„Die Differenzen müssen wahrgenommen werden“ – Der Historiker A. Dirk Moses wirft den Deutschen einen „Schuldkult“ vor und bekommt dafür Applaus von rechten Identitären. Doch auch der Kulturbetrieb findet Gefallen an seinen Thesen. Der Historiker Volker Weiß über unfreiwillige Allianzen und verkürzte Diskurse | Taz
taz: Herr Weiß, vor einigen Tagen hat der renommierte, in den USA lehrende Genozid-Forscher A. Dirk Moses im Online-Magazin Geschichte der Gegenwart einen polemischen Artikel mit dem Titel „Der Katechismus der Deutschen“ veröffentlicht. Dieser Artikel wurde inzwischen auch ins Englische übersetzt und hat teils eine sehr begeisterte Rezeption erfahren. Sie haben sich kritisch zu Moses’ Artikel geäußert. Was genau stört Sie?
Volker Weiß: Insgesamt ist der Text überfrachtet, er thematisiert den Kolonialismus, Auseinandersetzungen um deutsche Erinnerungskultur, die Frage nach der Singularität der Shoah, Israel und die Israel-Boykottbewegung BDS. Dabei bricht Moses hiesige vergangenheitspolitische Debatten auf fünf angebliche grundlegende „Überzeugungen“ herunter, die einen, wie er es nennt, „Deutschen Katechismus“ ausmachen würden. Doch fast keine davon hält einer Überprüfung stand. So behauptet er etwa, in Deutschland halte man Antisemitismus für ein spezifisch deutsches Phänomen. Nun, die NS-Vernichtungspolitik war spezifisch deutsch, aber dass es Antisemitismus in vielen anderen Ländern gab und gibt, bestreitet niemand. Im Moment wird er sogar regelrecht externalisiert, als „Import“. Eine weitere Behauptung war, das Holocaust-Gedenken bilde „das moralische Fundament der deutschen Nation, oft gar der Europäischen Zivilisation“.
Volker Weiß: Insgesamt ist der Text überfrachtet, er thematisiert den Kolonialismus, Auseinandersetzungen um deutsche Erinnerungskultur, die Frage nach der Singularität der Shoah, Israel und die Israel-Boykottbewegung BDS. Dabei bricht Moses hiesige vergangenheitspolitische Debatten auf fünf angebliche grundlegende „Überzeugungen“ herunter, die einen, wie er es nennt, „Deutschen Katechismus“ ausmachen würden. Doch fast keine davon hält einer Überprüfung stand. So behauptet er etwa, in Deutschland halte man Antisemitismus für ein spezifisch deutsches Phänomen. Nun, die NS-Vernichtungspolitik war spezifisch deutsch, aber dass es Antisemitismus in vielen anderen Ländern gab und gibt, bestreitet niemand. Im Moment wird er sogar regelrecht externalisiert, als „Import“. Eine weitere Behauptung war, das Holocaust-Gedenken bilde „das moralische Fundament der deutschen Nation, oft gar der Europäischen Zivilisation“.
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