Iranische Kurden im Hungerstreik
von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
In iranischen Gefängnissen befinden sich 54 Kurden im Hungerstreik. Andersdenkende sind im Iran bedroht. Auch das Apostasiegesetz wurde vom islamischen Pseudo-Parlament ratifiziert.
Die Lage der iranischen Kurden ist prekär. Das kann niemand leugnen. Taqi Rahmani ist ein Aktivist der Nationalreligiösen Bewegung, die zwar den ersten Ministerpräsidenten unter Khomeini, Mehdi Basargan, stellte, aber bald faktisch verboten wurde. Als Organisationsmitglieder der Nationalreligiösen können ihre Kandidaten, die laut Khomeini einen amerikanischen Islam verfechten, nicht an den Wahlen teilnehmen. Rahmani ging in einem Interview am 10. September mit der Exilzeitung Rooz auf die Lage der Kurden im iranischen Vielvölkerstaat ein.
Zum Hintergrund: Im Iran leben neben der kurdischen Minderheit die Mehrheitsbevölkerung der Perser sowie die Minderheiten der Aserbaidschaner, Araber, Turkmenen, Luren und Belutschen.
Periphere und Zentrum im Gottesstaat
Rahmani spricht von einer Kluft, die zwischen der „Peripherie und dem Zentrum” im Iran existiere. Viele Provinzen seien kaum industrialisiert. Eine der größten Errungenschaften in Kurdistan stelle beispielsweise der Handel mit Grenzstaaten dar, also mit dem Irak, der Türkei und Armenien. Dies ist positiv. Negativ wirkt sich die Migration in das Zentrum aus, nach Teheran. Viele junge Kurden seien in die Hauptstadt ausgewandert, um dort Arbeit zu finden. Zwar hat es im islamischen Madschless, das euphemistisch auch „Parlament” genannt wird, unter Khatami einen Kurden gegeben, aber es sei beispielsweise kein einziger Belutschi dort vertreten. Auch die Sunniten sind im schiitischen Staat benachteiligt. Rahmani hebt hervor, dass in Teheran noch nicht einmal eine sunnitische Moschee existiere. Die Sunniten dürften auch nicht in mehrheitlich von Sunniten bewohnten Städten von den Minaretten ihrer Moscheen aus zum Gebet rufen.
Rahmani stellt fest, dass die Regierung von Ahmadinejad sehr hart gegen die Zivilgesellschaft vorgehe. Zu Unrecht seien viele hingerichtet worden.
Roozonline berichtete am 8. September von der illegalen Verhaftung des Lehrers und des Journalisten Masud Kurdpour. Mehr als vier Wochen seien inzwischen seit seiner Verhaftung vergangen. Bisher habe jedoch keine offizielle Instanz erklärt, warum er verhaftet worden ist. Kurdpour sitze immer noch in der Stadt Mahabad in Einzelhaft in einem Gefängnis des Geheimdienstes. Kurdpour sei schwer gefoltert worden und sein gesundheitlicher Zustand sei katastrophal.
Die Zerstörung der kurdischen Identität in iranischen Gefängnissen
Seit knapp zwei Wochen befinden sich ferner mindestens 54 kurdische Gefangene in verschiedenen iranischen Gefängnissen im Hungerstreik. Die Gefängnisse befinden sich in den Städten Sanandaj, Saghes, Urumiyeh und Teheran. Die Kurden wollen auch im Gefängnis ihren Widerstand fortsetzen, schreibt Rooz.
In einer Erklärung haben sich die politischen kurdischen Gefangenen zu Wort gemeldet.
Sie kritisieren darin die herrschende Macht im Iran, die dabei sei alle philosphischen, gesellschaftlichen und politischen Kräfte, die der Macht entgegentreten, zu unterdrücken. Die kurdischen Gefangenen sprechen von einer zweifachen Unterdrückung. Es gehe nicht nur darum einen Menschen gefangen zu nehmen. Im Zuge des Anspruchs, in der Gefangenschaft einen neuen Menschen zu schaffen, soll die Identität der Inhaftierten zerstört werden, bis hin zur Tötung des Gefangenen. Der Anspruch der Schaffung eines neuen Menschen verwandle sich in Zerstörung eines Menschen und dessen Geschichte. Daher müsse der Widerstand auf beiden Ebenen zur Geltung kommen. Mit dem Hungerstreik soll sowohl das Gefängnis und die politische Inhaftierung als auch der Versuch der Zerstörung des Menschen bekämpft werden.
Die Erklärung der kurdischen Gefangenen geht auch auf die spezifische Diskriminierung der Kurden ein. Die doppelte Unterdrückung der Gefangennahme und der Zerstörung der Identität, beziehe sich besonders auf ihre kurdische Identität, die zerstört werden solle.
Die kurdischen Gefangenen, die in den Gefängnissen der Islamischen „Republik” Iran, um ihre Identität, aber auch um ihre Freiheitsvorstellungen kämpfen, wollen nicht aufgeben.
Systematische Ermordung von Andersdenkenden legalisiert
Das iranische Pseudo-Parlament hat die Strafgesetzgebung, die für Apostasie die Todesstrafe vorsieht, ratifiziert. 196 Majless-Mitglieder stimmten mit ja, sieben mit nein und zwei Personen enthielten sich der Stimme. Nun können Menschen, die keine Muslime mehr sein wollen oder Andersdenkende, die von einem islamischen Gericht als Apostaten eingestuft werden, ganz legal und systematisch hingerichtet werden.
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