Charlotte Knobloch: Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern – Sie ist eine der meistbeschäftigten Frauen Deutschlands. Im Interview spricht Dr. h.c. Charlotte Knobloch über ihre Kindheit in der NS-Zeit, über ihre zahlreichen Ämter, ihr Engagement bei WIZO und im Jüdischen Frauenbund – und wie es ihr gelang, nach 1945 aus dem Überleben ein Leben zu formen. | bpb.de
Sharon Adler: Sie waren drei Monate alt, als Hitler an die Macht kam, sechs Jahre, als am 9. November 1938 die Ohel-Jakob-Synagoge brannte, und sieben, als die Wehrmacht in Polen einmarschiert ist. Welche Erinnerungen haben Sie an die Ausgrenzung, die Sie und Ihre Familie erfahren haben?
Charlotte Knobloch: Ich wurde als das einzige Kind in ein gutbürgerliches Haus hinein geboren. Es gab nur noch eine Cousine, die bis 1936 in Nürnberg aufgewachsen ist. Mein Vater[1] erzählte mir nach der Befreiung, er sei damals gar nicht so glücklich darüber gewesen, dass die Familie sich in einer so schwierigen Zeit vergrößert hat. Wir hatten ein angenehmes Familienleben, und ich hing sehr an unserer Haushälterin, der guten Johanna. Es hat mich besonders getroffen und sehr geschmerzt, als sie nicht mehr bei uns arbeiten durfte.[2] Auch das gehörte zu diesen ersten Jahren. Bis ich vier Jahre alt war, habe ich oft mit den Kindern aus der Umgebung im Hof unseres Hauses gespielt, bis sie mich eines Tages von der anderen Seite des Zauns komisch angeguckt haben und ich vor dem verschlossenen Gatter stand. Ich habe daran gerüttelt, weil ich glaubte, dass irgendetwas damit nicht stimmt. Aber das war nicht der Fall. Vielmehr herrschte mich die Hausmeisterfrau an: „Unsere Kinder dürfen nicht mit einem Judenkind spielen, geh nach Hause!“ Das war meine erste Begegnung mit dem Anderssein.
Charlotte Knobloch: Ich wurde als das einzige Kind in ein gutbürgerliches Haus hinein geboren. Es gab nur noch eine Cousine, die bis 1936 in Nürnberg aufgewachsen ist. Mein Vater[1] erzählte mir nach der Befreiung, er sei damals gar nicht so glücklich darüber gewesen, dass die Familie sich in einer so schwierigen Zeit vergrößert hat. Wir hatten ein angenehmes Familienleben, und ich hing sehr an unserer Haushälterin, der guten Johanna. Es hat mich besonders getroffen und sehr geschmerzt, als sie nicht mehr bei uns arbeiten durfte.[2] Auch das gehörte zu diesen ersten Jahren. Bis ich vier Jahre alt war, habe ich oft mit den Kindern aus der Umgebung im Hof unseres Hauses gespielt, bis sie mich eines Tages von der anderen Seite des Zauns komisch angeguckt haben und ich vor dem verschlossenen Gatter stand. Ich habe daran gerüttelt, weil ich glaubte, dass irgendetwas damit nicht stimmt. Aber das war nicht der Fall. Vielmehr herrschte mich die Hausmeisterfrau an: „Unsere Kinder dürfen nicht mit einem Judenkind spielen, geh nach Hause!“ Das war meine erste Begegnung mit dem Anderssein.
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