Nicht Gaza, nicht Libanon, sondern Tunesien, Ägypten und Iran!

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Die Montagsdemonstration in Teheran wurde im Keime erstickt. Die Polizei ließ noch nicht einmal die Menge sich versammeln. Es waren Zehntausende. Im Vorfeld wurde die Demonstration aufgelöst.

 

In Facebook hat ein Exiliraner zwei Kommentare von jungen Iranern aus dem Iran erneut auf seiner Seite veröffentlicht. Der Exiliraner schreibt in  Facebook auf Persisch: „Das Klima im Iran ist schrecklich. Diejenigen, die nicht im Iran sind, regen sich auf und diejenigen, die im Iran sind, suchen mit aufgerissenen Augen nach denjenigen, die verloren gegangen sind. Sie wollen uns zufrieden stellen, weil sich ein paar Spaziergänger frei bewegen. Einer derjenigen, die gestern Abend nicht mehr nach Hause gekommen ist, hat in Facebook folgende Zeilen geschrieben: Sie haben dich und die Freiheit mitgenommen. Ich denke an Dich und an die Freiheit. Gibt es eine noch stählernere Handschelle als solche Gedanken?“ Der Exilant veröffentlicht erneut eine andere authentische Stimme aus dem Iran: „Das Ziel des Regimes ist dieses Mal die totale Auflösung des Volkes. Entweder sind wir endgültig erledigt oder wir werden zum Leben erweckt.“

 

Die Stimmen zur Verurteilung der „Führer der Unruhen“, gemeint sind die Führer der „Grünen Bewegung“, werden immer lauter. Zwar bewegen sich Mir Hussein Moussawi, Mehdi Karoubi und Mohammad Khatami vollständig auf dem Boden der khomeinistischen Verfassung des Iran, dennoch standen sie am letzten Montag unter Hausarrest.

 

Die Aufstandsbekämpfungspolizei atomisierte die Demonstration bevor sie überhaupt zustande kam. Mit Tränengas und Knüppel wurden friedliche Demonstranten zusammengeschlagen. Das Committee of Human Rights Reporters berichtet, dass am 14. Februar 2011 etwa eintausendfünfhundert Demonstranten verhaftet worden seien. Eine Namensliste der 1500 verhafteten Demonstranten soll ebenfalls veröffentlicht worden sein.

 

Der Expertenrat hat die Aufstände als „amerikanisch und zionistisch“ verurteilt. In einer Erklärung des Expertenrates heißt es, dass die Demonstranten mit ihren Parolen lügen würden. Sie würden nicht auf der Seite des tunesischen und des ägyptischen Volkes sein. Die iranischen Demonstranten seien „Konterrevolutionäre“, die den amerikanischen und zionistischen Interessen dienen wollten.

 

Indessen hat Hojatuleslam Alireza Panahian, der vom religiösen Rang mit Ex-Präsident Mohammad Khatami gleichgestellt ist, gesagt: „Das iranische Volk will nicht nur die Hinrichtung der Köpfe des Aufstandes, sondern will auch, dass die Politiker, die Öl ins Feuer der Aufstände gegossen haben von der Bühne der Politik entfernt werden,“ berichtete Farsnews am 16. Februar 2011.

 

Es gibt ausreichend Absurditäten in der „Islamischen Republik Iran“. Aber offenbar fälschen die iranischen Machthaber, von der Polizei über Politiker und den Bassij sogar die Identität eines bei der Demonstration verstorbenen Studenten. Die Propagandamaschinerie der Diktatur behauptet, dass der verstorbene Student Sane Jale , ein Anhänger von Ahmadinejad gewesen sei und will daraus Kapital schlagen. Prompt demonstrierten Bassij-Studenten für den verstorbenen Sane Jale und gaben den „Führern des Aufstandes“ die Schuld für den Tod des angeblichen Bassij-Studenten. Sie riefen sogar „Tod Rafsanjani“. Sane Jale sei ein Märtyrer der islamischen Revolution, daher fordern die Bassij-Studenten auch die Hinrichtung von Moussawi, Karrubi und Khatami. Diese seien verantwortlich für die „Aufstände“.

 

Die Kommilitonen und Freunde des verstorbenen Studenten kennen Sane Jale aber aus nächster Nähe und sagen, dass Sane Jale einer von ihnen gewesen sei. Sane Jale war ein sunnitischer Kurde. Er sei ein Anhänger von Moussawi gewesen und habe nichts mit den Bassij zu tun gehabt. Sie haben auf Facebook sogar ein Photo von ihm veröffentlicht, das ihn gemeinsam mit dem verstorbenen Ayatollah Montazeri zeigt. Das Photo ist vom 14. November 2008. Das Photo wurde inzwischen auch im persischsprachigen Fernsehen von Voice of America gezeigt, so dass viele Iraner auch im Iran nun mehr über die Lügen ihrer Machthaber erfahren können. Verwandte und Freunde haben im telefonischen Interview mit VOA bezeugt, dass die Familie von Sicherheitskräften bedroht worden sei. Sie sollten nur sagen, dass er ein Bassij gewesen sei. Als die Familie noch nicht von seinem Tod erfahren hatte, seien Sicherheitskräfte bei der Familie eingedrungen und hätten einige Papiere des jungen Mannes mitgenommen. Und daraufhin ihm einen Bassij-Ausweis ausgestellt und diesen im staatlichen Fernsehen gezeigt. Weinend erzählten Angehörige des verstorbenen kurdischen Studenten, dass er nicht nur kein Bassij gewesen sei, sondern sogar ein kämpferischer Mensch, der die Regierung kritisiert habe. Auch die Leiche des jungen Mannes wollten die zuständigen Stellen der Familie nicht übergeben. Die Schwester von Sane Jale wurde inzwischen verhaftet, weil sie in Interviews betont hatte, dass ihr Bruder kein Bassij gewesen sei.

Die Frage ist, wenn Sane Jale ein Bassiji gewesen ist, wie die Diktatur es behauptet, warum haben sie eine solche Angst die Leiche des Mannes seiner Familie zu überlassen?

 

Die Diktatur braucht aber Märtyrer und kann sich keine Märtyrer des Volkes leisten. Ergo missbrauchen sie sogar die Leiche eines verstorbenen Demonstranten.

Die Mitglieder des khomeinistischen Pseudo-Parlaments riefen während einer Sitzung „Tod Moussavi, Tod Karrubi, Tod Khatami“. Rafsanjani wurde verwarnt, er solle sich von den Aufständischen distanzieren.

 

Hojatulislam Nateq Nuri forderte die iranische Justiz auf, „entschlossen gegen die Verursacher der Aufstände vorzugehen, berichtete Farsnews am 16. Februar.

Der ehemalige General der Revolutionsgardisten und ein Rivale Ahmadinejads haben von der „List der Amerikaner“, die durch den Märtyrertod von Sane Jale neutralisiert worden sei, gesprochen. Auch er forderte die entschlossene Verurteilung der Aufständischen, berichtete Farsnews am 16. Februar.

Und Ali Larijani warnte entschlossen: „Die Aufständischen sollten wissen, dass der Iran nicht besiegbar ist.“

Dessen Bruder Ayatollah Sadegh Amol Larijani, der Direktor der iranischen Justiz, hatte sich schon am 9. Februar zu Wort gemeldet und gewarnt, dass er einen Beschluss zur Verurteilung der Anführer des Aufstandes für richtig hält.

 

Indessen wächst der Druck gegen die Angehörigen der iranischen Bahai-Gemeinde immens. Die Haftbedingungen der sieben inhaftierten ehemaligen Führungsmitglieder sind ohnehin katastrophal. Nun wurden die zwei Frauen, Fariba Kamalabadi und Mahvash Sabet in die Sektion 200 des Gohardascht-Gefängnisses verlegt. Das Gefängnis ist bekannt für besonders unmenschliche Zustände, berichtete Bahai World News Service.

Das Ziel der Diktatur ist seit Jahren die Zerstörung der iranischen Bahai-Gemeinde. Permanent werden Bahai verhaftet, nur weil sie anders denken und etwas anderes glauben, als was die khomeinistische Obrigkeit anordnet und befiehlt: Am 15. Februar wurde ein junger Bahai in seiner Wohnung festgenommen. Es ist unklar warum er verhaftet worden ist. Wenige Tage davor waren in Isfahan Anisa Motahar und Missagh Mohammadalipur ebenfalls in ihrer Wohnung verhaftet worden. Am 15. Februar wurde Majid Majidi in Mashad verhaftet. Am 15. Februar wurde auch Nima Haghar zu fünf Jahren verurteilt. Am 5. Februar wurde Schahin Sanai in Ghaemshahr verhaftet. Am 30. Januar wurden in Urumiye Farhud Aqdasi und Changiz Dargahi, zwei weitere Bahai, willkürlich verhaftet. Am 29. Januar wurden in Isfahan der Arzt Ehsanullah Eshtiagh und Sorush Peseshki verhaftet.

 

Die iranischen Demonstranten riefen am letzten Montag auf Teheraner Straßen: „Nicht Gaza, nicht Libanon, sondern Tunesien, Ägypten und Iran!“ Damit distanzierten sie sich eindeutig von den Islamisten. Sie riefen auch: „“Wir wollen kein islamisches Regime. Unabhängigkeit und Freiheit. Wir wollen eine iranische Republik. Tod dem Diktator.“

 

Aber die europäische Wirtschaft hört nicht die Schreie der iranischen Freiheitsbewegung. Die deutsch-europäische Wirtschaft verfolgt die Logik von Profitinteressen und stabilisiert damit immer mehr die totalitäre Diktatur der Khomeinisten.

Die Marktinteressen im Iran sind für die europäischen Demokratien wichtiger als die Freiheit der Iraner.

Europa lernt nicht von Ägypten und Tunesien.

 

Wahied Wahdat-Hagh ist Senior Fellow bei der European Foundation for Democracy in Brüssel.
http://europeandemocracy.org/


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