestimmte Raketen ausgegangen waren. Sollte sich Obama wegen eines kleinlichen Streits mit Netanjahu weigern, könnte das den Staat Israel akut gefährden und israelischen Soldaten das Leben kosten.

 

 


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