ULRICH W. SAHM –Netanjahu unter Druck wegen Flaschenpfand

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T6-logo-flaschenpfandJerusalem, 1. Februar 2015  – Unter den zahllosen Skandalen im Vorfeld der israelischen Wahlen trifft es jetzt den Premierminister Benjamin Netanjahu, im Volksmund Bibi genannt. Schon wird der Ruf laut, Netanjahu die Berechtigung zu nehmen, als Kandidat weiter im Rennen zu bleiben. Gemäß dem Spruch, „wer den Pfennig nicht ehrt“, oder auf Hebräisch, „Für den Groschen gilt gleiches Recht wie für den Hunderter“, soll Netanjahu alle Posten abgeben und sich einer polizeilichen Untersuchung stellen, wegen Flaschenpfand.

Gerüchteweise sollen im Haus des Ministerpäsidenten innerhalb von zwei Jahren 100.000 Flaschen „Alkohol“ konsumiert worden sein. Das mag vielleicht noch durchgehen, weil der Premierminister auf Kosten des Steuerzahlers zahlreiche Gäste verköstigt. Doch dann geschah etwas Ungeheuerliches. Netanjahus Frau Sara soll die leeren Flaschen zu Supermärkten in Jerusalem gebracht und den Pfanderlös, etwa 6 Cent pro Flasche, in die eigene Tasche gesteckt haben. Das sei Diebstahl öffentlicher Gelder, denn die Cola- und Weinflaschen seien „Staatseigentum“.

Auf Facebook beklagt sich „Bibi“, dass er sich um existenzielle Dinge wie die mögliche iranische Atombombe kümmere. Und jetzt versuche die Presse, ihn wegen Flaschenpfand ins Abseits zu jagen. Zudem werde in seinem Haus nur eine Flasche Wein pro Tag getrunken. Vor zwei Jahren habe seine Frau Sara einen Scheck über 4.000 Schekel (etwa 800,- Euro) für den Flaschenpfand überreicht.

Die Pfandkampagne hat die linksgerichtete Zeitung Haaretz „entdeckt“ und losgetreten. Netanjahu beschwerte sich über den „Brouhaha“ (Aufruhr). Die Affäre sei uralt, wieder aufbereitet, und letztlich unwahr. Abgeordnete wie Zahava Galon von der linken Meretz-Partei fordern vom Generalstaatsanwalt, die Affäre der Polizei zu übergeben und Netanjahu vom Wahlkampf auszusperren. Strategieminister Juval Steinitz argwöhnt, dass „ausländische Gelder in Millionenhöhe hinter der Kampagne zum Auswechseln Netanjahus“ stecken. Seit Jahren kenne und begleite er Sara Netanjahu und habe sie niemals betrunken gesehen.

Dem Pfandskandal vorausgegangen waren „Probleme“ bei der Auszählung der Stimmzettel bei den internen Parteiwahlen des Likudblocks. Ganze Wahlurnen sollen „vergessen“ worden sein.

Die Spannungen an den Grenzen zu Syrien und Libanon haben Netanjahu wieder etwas Aufwind verliehen, da selbst „gemäßigte“ Politiker wie Jitzhak Herzog und Zipi Livni der ehemaligen Arbeitspartei, die sich in „Zionistisches Lager“ umbenannt hat, angesichts der getöteten israelischen Soldaten kein Nachgeben fordern konnten.

Derweil ist die Partei „Israel unser Haus“ von Außenminister Avigdor Lieberman in der Gunst der Wähler laut Umfragen in die gefährliche Nähe der Sperrklausel abgerutscht, wegen eines umfassenden Korruptionsskandals mit mutmaßlicher Beteiligung von Dutzenden Parteiaktivisten. Naftali Bennet vom „Jüdischen Haus“ hat sich durch einen politischen Fehlgriff hervorgetan, indem er den nicht-frommen Fußballstar Eli Ohana auf einen realen Platz seiner frommen Parteiliste gesetzt hat. Ohana hat so viel Gegenwind erhalten, dass er schon nach zwei Tagen seine „politische Karriere“ beendet hatte.

Ähnliche Zwiste gibt es auch bei anderen Parteien, darunter der neugegründeten gesamt-arabischen Partei, bei der sich rechtsnationale Islamisten mit ultralinken Kommunisten verbündet haben. Keine der drei bisherigen arabischen Parteien in der Knesset hätten die von 2% auf 3,25% angehobene Sperrklausel überwunden. Gemeinschaftlich werden ihnen schon 15 Mandate vorhergesagt, es sei denn, sie zerbrechen an politischen Differenzen.

Charakteristisch für diesen Vorwahlkampf ist auch das Ausscheiden von altgedienten Politikern, darunter Benjamin (Fuad) Ben Eliezer, in dessen Panzerschrank mehrere Millionen Schekel mutmaßlicher Korruptionsgelder aufgetaucht sind. Wegen eingestandener Unfähigkeit als der „mieseste Politiker Israels“ hat der ehemalige Generalstabschef und Verteidigungsminister sowie Kadima-Parteichef Schaul Mofaz das Handtuch geschmissen und sich aus der Politik zurückgezogen.

Bei einer Fehlerquote von etwa 4 Prozent gelten die Umfragen als höchst unzuverlässig, weil mehrere Parteien kaum mehr die Sperrklausel überwinden.

 

 


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