Beschneidung ja oder nein – eine unabschließbare Debatte | DW.COM

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10 Kommentare
  • Felix Riedel

    Den Lesenden des arg unhöflichen Herrn Schwarzmann (er engagiert sich schon sehr lange und ist ein alter Bekannter in Foren) noch einmal kurz die Korrekturen an seiner Behauptung:
    1. Eine medizinische Studie ist eine medizinische Studie. Sie ist fälschbar, lesbar und bestechlich. Es gibt auch Studien, die die Unbedenklichkeit von Zucker oder Tabak oder die Wirksamkeit von Homöopathika belegen. Wissenschaft hat sehr unterschiedliche Qualitäten. Die Cochrane-Studie zur Beschneidung etwa würde vor keinem objektiven wissenschaftsphilosophischen Gremium bestehen: Befangenheit des Studienleiters, Befangenheit der Teilnehmenden, die üblichen Metastudienprobleme kommen hinzu. Es wird eben kein Medikament oder keine chirurgische Praxis verhandelt, sondern eine medizinethische Frage.
    2. Ein Medikament wird nicht vom Markt genommen, wenn es unwirksam ist, sondern wenn ein Teil der Behandelten inakzeptable Nebenwirkungen erdulden muss. Bei der Beschneidung fehlt der Nachweis. 100% der Behandelten werden irreversibel geschädigt, im Extrem mit Todesfällen, Nekrosen, Komplikationen – der „Nutzen“ geht selbst in den optimistischen Studien in die Promillebereiche.
    3. Ist Beschneidung kein „Medikament“. In den USA ist die HIV-Rate um ein Vielfaches höher als in Dänemark. Metastatistik und Medizinsoziologie kratzen sich nur den Kopf über die verzweifelten Versuche, da eine für die HIV-Krise relevante Wirksamkeit herauszufabulieren. Daher geht die Diskussion auch darum, ob es ein Judentum ohne Beschneidung geben kann oder nicht. Wenn nicht, dann ist doch die Frage nach den Folgen völlig unerheblich.
    Womit ich wieder beim Aufmuntern wäre: Mehr von der Medizin abzukommen, die halt pseudowissenschaftlich wird, und wieder mehr zur religiösen Frage: Kann es einen Judaismus ohne Beschneidung geben?

  • Igor Schwarzmann

    Die „Korrekturen“ sind alternative Fakten vor dem Hintergrund der grenzenlosen Hybris des Felix Riedel und seines unermesslichen Drangs, andere Leute immerfort zu belehren:

    „Heute wird die männliche Beschneidung in Teilen der internationalen Literatur als eine „chirurgische Impfung“ und wichtiger Baustein der kombinierten biomedizinischen Prävention vor allem für Risikogebiete angesehen.“

    http://www.zis-online.com/dat/artikel/2013_12_786.pdf

    In ebenjener hervorragenden Analyse von Pekarek wird auch auf das Märchen der Todesfälle und Komplikationen umfassend eingegangen.

    Der einzige Pseudowissenschaftler ist Felix Riedel.

  • Felix Riedel

    Herr Schwarzmann denkt immer wieder, ich würde mit ihm „diskutieren“, während er auf dem Recht zur Unverschämtheit beharrt und noch nie auf ein Argument einging. Daher wieder nur für Mitlesende:
    Die großen pädiatrischen Organisationen der meisten Industriestaaten lehnen die „präventive“ Beschneidung ab.

    http://www.dgkj.de/presse/meldung/meldungsdetail/pressemitteilung_der_dakj/

    „Daten aus der westlichen Welt unterstützen die Annahme nicht, dass die Beschneidung von Jungen eine Ausbreitung von HIV/AIDS oder anderer sexuell übertragbaren Erkrankungen eindämmen könnte. Dieser Erkrankungen sind in den USA, wo etwa 75-80 % aller Männer beschnitten sind, viel häufiger als in Europa mit einer Beschneidungsrate von 5-10 %. Die Beschneidung ist eindeutig keine wirksame allgemeine Vorbeugemaßnahme gegen HIV/AIDS oder andere sexuell übertragbaren Erkrankungen. “

    Wenn er nun wieder einmal eine Studie zitiert, in der von „Impfung“ gesprochen wird (als würde eine Impfung zugelassen werden mit derartigen Folgen), verweise ich nur auf Nr. 1 im Text oben.

    Man kann so tun, als seien Beschneidungsgegner jeweils „einzige Pseudowissenschaftler“ – inklusive ganzer verfasster Ärzteschaften. Oder man stellt sich halt dem eigenen quälenden Zweifel über die Behauptung, dass ohne Beschneidung das Judentum untergehe. Würde man das ernsthaft glauben, man wäre nicht darauf angewiesen, zu begrüßen, dass Millionen Afrikanern unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Vorhaut entfernt wird, um sich davon zu überzeugen, dass vor 3000 Jahre eine „chirurgische Impfung“ gegen HIV entwickelt wurde. Ein ähnlich invasives Massenexperiment gegen alle Fakten hätte im Westen keine Chance mehr – mit Afrikanern kann man es offenbar machen.

  • Joachim Kretschmann

    Für Juden sind die Geschichten im Tanach die Geschichte des Lebendigen Gottes mit seinem Volk. Darum bedeutet die Beschneidung der 8 Tage alten Säuglinge viel, viel mehr als z.B. der Fischaufkleber auf dem Autoheck bei Christen: Es ist das erste aller Gebote, von Gott eingesetzt als Bundeszeichen noch bevor überhaupt die 10 Gebote gegeben worden waren, und zugleich die Aufnahme des kleinen Jungen in den ewigen Bund Gottes. Wer seinen Sohn nicht beschneiden lässt, stellt sich außerhalb dieses Bundes. Die Beschneidung zu verbieten ist tausend mal schlimmer, als z.B. Robert Lewandowski nur noch mit neutral weißem Trikot für den FC Bayern spielen zu lassen, ja es bedeutet den Diebstahl der Identität, die in Gott und der Torah ihre alleinige Bestimmung hat. Wer Jüdischen Eltern verbietet, ihren Sohn beschneiden zu lassen, der zwingt sie zum Bundesbruch mit Gott. Alle Eltern wünschen sich nur das Beste für die eigenen Kinder – was kann es besseres geben, als sein Kind Gott zu weihen? Denn bei all den Entscheidungen, die Eltern Tag für Tag für ihre Kinder treffen müssen, sollten gerade jene mit Ewigkeitscharakter ihnen nicht untersagt werden! Schließlich wird hier kein Kind körperlich misshandelt, wird dieser Eingriff ja selbst von der Weltgesundheitsorganisation als eine Präventivmaßnahme den Eltern empfohlen.
    Aus der Beschneidungswindel wird im Übrigen bei vielen Familien der Torawimpel (Mappa) mit persönlichem Segensspruch gefertigt, welchen der Junge schließlich bei seinem ersten Synagogenbesuch der Gemeinde widmet.
    Nun gibt es besonders falsche Zeitgenossen, die einen weiteren Weg gefunden haben, auf die Jüdische Gemeinde in Deutschland zu spucken und dabei auch noch so tun, als sei dies ein fairer Kompromiss: Sie schlagen den Eltern vor, dass sie ihren Sohn entweder „körperlich unversehrt“ lassen sollen, wie es ja deutsches Recht vorsieht, und zwar bis er selber alt genug ist, um sich für oder gegen eine Beschneidung zu entscheiden, oder aber eben ins Ausland zu gehen, wo die Beschneidung ohnehin straffrei ist.
    Doch was steckt hinter dieser scheinheiligen Fassade? Im Mittelalter zeichneten die Feinde der Juden das Zerrbild vom Bösen Juden, der kleine Kinder schlachtet und deren Blut trinkt. Heute taucht dasselbe verlogene Bild wieder auf, indem man jüdischen Eltern unterstellt, sie würden kleine wehrlose Kindern körperlich misshandeln und wegen ihres religiösen Eifers in einer blutigen Zeremonie dauerhaften Schaden zufügen.
    Was ist denn der Mittelpunkt des religiösen Lebens, ja der Mittelpunkt vieler jüdischer Familien überhaupt? Es ist die Synagoge. Sie ist mehr als nur eine Art kultureller Treffpunkt. Sie ist das Herzstück der jüdischen Gemeinde. Und dort wird nicht nur geheiratet, gefeiert, ja überhaupt die eigene Kultur und der Glaube der Väter gelebt, nein gerade hier soll, ja muss das Leben seinen Anfang nehmen als Teil der großen jüdischen Familie. Darum scheint es geradezu wie ein Brandanschlag auf das jüdische Leben überhaupt, wenn man fordert, dass die Beschneidung ausgerechnet nicht hier geschehen darf!
    Wer die Beschneidung verbietet, ja allein wer schon fordert, diese zumindest im Ausland vorzunehmen, der stellt das jüdische Leben in Deutschland als ganzes in Frage. Ist es nicht ein Widerspruch in sich, auf der einen Seite groß in der Presse zu berichten, wenn wieder mal eine Synagoge neu gebaut oder renoviert wurde, nicht selten mit staatlicher Unterstützung, und auf der anderen aber gleichzeitig den Anfang eines kleinen zarten Lebens in der Synagoge zu torpedieren? Mehr Verlogenheit geht wirklich nicht mehr!
    Als deutscher Christ kann ich nur hoffen, dass es wegen einer solchen verlogenen und hinterhältigen Diskussion niemals soweit kommt, dass Jüdische Eltern in Gewissenskonflikten geraten, weil sie sich gegen deutsches Gesetz stellen zu müssten, um Gottes Gesetz zu gehorchen.

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