Jerusalem, 15. August 2015 – Seit fast 60 Tagen befindet sich Muhammad Allan, Aktivist des islamischen Dschihad, eine der radikalsten palästinensischen Organisationen, im Hungerstreik. Israel hatte ihn verhaftet. Ohne klare Anklage wurde er mit richterlichem Befehl für 6 Monate ins Gefängnis gesteckt. Die Administrativhaft kann beliebig oft verlängert werden.
Seit Wochen ringen Palästinenser und Israel um den richtigen Umgang mit hungerstreikenden Häftlingen. Kürzlich hat die Knesset im Eilverfahren ein Gesetz verabschiedet, das Ärzten die Zwangsernährung der Hungerstreikenden erlaubt, falls ihnen Lebensgefahr drohe. Das haben palästinensische Aktivisten, darunter Abgeordnete der arabischen „Gemeinschaftsliste“, abgelehnt, weil das „Folter“ bedeute. Ärzte demonstrierten gegen das Gesetz, weil eine gewaltsame ärztliche Behandlung von Patienten ihren ethischen Pflichten widerspreche. Doch gleichzeitig hat jeder Arzt den Eid geschworen, Menschenleben zu retten.
Muhammad Allan wurde inzwischen in das Barzilai-Hospital in Aschkelon überwiesen, nachdem er im Gefängnis immer schwächer geworden war. Die Gefängnisärzte durften ihm nicht einmal Blutdruck oder Puls messen, um zu ermitteln, ob sein Leben akut gefährdet sei.
Im Barzilai-Hospital verlor Allan das Bewusstsein, was die Ärzte vor ein Dilemma stellte. Zwar wussten sie, dass Allan gegen eine lebensrettende Behandlung war. Nun konnte er sich nicht mehr wehren. Ohne genaue Angaben zu veröffentlichen, wurde der mit einem Bein an sein Bett gefesselte Gefangene – wie der Abgeordnete Dr. Ahmad Tibi empört erzählte – an Infusionen angeschlossen, um seinen Körper mit Mineralien und anderen Flüssigkeiten zu stärken. Ob er zwangsernährt werde, ließen die Sprecher des Hospitals offen.
Vor dem Krankenhaus versammelten sich arabische Abgeordnete, Familienangehörige von Allan und palästinensische Demonstranten, sowie rechtsgerichtete israelische Gegendemonstranten. Berittene Polizei und Wasserwerfer mussten die Gruppen auseinander zu halten, nachdem es neben lautstarken Wortgefechten auch zu Gewalt gekommen war. Am Ende wurde den Palästinensern befohlen, einen Kilometer von dem Krankenhaus entfernt zu demonstrieren.
Die Palästinenser drohen Israel mit einem Ende der „Waffenruhe“ im Westjordanland und einer dritten Intifada, falls Allan sterben sollte. Allans Mutter, eine Palästinenserin mit Kopftuch und ausgeprägten politischen Ansichten, will „natürlich“ nicht, dass ihr Sohn sterbe, befürworte aber seinen Kampf gegen Israel.
Das Problem sei ganz „einfach“ zu lösen, indem Israel den Gefangenen freilasse. Für Israel ist das nicht akzeptabel, denn dann könnte jeder aus guten Gründen wegen Massenmord und Terror verurteilte Häftling den Staat ebenso mit Hungerstreik „erpressen“ und die Freilassung erzwingen. Das wiederum würde den Rechtsstaat, die Gesetze und das Gerichtswesen Israels aus den Angeln heben.
Vorbeugehaft gilt in vielen Ländern und sogar in Israel als Verstoß gegen Menschenrechte. Israel beruft sich in den besetzten Gebieten auf sein Militärrecht, dem auch britisches Mandatsrecht integriert worden ist. Dabei können „besonders gefährliche“ Verdächtige jeweils sechs Monate lang inhaftiert werden, ohne dass ihnen die Anklagepunkte verraten werden. Dem Militärgericht liegen Geheimdienstberichte vor. Um jedoch den verdächtigten Palästinensern und ihren Anwälten keine Informationsquellen zu verraten, können nur die Richter die aufgelisteten Vergehen einsehen. Das Verfahren widerspricht den Regeln von Gerichtsverfahren in demokratischen Rechtsstaaten, wo Verdächtigen eine faire Chance gegeben werden muss, sich zu verteidigen. Israelische Anwälte bei Militärgerichtshöfen erklärten auf Anfrage, dass es sich bei den Delinquenten meist um gut vernetzte Drahtzieher von Terroranschlägen handle. Aus guten Gründen wolle der Geheimdienst ihnen nicht preisgeben, wer sie verraten hat oder auf welchen Wegen die Agenten ihnen sonst auf die Schliche gekommen seien. Inzwischen wurde die Administrativhaft auch auf „jüdische Terroristen“ ausgeweitet, infolge des Brandanschlags auf die Brotvermehrungskirche in Tabgha und auf das Dorf Duma, wo ein 18 Monate alte Baby und sein Vater durch eine mutmaßlich von jüdischen Extremisten geworfene Brandbombe ermordet worden sind. Sieben Extremisten, allesamt aus Israel, wurden in Vorbeugehaft gesteckt. Unter ihnen ein Enkel des Rabbi Kahana, dessen Kach-Partei wegen Extremismus verboten worden ist, und dem Autor eines Pamphlets, das den Extremisten Kirchen und andere Heilige Stätten empfiehlt, sie anzuzünden, um in Israel eine jüdische Gottesherrschaft einzurichten. Wegen der in Israel garantierten „Meinungsfreiheit“ könnte er bei einem „normalen“ Gerichtsverfahren kaum mit einer Strafe rechnen, obgleich sein Pamphlet Anweisungen praktische Anweisung enthält, Terroranschläge durchzuführen, ohne entdeckt zu werden. Das Büchlein hat offenbar großen Einfluss auf die sogenannte „Hügeljugend“, der viele Anschläge auf Palästinenser und christliche Stätten nachgesagt werden. Ein Exemplar wurde auch bei den mutmaßlichen Brandstiftern von Tabgha gefunden.
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