Offener Brief an die Redaktion der Stuttgarter Zeitung
als Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Region Stuttgart protestiere ich gegen Ihre heutige Karikatur auf der Titelseite Ihrer Printausgabe. Luff & Mohr: Die Karikatur des Tages – Politik – Stuttgarter Zeitung (stuttgarter-zeitung.de)
Herr Luff hängt dem israelischen Ministerpräsidenten einen Teufelsschwanz an. Bibi kämpft zwar heldenhaft wie einst der Heilige Georg zu Pferd gegen den Drachen Corona. Aber der Jude ist ein Teufel! Dass es genau darum geht, was aus dem Hinterteil des Reiters herauswächst, nämlich ein Teufelsschwanz, versehen mit einem Preisschild „Korruption“, unterstreicht der Titel der Karikatur: Sankt Bibis Kehrseite.
Die Karikatur bedient sich einer der ältesten Beschuldigungen des christlichen Antisemitismus. Im Johannes-Evangelium 8,44 sagt Jesus zu einigen anderen Juden: „Ihr kommt vom Teufel als Vater her“. Die Juden stünden mit dem Teufel im Bunde, verkünden noch heute Skulpturen an Kirchenwänden. „Tod Israel“ droht der oberste iranische Führer dem „kleinen Satan“. An die zweitausendjährige Verteufelung der Juden selbst noch nach dem Holocaust ungebrochen anzuknüpfen, ist Antisemitismus.
Um Netanyahu wegen des Korruptionsverdachts zu kritisieren – mehr als eine Anklage ist es bisher ja nicht – hätte sich sicher ein anderes Bild finden lassen. Will Herr Luff kritisieren oder dämonisieren? Seine Karikaturen gegen Israel haben System. Bereits 2013 verteufelte er Netanyahu mit Hilfe des Kreisslerschen Liedverses „Gehn mer Tauben vergiften im Park“. Netanyahus Siedlungspolitik sei Gift für den Frieden. Meinen Leserinnenbrief und die Karikatur aus 2013 lege ich im Anhang bei. Politis
ch verantwortlich für Karikaturen auf der Titelseite sind jedoch die Zuständigen der Redaktion. Auch im Jahre 2005 veröffentlichte die Stuttgarter Zeitung eine üble israelfeindliche Karikatur, ebenfalls auf der Titelseite. Der damalige Karikaturist Herr Mester stellte den damaligen Ministerpräsidenten Ariel Sharon als Menschenschänder an den Pranger. Siehe anbei.
Wir, die DIG Stuttgart, erwarten, dass sich die Redaktion der Stuttgarter Zeitung wegen der antisemitischen Karikatur entschuldigt. In erster Linie bei den Jüdinnen und Juden, denn sie trifft die zunehmende Verhetzung ganz direkt, so wie die schwangere jüdische Frau, die vor zwei Tagen in London überfallen wurde. Wir erwarten eine Entschuldigung gegenüber Benjamin Netanyahu, dem amtierenden Ministerpräsidenten des jüdischen und demokratischen Staates Israel. Und wir erwarten eine Art von Wiedergutmachung gegenüber der Gesellschaft insgesamt. Spätestens seit 1945 sollte doch jede und jeder wissen, dass Antisemitismus die Demokratie gefährdet.
Mit freundlichen Grüßen
Bärbel Illi
Deutsch-Israelische Gesellschaft Region Stuttgart e.V.
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