Iran: Zu viel Öl, zu wenig Benzin

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Iran: Zu viel Öl, zu wenig Benzin*

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

 Am vergangenen Mittwoch sollen in verschiedenen iranischen Städten Dutzende von Tankstellen in Brand gesteckt und Geschäfte geplündert worden sein. Es waren spontane und gewalttätige Reaktionen auf die lang angekündigte Rationierung des Benzins. Ab sofort dürfen Privatleute pro Monat nur noch 100 Liter Benzin für acht Cent pro Liter Normalbenzin und 11 Cent für Super kaufen.


Der Freitagsprediger sieht es anders als das Volk

Der Teheraner Freitagsprediger ist der Meinung, dass die Rationierung des Benzins im Interesse aller Iraner sei. Einige Iraner verstehen dennoch die Welt nicht mehr. Ahmadinejad ist mit dem Versprechen an die Macht gekommen, den Armen zu helfen. Nun wird allen Iranern der Benzinhahn zugedreht. Sogar der Benzinverbrauch von Taxifahrern wurde auf 800 Liter pro Monat eingeschränkt. Und jede Privatperson, die mehr als 100 Liter im Monat verbraucht, soll ungefähr das Vierfache des subventionierten Preises zahlen.

Die Straßen der Städte sollen sich schon seit Mittwoch geleert haben. An Tankstellen des zweitgrößten ölproduzierenden OPEC-Landes gibt es lange Schlangen. Nicht nur einfache Konsumenten haben protestiert, auch Taxi- und Transportunternehmen haben in verschiedenen Städten ihrem Unwillen Luft verschafft.

Islamistischer Pauperismus

Said Leylar, Kolumnist der reformislamistischen Zeitung Sharq, kritisiert die mangelnde Wirtschaftsplanung. Beispielsweise habe in den letzten neun Jahren der Iran 400 Milliarden Dollar Deviseneinnahmen gehabt, aber nur Neid sei davon übrig geblieben. Im Klartext heißt es, dass niemand genau weiß wohin das Geld geflossen ist. Zudem habe die neue Regierung günstigere Preise versprochen, nun rationiere man sogar die Benzinpreise.

Ohne einen Namen zu nennen, schreibt er, dass diejenigen, die gesagt haben, die Wirtschaft gehöre den vierbeinigen Tieren, nun Frage und Antwort stehen müssten. Es war kein Geringerer als Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, der bemerkt hatte, dass die Wirtschaft den Eseln gehöre.
Leylar kritisierte, die Regierung könne langfristig noch nicht einmal gewährleisten, dass täglich 40 Millionen Liter Benzin importiert werden, was ca. 25 Millionen Dollar kosten würde.

Leylar kritisiert weiterhin, dass eine konfrontative Außenpolitik den Interessen einer abhängigen Ölwirtschaft, wie der des Iran, widerspreche. Dennoch predigt auch der Kritiker den energiepolitischen Pauperismus und schreibt von der Notwenigkeit der Senkung des Benzinkonsums. Man müsse den staatlichen Plan zwar korrigieren, aber aus wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Gründen sei die Senkung des Energiekonsums schon von den Reformpolitikern gefordert worden. Weniger Benzinverbrauch würde sogar dazu beitragen, dass Hunderte neue Stellen geschaffen werden. Aber er begründet nicht, warum die Wirtschaft wachse, wenn alle weniger Benzin verbrauchen. Dafür argumentiert er sogar ökologisch, denn weniger Benzinkonsum würde die Umwelt schützen, was dann die islamische Version von zurück zur Natur bedeuten würde.

Der Autor warnt davor, dass eines Tages Wasser, Strom, Transport auch Flugtickets rationiert werden könnten, wenn das Konzept einer freien Wirtschaft nicht verfolgt werde. Da die Linksislamisten, also die Reformer, im Iran für die freie Marktwirtschaft und die Rechtsislamisten für staatliche Wirtschaftsplanung sind, schlägt der Reformer vor, dass die Benzinpreise besser über den Markt reguliert werden müssten, das heißt teuerer werden. Ahmadinejad hat den Benzinkonsum aber für alle verknappt, wahrscheinlich weil er auch den Armen, die sich das für iranische Verhältnisse teuere Benzin nicht leisten können, den Spaß am Autofahren nicht verderben will.

Keine Technologie für Raffinerien, aber einen geschlossenen Atomkreislauf

Am 26. Mai 1908 schoss die erste Ölfontäne aus iranischem Boden. William d´Arcy und ein britisches Konsortium hatten das Know How der Ölsuche und der Bohrung in den Iran gebracht. Die Anglo-Persian Oil Company baute im Jahre 1914 eine 210 Kilometer lange Pipeline von Masjide Suleyman nach Abadan am persischen Golf und ließ dort eine Raffinerie errichten, die 2400 Barrel pro Tag verarbeiten konnte. Nach mehr als 90 Jahren ist der Iran heute immer noch auf die Technologie aus dem Ausland beim Ausbau der Raffineriekapazitäten angewiesen. Dabei stammen 85 Prozent der Deviseneinnahmen des Iran aus dem Ölexport, ein einträgliches Geschäft für die Staatsbürokraten.

Anfang August 2006 wurde nun ein Joint Venture mit der Volksrepublik China abgeschlossen, um die Raffinerietechnologie zu modernisieren. Immerhin sind 2,7 Milliarden US Dollar bei dem Gemeinschaftsunternehmen im Spiel. Innerhalb von drei Jahren soll die Treibstoffproduktion der Raffinerie von Arak auf etwa 16 Millionen Liter pro Tag steigen. Die Briten sind auch noch im Rennen. Foster Wheeler will rund 1,7 Milliarden US Dollar investieren, denn der lokale Verbrauch von etwa 72 Millionen Liter am Tag kann kaum gedeckt werden. Der Iran produziert zwar täglich 4,2 Millionen Barrel Öl, jährlich muss der Staat dennoch bis zu 5,9 Milliarden Euro für Benzin-Importe ausgeben. Iran importiert Benzin gegenwärtig unter anderem aus Indien, Niederlande, Singapur, Türkei, Griechenland, Taiwan, um nur einige der Benzinlieferländer zu nennen.

Iran hat die zweitgrößten Erdgasreserven und die drittgrößten Erdölreserven der Welt, kann aber den eigenen Benzinbedarf nicht decken. Wofür braucht der Iran eigentlich einen geschlossenen Atomkreis? Für Energiegewinnung? Ökonomisch kaum sinnvoll.

Rechnet die iranische Regierung etwa mit einer Verschärfung des außenpolitischen Konfliktes und diszipliniert das eigene Volk mit sozialem und wirtschaftlichem Druck und setzt dabei doch auf die offene Option der Atombombe?

Die Ironie des Satirikers

Ebrahim Nabawi schrieb in Roozonline eine Satire in Bezug auf die Benzinrevolten, die sich so zusammenfassen lässt: Es sehe so aus, als ob die lieben Iraner zwar gut protestieren könnten, aber anstatt, dass sie gegen die Fehlplanungen der Regierung demonstrierten, würden sie ihr Eigentum in Brand stecken. Die Iraner seien zwar bereit sogar Gefängnisstrafe in Kauf zu nehmen, wenn sie gegen Benzinpreiserhöhungen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen protestierten, aber wenn es um die Lösung wichtiger Probleme ginge, würden sie lieber zu Hause bleiben.

Sogar die iranischen Sicherheitskräfte gingen ständig gegen die falschen Personen vor. Zumal die einen Iraner nur glauben zu protestieren und die anderen nicht denken, wenn sie protestieren. Und die Majlessmitglieder, gemeint sind die Mitglieder des islamistischen Parlaments, seien ebenfalls nicht entschieden. Zunächst haben sie die Benzinrationierung bewilligt, jetzt wollten sie diese vielleicht wieder rückgängig machen. Seit langer Zeit sei bekannt gewesen, dass die Benzinrationierung komme, die Polizei sei aber gegen die unislamische Bekleidung der Frauen vorgegangen, anstatt sich auf die Proteste im Hinblich auf die Benzinprobleme vorzubereiten.

Der Exilsatiriker meint, dass die Bevölkerung eigentlich genau dieselbe Selbstmordstrategie verfolge, wie ihr Präsident Ahmadinejad. Beispielsweise sei ein Brandstifter, der kürzlich eine Tankstelle anzünden wollte selber in Brand geraten. Dieselbe Politik verfolge doch auch Ahmadinejad, denn seine Politik könnte dazu führen, dass der Iran bald in Flammen steht. Bisher befürwortete Nabawi ein Regimechange in Iran, aber nach den Benzinprotesten habe er sich gefragt, ob er vielleicht doch nicht in den Iran zurückkehren und sich nicht bei den Sicherheitskräften bewerben sollte, um sich mehr um die armen Iraner zu kümmern.

 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 


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