ULRICH W. SAHM – Letzte Umfragen vor der Wahl in Israel

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Israli-elevctio-300x125Jerusalem, 12. März 2015 – Die übliche Einteilung in „Links“ oder „Rechts“ ist beim israelischen Wahlkampf ausgeschaltet worden. Politiker aller Parteien reagieren allergisch, wenn sie konkret zum Friedensprozess oder zur Siedlungspolitik befragt werden. Alle reden nur noch über Wohnungspreise und soziale Probleme, freilich ohne zu verraten, wie sie die anstehenden Probleme lösen wollen. Im Grunde geht es nur um „Bouji oder Bibi“, also ob Bibi (Benjamin) Netanjahu abgewählt werden kann und ob Bouji (Jitzhak) Herzog das Zeug für den Premierminister hat. Herzogs angekündigte „Rotation“ mit Zipi Livni wird aus „wahlstrategischen“ Gründen auffällig versteckt.

In der letzten Woche vor den Wahlen am 17. März dürfen keine Umfrageergebnisse mehr veröffentlicht werden. Die letzten Umfragen beim Armee-Radio, Kanal 2 und dem Knesset-TV prophezeiten der Likudpartei Netanjahus übereinstimmend ein kräftiges Absacken in der Wählergunst. Likud erhält bei allen Umfragen nur noch 21 Mandate, während die in „Zionistisches Lager“ umbenannte ehemalige Arbeitspartei auf 24 oder 25 Mandate angestiegen ist. Gemäß dem Prinzip, dass der Staatspräsident Reuven Rivlin dem Vorsitzenden der größten Partei den Zuschlag erteilt, die nächste Regierung zu bilden, hätte also Netanjahu verloren.

Doch es muss eine Koalition zustande kommen. Im sogenannten „rechten“ Lager kommen vier Parteien auf 47 oder 48 Mandate: „Likud, „Kulanu“ (Wir alle) von Mosche Kachlon, „Israel Beiteinu“ (Israel unser Haus) von Avigdor Lieberman und „Beit Jehudi“ (jüdisches Haus) von Naftali Bennett. Wegen Korruptionsskandalen und Liebermans Äußerung, unloyalen Arabern mit einer Axt die Köpfe abschlagen zu wollen, könnte das dieser nur noch bei 5 oder 6 Mandaten stehenden Partei den Einzug in die Knesset kosten.

Das „linke“ Lager erreicht, je nach Umfrage, 42 oder 43 Mandate. Neben dem „Zionistischen Lager“ werden hier die linksgerichtete „Meretz“ und Jair Lapids „Es gibt eine Zukunft“ angeführt. Wegen der Weigerung der arabischen „Gemeinsamen Liste“, mit Meretz ein Abkommen zu überschüssigen Stimmen zu unterschreiben, sind Israels „Linke“ schon in Panik, die Sperrklausel nicht mehr zu schaffen. Die Umfragen geben ihnen noch 5 bis 6 Mandate.

Die arabische „Gemeinsame Liste“ hat sich auf niemanden festgelegt und dürfte kaum koalitionsfähig sein. Sie wird mit 12 oder 13 Mandaten separat aufgelistet. Hier haben sich drei arabische Parteien zusammengeschlossen: Islamisten, Nationalisten und Kommunisten. Wegen der angehobenen Sperrklausel mussten sich die drei Miniparteien zusammenschließe. Alle Beschlüsse dieser Liste müssen einstimmig gefasst werden. Bei den ideologischen Welten zwischen den nun vereinigten arabischen Gruppierungen konnten sie sich bisher auf nichts einigen. In Deutschland käme das einem Bündnis von NPD, FDP und Die Linke gleich.

Ebenso separat, mit 17 oder 18 Mandaten, werden drei Ultraorthodoxe Parteien aufgeführt: Schass, Vereintes Tora-Judentum und „Gemeinsam-Das Volk ist mit uns“. Diese drei Parteien sind a-politisch und unterscheiden sich vor allem in theologischen Fragen und gemäß ihrem als Parteiführer verehrten lebendigen oder verstorbenen Rabbi. Die Vergangenheit zeigt, dass sie problemlos mit der Arbeitspartei genauso zusammengehen können, wie mit dem Likud. Weil jedoch Jair Lapid und andere linke Politiker eine Zwangsrekrutierung der Orthodoxen zum Wehrdienst und deren Integration in das normale Arbeitsleben befürworten, tendieren sie eher zum rechten Lager. Zusammen mit etwa 47 Mandaten für das rechte Lager würden die 17 Mandate der Ultra-Frommen Netanjahu eine Mehrheit von mindestens 64 Mandaten der 120 Sitze in der Knesset bieten.

Wegen des überraschenden Absackens der Likudpartei und dem möglichen Verschwinden der linken Meretzpartei wie der rechten Partei von Lieberman ist eine Woche vor dem Wahltag immer noch alles offen. Andere kleine Parteien, gegen Pornografie, für Marihuna oder für orthodoxe Frauen, die sich ebenfalls am Wahlkampf beteiligen, scheinen keine Chance zu haben.

 

 

 


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