Erinnerungspolitische Wendemanöver oder: Preisgekrönte Häupter abgeschlagen? | Sylke-kirschnick
Als der Rechtsextremist, Neonazi und AfD-Politiker Björn Höcke im Januar 2017 in Dresden eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad forderte und die Holocaust-Gedenkkultur seit den 1990er Jahren revidiert wissen wollte, empörten sich Wissenschaftler, Politiker, Journalisten. Vergleichbarer Protest blieb aus, wann immer in den vergangenen 20 Jahren aus dem linken Milieu von einer “Sichtblende” namens “Auschwitz” die Rede gewesen ist und Palästinasolidarität eingefordert wurde wie in dem “Jungle world”-Beitrag “Schuld und Erinnerung” von Klaus Holz, Elfriede Müller und Enzo Traverso aus dem Jahr 2002 https://jungle.world/artikel/2002/46/schuld-und-erinnerung Angeblich würde die Erinnerung an die Shoa einen unvoreingenommenen Blick auf den israelisch-palästinensischen Konflikt verhindern. Das stand in der Tradition westdeutscher Linksextremisten und der DDR-Propaganda. Einen linken Schlussstrich unter das Holocaust-Gedenken zogen Radikale wie Dieter Kunzelmann schon zu einer Zeit, als es noch gar nicht begonnen hatte: 1969 behauptete er, dass die Elterngeneration der damals jungen nichtjüdischen Deutschen zwar sechs Millionen Juden ermordet hätte, die jüdischen Überlebenden und ihre Kinder in Israel inzwischen aber ins Lager der Faschisten übergewechselt wären und jetzt die Palästinenser morden würden wie seinerzeit Deutsche die Juden. So würden heute Linke und Linksliberale nicht mehr argumentieren. Geändert hat sich aber nicht der diesem Gedanken- und Gefühlshaushalt zugrundeliegende Hass auf Israel, sondern nur seine pseudo-rationale und pseudo-wissenschaftliche Begründung. Angeblich sei Israel die letzte verbliebene Kolonialmacht, die die Palästinenser an der Gründung eines eigenen Staates hindern würde, obwohl es die palästinensische Führung war und ist, die diese Staatsgründung seit 1937 beharrlich hintertreibt, weil sie bedeuten würde, das Recht auf eine jüdische Heimstätte und später den Staat Israel anerkennen zu müssen. Israelis würden Palästinenser als Bürger zweiter Klasse behandeln, sie entrechten, sie enteignen und diskriminieren und in letzter Konsequenz gleich ganz “entsorgen” wollen. Die Debatte um Achille Mbembe, der wiederholt so argumentiert hat, weshalb ihn der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung als Eröffnungsredner der Ruhrtriennale für ungeeignet hielt, gipfelte im vergangenen Dezember im Plädoyer einer “Initiative GG 5.3, Weltoffenheit”, die angetreten war, die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit in der Bundesrepublik gegen eine vermeintlich einschränkende BDS-Resolution des Bundestages vom Mai 2019 zu verteidigen. Tatsächlich beschneidet die “Initiative” in ihrem “Plädoyer” aber durch ein politisiertes Kunst- und Wissenschaftsverständnis, das dem in der ehemaligen DDR ähnelt, gerade diese grundgesetzlich verankerte Freiheit https://starke-meinungen.de/blog/2021/01/03/ein-schlechtes-ei-ja-teil-2-und-schluss/.
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