Jerusalem, 21. Februar 2019 – Am Donnerstag um 22:00 Ortszeit (MEZ 21:00) sollten die Listen abgegeben sein. Damit wäre ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu den Neuwahlen am 9. April abgeschlossen gewesen. Aber es wäre nicht Israel, wenn so etwas ohne Chaos ginge. Einige Parteiführer erschienen erst in letzter Minute. Dann mangelte es an den entscheidenden Papieren und schließlich hieß es, dass die 40 vorbereiteten Briefkästen nicht ausreichten, um die Anträge von 47 Parteien mitsamt den notwendigen Kandidatenlisten einzuwerfen.
Nur zum Vergleich: Bei dem Bundestag mit 709 Abgeordneten wäre das so, als würden sich zu den nächsten Bundestagswahlen 283 Parteien anmelden und bewerben.
Manche Parteien führten noch im Gebäude der Knesset Koalitionsverhandlungen. Erst hieß es, dass die „Gemeinsame Liste“ der Araber doch wieder gemeinschaftlich auftreten wolle und nicht aufgespalten, als mindestens zwei Parteien. Doch die Verhandlungen scheiterten und so wird Ahmad Tibi eigene Wege gehen. Den Islamisten und Kommunisten unter den Arabern droht das Aus wegen der Hürde der Sperrklausel. Die Frist wurde erst einmal verlängert bis Mitternacht.
Sicherheit oder Soziales?
Seit Wochen feilschen die potentiellen Abgeordneten um einen guten Platz auf einer der Parteilisten, wobei noch gar nicht feststand, wer mit wem welche Partei ins Rennen schicken werde.
Aktivisten beklagten sich im Rundfunk über einen „Rückfall um 20 Jahre“: Weil die Frauen auf die letzten Plätze auf den Kandidatenlisten abgedrängt worden seien, werde es bestenfalls noch 20 Frauen in der nächsten Knesset geben, während bisher über 30 Frauen im Parlament saßen. Vorgedrängt hätten sich vor allem Militärs. Die ehemaligen Generale könnten Krieg führen und ganze Divisionen befehligen, aber es mangele ihnen an Verständnis für die sozialen Probleme, Wirtschaftsfragen und andere Elemente. Um einen Staat zu lenken, dürften nicht nur Sicherheitsfragen eine Rolle spielen, obgleich die natürlich in Israel immer eine große Rolle spielen. Das mag der Grund sein, weshalb neueste Umfragen keinen wesentlichen Wandel bei dem Endergebnis der Wahlen vorhersehen. Der rechte Block werde zusammen mit den Frommen insgesamt 63 Abgeordnete von insgesamt 120 erhalten. Die Linken könnten unter diesen Umständen keinesfalls einen Sperrblock erlangen und die Macht übernehmen.
Bis zur letzten Minute haben sich die prominentesten Kandidaten gegenseitig schlimmste Verunglimpfungen an die Köpfe geworfen. Netanjahu behauptete, dass Benny Gantz korrupt und unglaubwürdig sei. Netanjahu rief die Wähler auf, nicht einen „schwachen, inkompetenten verkappten Linken wie Gantz zu wählen. Sein Parteigenosse Jair Lapid sei der „mieseste Finanzminister aller Zeiten in der Geschichte Israels“ gewesen. Umgekehrt bezichtigte Benny Gantz den Premierminister Netanjahu, sich wie ein „selbstherrlicher Monarch“ zu benehmen, „über“ dem Volk zu stehen und die Israelis zu spalten, anstatt sie zusammen zu halten.
Fraglich ist weiterhin, ob der Staatsanwalt Avichai Mandelblit noch vor den Wahlen die Untersuchungsergebnisse zu dem Korruptionsverdacht gegen Ministerpräsident Netanjahu veröffentlichen werde und wie sich das auf die Wähler des Ministerpräsidenten auswirken werde. Völlig unklar ist die endgültige Zusammensetzung des linken Lagers. Denn einige Parteien mit prominenten Spitzenkandidaten würden mit Sicherheit nicht die Sperrklausel überwinden können. Bei 3,25% ist klar, dass viele der bewerbenden Parteien untergehen werden.
Ausgeschieden ist schon Tzipi Livni. Die war in der Vergangenheit Ministerpräsidentin, Ministerin und Parteiführerin. Um den Oppositionsparteien nicht die Chance zu nehmen, den amtierenden Ministerpräsidenten zu stürzen, ziehe sie sich ins Privatleben zurück.
Umfrageergebnisse seien mit „äußerster Vorsicht“ zu genießen, ebenso wie Behauptungen der sogenannten Experten und politischer Kommentatoren.
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