NAFFO Positionspapier zur israelischen Justizreform | NAFFO – NAHOST FRIEDENSFORUM
- Die aktuelle Justizreform in Israel sorgt seit Wochen für anhaltende und massive Proteste in breiten Gruppen der Bevölkerung, die von einer lebhaften & wehrhaften Demokratie zeugen.
- Einerseits versucht Premierminister Netanjahu durch die Reform, die Machtbefugnisse der Judikative deutlich zu beschränken, um stärker durchregieren zu können.
- Auf der anderen Seite steht hinter der Reform aber auch ein tiefer liegender Kompetenzkonflikt zwischen der Knesset und dem Supreme Court, der sich in den letzten Jahrzehnten stetig verschärft hat.
- Hintergrund des Konflikts sind Besonderheiten des israelischen Systems, in dem es keine geschriebene Verfassung gibt und in dem sich eine äußerst starke Zentralregierung und ein äußerst mächtiger Supreme Court gegenüberstehen, der über deutlich mehr Befugnisse als das deutsche Bundesverfassungsgericht verfügt.
- Vor diesem Hintergrund ist das System durchaus reformbedürftig und ein Neuzuschnitt der Befugnisse von Knesset, Regierung und Supreme Court nicht verfehlt. Ein Neuzuschnitt war bereits Gegenstand von Initiativen vorheriger Regierungskoalitionen, sowohl mit linker als auch rechter Beteiligung.
- Die Reformpläne in der derzeitigen Fassung bergen allerdings äußerst große Gefahren, weil sie die Befugnisse des Supreme Court über Gebühr beschränken und eine wirksame Gewaltenteilung sowie einen Minderheitenschutz, wie bislang vom Supreme Court seit der Gründung des Staates Israel effektiv gewährleistet, letztlich fast komplett aushebeln. Auch eine mehrheitlich legitimierte Regierung muss die Rechte von Minderheiten schützen.
- Derzeit werden verschiedene Kompromisslinien diskutiert, u.a. auch unter Einbindung von Staatspräsident Herzog. Es bleibt sehr zu hoffen, dass sich ein Kompromiss finden lässt, der eine tragfähige Neujustierung der verschiedenen Kompetenzen ermöglicht. Der Kompromissvorschlag wird mit der ersten für den 13.03.23 vorgesehenen Lesung des Gesetzesentwurfes erwartet.
- Was auch geschieht: Das letzte Wort behält in einer Demokratie das Volk. Daran ändern auch die Reformen nichts. Eine neue Knesset könnte in der nächsten Legislaturperiode die Reformen mit einfacher Mehrheit wieder rückgängig machen. Die derzeitige massive Mobilisierung in der Bevölkerung gegen die Reformen macht einen derartigen Wahlausgang nicht fernliegend. Neuwahlen kommen in Israel erfahrungsgemäß schneller als geplant, sodass die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt.
DAS VOLLSTÄNDIGE DOKUMENT HIER HERUNTERLADEN
Hinterlasse eine Antwort
Sie müssen... (sein)angemeldet sein um einen Kommentar zu schreiben.