Am 9. Juli 2007 wurden nach offiziellen Angaben 16 Akademiker und Schüler verhaftet. Sechs der Studenten hatten vor den Toren der Amirkabir-Universität um 6.00 morgens einen Sitzstreik begonnen und sich mit den in Haft sitzenden Studenten solidarisiert. Um 7.30 wurden sie verhaftet.
Um Ca. 11.00 wurden weitere 10 Schüler, Studenten und Wissenschaftler verhaftet, die sich im Büro der Studentenorganisation „Tahkime Wahdat”, „Festigung der Einheit” aufhielten. Der Zentralrat der studentischen Organisation veröffentlichte am selben Tag eine Protesterklärung, in der die Freilassung aller verhafteten Studenten, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt hatten, gefordert wurde. Sie befinden sich gegenwärtig im Teheraner Gefängnis.
„Es sind keine Studenten. Es sind Drogensüchtige”
Der Sprecher der iranischen Judikative, Aliresa Jamshidi, stellte gegenüber der Presse die Behauptung auf, dass die Verhafteten überhaupt „keine Studenten” seien. Sie hätten sich „an Diskussionen, die die Sicherheitsfragen des Landes betreffen, beteiligt und illegale Schritte unternommen.”
Ein Augenzeuge berichtet, dass plötzlich das gelbe Fahrzeug einer Polizei-Spezialeinheit vor das Gebäude der Studentenorganisation vorgefahren sei. Eine ältere Frau habe die Schaulustigen vertrieben. Ein Offizier habe auf die Fragen der Bevölkerung hin gesagt, dass sie die „Aufgabe haben Drogensüchtige aufzusammeln.”
Diese sind jedoch zunächst in eine Polizeistation, die speziell für „Aufstandsbekämpfung” zuständig ist, gebracht worden und befinden sich inzwischen in dem berüchtigten Evin-Gefängnis. Insgesamt sollen in den letzten Tagen sogar mehr als 16 Studenten verhaftet worden sein. Parallel zu diesen Verhaftungen wurde auch der Arbeiterführer Mansour Osanlou von Zivilpolizisten regelrecht entführt.
Alle in Iran erscheinenden Medien sind von den staatlichen Instanzen aufgefordert worden, „keine inoffiziellen Informationen” zu übermitteln, berichtet Rooz. Nur diejenigen Informationen dürften weiter gegeben werden, die offiziell von Staatswegen verkündet werden.
Ex-Universitätsdirektor erinnert an die „islamische Kulturrevolution”
Dr. Mohammad Maleki, der erste Direktor der Teheraner Universität nach der islamischen Revolution und inzwischen ein Dissident lieferte eine Analyse der Lage der iranischen Universitäten. Er hat zwar schon unter dem Schah für die Freiheit der Universitäten gekämpft, aber die neue islamische Unfreiheit hat Maleki zufolge mit der islamischen Revolution begonnen.
Er erinnert an die „islamische Kulturrevolution” und die „Säuberungen der Universitäten” und führt diese auf die Entstehung von zwei wichtigen islamistischen Flügeln, die bis heute das Machtsystem bestimmen, zurück. Die linksislamistische Organisation der „Mojahedin der islamischen Revolution”, die heute als eine Reformorganisation auftritt, habe zu Beginn der Revolution alle sicherheitspolitischen und geheimdienstlichen Organe unter ihre Kontrolle gebracht, während die Islamischrepublikanische Partei die politischen Organe beherrscht habe.
Diese zwei Organe hätten vom Beginn der islamischen Revolution an die Machtzentren des Staates, wie den Revolutionsrat kontrolliert. Die Universitäten seien langsam aber sicher institutionell islamisiert worden. Maleki schreibt, dass seit den Anfängen der Gründung der Islamischen Republik die „Unabhängigkeit der Universitäten nicht geduldet wurde.” Studentische Anhänger der zwei genannten islamistischen Fraktionen haben nicht nur am 4.11.1979 die US-amerikanische Botschaft besetzt, sondern hätten sich auch für die erfolgreiche Durchführung der „islamischen Kulturrevolution” eingesetzt, woraufhin am 4. Juni 1980 die Universitäten geschlossen wurden, weil sie sich gegen die Islamisierung gewehrt haben. Und am 22.9.1980 begann der Iran-Irak-Krieg, der faktisch die Legitimation für die Vernichtung der systemfremden Opposition lieferte. Die Universitäten blieben bis 1983 geschlossen. In dieser Zeit wurden Organisationen, wie „akademische Jihad”, „Studentische Bassiji-Gruppen” und die studentische Organisation der Tahkime Wahdat gegründet.
Prof. Maleki berichtet, dass über Jahre ideologisch hörige Studenten mit staatlichen Geldern Studienplätze bekommen haben. Erst zu Beginn der 90er Jahre sei eine neue Generation von Studenten entstanden, die langsam die staatliche Ideologie in Frage stellten und den Machthabern nicht einfach glaubten.
Maleki erinnert aber auch daran, dass der Ex-Präsident Khatami nie Position für die Studenten bezogen habe. Tatsächlich hat sich die Studentenbewegung immer mehr verselbständigt. Maleki schreibt: „Wir haben gesehen, wie die Studenten zwei verführende Präsidenten, Khatami und Ahmadinejad aus der Universität herausgeworfen haben.” Tatsächlich bezeichneten sie Khatami, der im Universitätsgelände mit ihnen diskutieren wollte, als Lügner und Ahmadinejad wurde ausgebuht.
Maleki schreibt: „Ich sage es immer wieder, auch wenn sie nicht nur einmal, sondern Dutzende von Malen gegen die Universität putschen, auch wenn sie von „Kulturrevolution” sprechen, werden die „Studenten immer wieder gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit kämpfen.”
Studentische Fragen an die Diktatur
Zwar verurteilte auch der Zentralrat der reformorientierten „Partizipationsfront” die Verhaftung der Studenten, aber immer mehr Stimmen machen deutlich, dass im Rahmen der Islamischen Republik Iran eine Demokratisierung der Gesellschaft nicht möglich ist.
In einer Erklärung des „islamischen Vereins der Teheraner Hochschule für Wirtschaft” heißt es: „Die Unterdrückung der Studentenbewegung gehört immer noch zu den Prioritäten der staatlichen Maßnahmen.” Die Studenten forderten die Freilassung aller verhafteten Studenten und fragten: „Wie lange noch soll diese despotische Politik fortgesetzt werden? Wie viele Studenten wollen sie noch verhaften?”
*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.
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