Kommentar von Honestly Concerned
KOMMENTAR EINES GEMEINDEMITGLIEDS:
Ich hatte länger kontempliert, ob ich zu internen Frankfurter Gemeindeangelegenheiten Stellung nehmen sollte, halte es aber nun, da der Streit öffentlich geworden ist, doch für nötig dies nicht völlig unkommentiert zu lassen.
Chabad ist seit gut 30 Jahren in Frankfurt aktiv. Es gibt viele sehr gute Aktivitäten, die Chabad in dieser Zeit auf den Weg gebracht hat. Und über Jahre hinweg waren Chabadmitglieder in verschiedenen Positionen in der Gemeinde beschäftigt. Dies hat auch dazu geführt, daß die Organisation viele Anhänger über die Zeit für sich gewinnen konnte. Gleichzeitig gibt es aber viel, was Durchschnittsgemeindemitglieder in der Zeit nicht mitbekommen haben, insbesondere in der Zeit nach dem Ausscheiden des vorherigen Gemeinderabbiners Klein.
Es gab Gesprächs- und Vermittlungsversuche und es gab Kompromisse die angeboten wurden. Leider scheint es so, als ob eine Seite durch das Ausscheiden von Rav Klein meinte in die Position gekommen zu sein, neue Rollen innerhalb der Gemeinde einfordern zu können. Gleichzeitig wurden die neuen Gemeinderabbiner bei jeder Gelegenheit untergraben - zuerst Rabbiner Folger (der mittlerweile Oberrabiner in Wien ist), in Sachen Kashrut, und zuletzt Rabbiner Appel, den man mit Ausdrücken beleidigte, die man seine ärgsten Feind nicht nennen sollte - schon gar nicht ein Jude einen anderen Juden.
Trotzdem wurde Chabad während dieser Zeit von Seiten der Gemeinde für lange Zeit weiter bei Aktivitäten unterstützt. Doch scheint nichts davon genug gewesen zu sein. Es wurde bei jeder Gelegenheit weiter eskaliert und neue Vermittlungsgespräche - aus welchen Gründen auch immer - auch über andere angesehene Rabbiner - ausgeschlagen. Eine Spaltung der Gemeinde wurde dabei billigend in Kauf genommen (– ist vielleicht sogar gewollt). Und während die beiden neuen Frankfurter Gemeinderabbiner zunehmend eigene Aktivitäten entwickelten und die Rollen ausüben wollten, für die sie von der Gemeinde für die Gemeinde eingestellt wurden, verstärkte sich die Mißgunst, die Respektlosigkeit und das völlig unnötige und zum Teil kindische Konkurrenzdenken. Beim Kerzenzünden am Opernplatz an Channuka, wurde der anwesende Gemeinderabbiner - zum ersten Mal in der Geschichte seit dem Einführen dieser wunderbaren Tradition - öffentlich und in völliger Respektlosigkeit übergangen und ignoriert. An Purim wurde den beiden Gemeinderabbinern der Zugang zur Bima (dem Vorbetpult) versperrt und vergangenen Shabbat wurden die Gemeinderabbiner wieder daran gehindert auf der Bima aus der Tora vorzulesen, mit Berufung auf ein "Gewohnheitsrecht", obgleich die Gemeinde schon vorher mitgeteilt hatte, dass die Gemeinderabbiner diese Aufgabe erfüllen würden. Was folgte war eine Unterbrechung des Gottesdienstes, eine völlig unwürdige Schreierei, eine Szene, die anwesende Gemeindemitglieder schockierte, und die zu einer weiteren Spaltung innerhalb der Gemeinde führte. Und dies sind nur 3 Beispiele - die so genannte "Spitze des Eisbergs".
Selten ist bei einem Streit eine Seite alleine Schuld. Sicher ist dies auch hier nicht der Fall und sicher haben beide Seiten ihre Argumente. Als Gemeindemitglied interessieren mich diese eigentlich nicht. Mich interessieren ein Fortbestand unserer bislang vorbildlichen Einheitsgemeinde und ein würdevoller, respektvoller Umgang miteinander. Wenn eine Seite auch nach vielfacher Aufforderung nicht dazu fähig ist und sich gegen die Entscheidung des mehrheitlich und demokratisch gewählten Vorstands der Gemeinde stellt und deren Entscheidungen, einschließlich der Einstellung der beiden Gemeinderabbiner, nicht akzeptiert, dann ist dies für mich – trotz meines ausdrücklichen Respekts für BEIDE Seiten – nicht hinnehmbar.
Es erfüllt mich mit Schmerz und Sorge zu sehen, wie Gemeindemitglieder meinen Partei ergreifen zu müssen, obgleich die wenigsten ausreichend Einblick und Informationen haben, um dies zu tun. Auch ich maße mir absolut nicht an den Finger alleine auf eine Seite zu zeigen. Das wäre sicher nicht gerechtfertigt, doch maße ich mir an, mir Frieden für meine Gemeinde zu wünschen. Dabei interessieren mich nicht, die mit Geschick formulierten Polemiken und Ausflüchtungen einer Seite, noch die für einen Außenstehenden nicht nachvollziehbaren und als zu extrem erscheinenden Entscheidungen der anderen Seite (siehe https://goo.gl/QjLbyL und https://goo.gl/QV1nGb). Beide Seiten mögen Fehler gemacht haben, oder auch nicht. Alles was mich interessiert ist das Ergebnis für unsere Gemeinde und der Frieden in der Gemeinschaft.
In diesem Sinne appelliere ich nicht nur an beide Seiten nochmals zu versuchen eine Gesprächs- und Kompromissbasis zu finden – vor allem die Seite, die bislang nicht zu Vermittlungsgesprächen bereit ist – und zum anderen ersuche ich alle Gemeindemitglieder, vor allem diejenigen die eine Spaltung der Gemeinde finanziell unterstützen würden, zu versuchen dies durch ihre Mittel zu verhindern. Lasst Euch bei einer Spaltung der Gemeinde nicht instrumentalisieren und nützt stattdessen Euren Einfluss um Druck aufzubauen, was zu einem Einlenken der Streithähne führen könnte. 30 Jahre lang konnte man als Einheit fungieren. Sicher geht es hier um Macht und natürlich gibt es auch erhebliche finanzielle Interessen. Doch unser Interesse muß der Frieden und Zusammenhalt unserer Gemeinde sein. In diesem Sinne, lasst Euch - und schon gar nicht Eure großzügigen Spenden - dazu missbrauchen eine unnötige und nur von einer Seite gewünschte Spaltung herbei zu führen.
Und nochmals, ich haben großen Respekt vor BEIDEN Seiten, aber für mich ist der Punkt erreicht zu sagen: Es reicht! Darüber hinaus haben wir eine funktionierende Gemeinde mit ihren Gremien, in denen ganz normal Anträge gestellt werden können und über die Mittelvergabe, etc. diskutiert und abgestimmt werden kann. Es gibt ausreichend Möglichkeiten eine weitere Spaltung zu verhindern. In diesem Sinne, lasst uns überlegen, was jeder einzelne von uns zum Frieden unserer Gemeinde beitragen kann.
- 22.03.2017
- Honestly Concerned e.V.
- 15 Kommentare
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15 Kommentare
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Stefan Joel Holfert
Zum Antworten anmeldenDann wird sich die Gemeinde so wie in Dresden trennen. Chabad Dresden stellt auch eine eigene Gemeinde dar.
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Lisa Hope
Zum Antworten anmeldenWie funktioniert es in Dresden oder Berlin mit Steuern? Wie finanzieren sich die Chabad-Gemeinden?
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Hannelore Hansen
Zum Antworten anmeldenUnd in HH Bistriski ist mit Havlin verschwägert. Ein anderer Schwager ist auch in HH tätig.
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Stefan Joel Holfert
Zum Antworten anmeldenDas ist eine Familie. Shneor Havlin in Dresden. Sein Schwager Raw Teichtal in Berlin und Yosef Havlin in Frankfurt.
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Simone Hofmann
Zum Antworten anmeldenIch denke, es ist so wichtig sich gegenseitig zu respektieren. Wir haben es mit so vielen Problemen von außen zu tun, dass wir das von innen nicht brauchen. Gegenseitiger Respekt ist die Zauberformel. Auch wenn das bedeutet über seinen eigenen Schatten zu springen. Das beweist Größe und Weisheit. Alles andere ist das genaue Gegenteil davon. Die einen sind nicht besser oder schlechter als die anderen. Nur anders und das gilt es eben zu respektieren. Ich bin auch nicht immer mit allem einverstanden, aber es gibt doch gewissen Regeln, an die sich jeder halten sollte.
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Adrian Adi Josepovici
Zum Antworten anmeldenLieber Sascha, dieses Thema ist sicherlich mit Bedacht und Vorsicht zu betrachten und es gibt bei solchen Differenzen leider nur Verlierer. Aber das letzte was es braucht ist eine Diskussion im Facebook.
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Daniil Gelfand
Zum Antworten anmeldenIch finde es wird zu wenig informiert. Die Gemeindemitglieder haben das recht alle Hintergründe zu erfahren.
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Sacha Stawski
Zum Antworten anmeldenNicht ich habe das ganze auf Facebook und in die Jüdische Allgemeine gebracht…! Und auch wenn ich dir zustimme, dass so etwas nicht unbedingt auf Facebook gehört, so ist es doch ein Streit der absichtlich in die Öffentlichkeit getragen wurde und unwissende werden hier manipuliert und aufgestachelt . Das ist noch weniger richtig und wenn man eine Spaltung vermeiden möchte, dann muss man auch mal bereit sein über den eigenen Schatten zu springen und Position zu beziehen!
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Simone Hofmann
Ich denke, dass beide Seiten das Ihre dazu beigetragen haben. Und beide Seiten keine Unschuldslämmer sind. Vielleicht ist das wirklich der Moment, ein Chabad Zentrum wie es in Berlin steht auch in Frankfurt zu verwirklichen. Ich persönlich glaube ganz ehrlich, dass das für die Mitglieder der Gemeinde nur eine Bereicherung sein kann. Jeder könnte dann frei entscheiden wohin er oder sie gehen möchte. Die Einheitsgemeinde schließt eine Chabad Synagoge ja nicht aus. Die Gemeinde hat nun einmal hier das Hausrecht und das gilt es natürlich zu respektieren genauso wie man den oder die Gemeinderabbiner respektieren muss. Manchmal muss ein Bruch stattfinden, damit etwas Neues entsteht. Das Eine darf das Andere allerdings nicht ausschließen.