Besorgniserregendes Strafgesetz im Iran

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Besorgniserregendes Strafgesetz im Iran 

 

Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE

 

Eine Neuauflage der islamischen Strafgesetzgebung ist im iranischen „Parlament“ in der ersten Runde mit einer absoluten Mehrheit ratifiziert worden. Abtrünnige sollen hingerichtet werden dürfen. Das Leben von Hunderttausenden ist in Gefahr.

Wie die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA berichtete, wurde im islamischen „Parlament“ über das Strafgesetz, das 428 Artikel beinhaltet, abgestimmt: 196 Mitglieder stimmten mit ja, 7 mit nein und 2 Personen enthielten sich der Stimme.

Zwar sollen einzelne Formulierungen und Detailfragen in einer weiteren Runde diskutiert und womöglich verändert werden, aber die Maßnahmen gegen Andersdenkende und Andersgläubige werden kaum revidiert werden können. Darüber herrscht Einigkeit. Tatsächlich wird nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes eine Änderung im Rahmen der Islamischen „Republik“ Iran nicht so bald möglich sein. Auf lange Zeit sollen dann Körperamputationen, Peitschenhiebe, Folter und Hinrichtung als vermeintlicher göttlicher Wille durchgesetzt werden.
Die ratifizierte Fassung ist sogar verschärft worden. Abtrünnige sollen noch nicht einmal mehr die Möglichkeit bekommen abzuschwören und zum Islam zurückzukehren. Von der Idee, dass „im Glauben kein Zwang“ bestehe , so wie es im heiligen Buch der Muslime steht, kann im Iran seit 30 Jahren nicht mehr die Rede sein.

Christenverfolgung

Die Nachrichtenagentur Farsi Christian News Network schrieb in einem Leitartikel, dass das ratifizierte islamische Strafgesetz der Anfang vom Ende der Religionsfreiheit und der Menschenrechte im Iran sei. Das Gesetz stelle die wahre islamische Gerechtigkeit dar. Hunderttausende Iraner mit einem muslimischen Hintergrund riskierten nun den Galgen, so die ernst zu nehmende Stimme eines iranischen Christen. Gegenwärtig sind drei iranische Christen, Mahmoud Matin und Arash Bassirat in Schiras, ferner Ramtin Sudmand in Mashad von einer Hinrichtung bedroht, weil sie als Abtrünnige bestraft werden sollen.
Für Abtrünnige ist die Todesstrafe vorgesehen. In Artikel 225-1 heißt es, wenn ein Muslim ausdrücklich bekannt gibt aus dem Islam ausgetreten zu sein, ist er ein Abtrünniger. Ein „geborener“ Abtrünniger ist jemand, dessen Mutter oder Vater zum Zeitpunkt der Embryonalbildung Muslim war. Wenn diese Person nun als erwachsener Muslim aus dem Islam heraustritt, wird er nach Artikel 225-4 „geborener“ Abtrünniger genannt. Nach 225-7 ist für den „geborenen“ Abtrünnigen die Todesstrafe vorgsehen.
Ein „nationaler Abtrünniger“ ist ein Mensch, dessen Eltern bei seiner Embryonalbildung keine Muslime waren, dieser als Erwachsener eine Zeitlang als Muslim auftritt, dann aber vom islamischen Glauben abschwört.

Atheisten und Frauen, die die islamische Kleiderordnung nicht beachten, können als Apostaten verurteilt werden

Es kann festgehalten werden, dass das Gesetz der Apostasie zwar schon immer im Islam existiert hat, aber zum ersten Mal soll dieses Gesetz systematisch als konsequent auszuführendes staatliches Gesetz durchgesetzt werden.
Ayatollah Tehrani erklärte schon am 26. Juli 2008 auf seiner Website, dass als ein Abtrünniger auch gelte, wer die Existenz Gottes ablehnt, die Vorstellung der körperlichen Auferstehung und das Leben nach dem Tode nicht akzeptiert. Abtrünniger sei auch ein religiöser Mensch, der zwar an Gott glaubt, aber nicht an den Propheten Mohammad. Er gelte als Kafir, Ungläubiger und damit als Abtrünniger.
Wenn ein Muslim dem widerspreche, dass die Verschleierung der Frauen eine notwendige Pflicht ist, gilt die Person als Ungläubige und damit als Abtrünnige. Auch wenn sich jemand über die Religion lustig mache, könne als Abtrünniger verurteilt werden. Hinrichtungen dürfen nach Artikel 224 Prophetenbeleidigung vollzogen werden. Ein deutliches Beispiel sei das Todesurteil von Imam Khomeini gegen Salman Rushdie. Er habe nicht direkt den Islam verleugnet, habe aber den
Propheten beleidigt.
Wird also Rushdies Todesurteil ein Modell für weitere Todesurteile?

Todesstrafe für Homosexuelle, Peitschenhiebe für Lesben und das Blutgesetz

Es ist bekannt, dass im Islam das Blutgeld, ein vom Täter oder seiner Familie aufzubringender finanzieller Ausgleich für den Tod oder den Schaden eines Opfers, für Frauen und Männer unterschiedlich hoch ausfällt. Nun soll lediglich bei Straßenverkehrsunfällen das Blutgeld einer Frau mit dem eines Mannes gleich gestellt werden, berichtete am 10. September die Wirtschaftszeitung Donyae Eqtesad.
Nach Artikel 422-3 ist beispielsweise festgeschrieben, dass eine Gleichheit des Blutgeldes nur dann auftrete, wenn es sich um höchstens 1/3 des gesamten Blutgeldes handle. Ansonsten gelte das islamische Gesetz, dass das Blutgeld der Frau halb so viel wert ist, wie das eines Mannes. Beim Ehebruch, der die Todesstrafe nach sich ziehen kann, wird das Verständnis der Gleichberechtigung besonders deutlich. Da gelten vier weibliche Zeugen so viel wie die Stimme von zwei Männern.

Nach Artikel 221-18 bis 221-20 ist für männliche Homosexualität die Todesstrafe vorgesehen. Falls der Mann jedoch gesteht, dass er weniger als vier Mal einen „widerrechtlichen Geschlechtsverkehr“ hatte, bekommt er 70 Peitschenhiebe. Zwei Lesben, die miteinander einen widerrechtlichen Geschlechtsverkehr haben, werden zu 74 Peitschenhieben verurteilt. Wenn mehrere Frauen unter einer Decke erwischt würden, gäbe es für jede Frau 99 Peitschenhiebe.

Ein Gesetz nicht nur für Iraner

In der neuen Strafgesetzgebung sollen auch harte Strafen in punkto nationaler Sicherheit erlassen werden. Davon betroffen sind nicht nur Weblogger im Iran und nicht nur Iraner im In- und Ausland Nicht-Iraner im In- und insbesondere auch im Ausland.
Beispielsweise werde sich ein Iraner oder ein Ausländer nach Artikel 112.3 „strafbar“ machen, wenn er oder sie gegen den iranischen Staat und gegen die „nationale Sicherheit“ des Iran handle. Aus dem bisherigen Umgang mit iranischen Andersdenkenden ist bekannt, dass eine Protestaktion gegen Menschenrechtsverletzungen ausreichen könnte, um sich einen solchen Vorwurf einzuhandeln. Nun würden sich nicht nur dänische Karikaturisten oder ein Salman Rushdie schuldig machen, sondern jede Kritik der Diktatur, auch von einem europäischen Intellektuellen formuliert, würde geahndet werden. Einem kritischen europäischen Journalisten sei daher empfohlen in Zukunft besser nicht in den Iran zu reisen.
Zur staatlichen Willkür der Strafverkündung kommt die Möglichkeit der systematischen Verhaftung bis zur Hinrichtung im Inland hinzu, da die Gesetze so ausgelegt werden können, dass jeder Kritiker als Feind gegen den Islam, gegen Gott oder gegen den Staat bestraft werden kann.

Die deutsche Politik schweigt, wegen Marktinteressen

Die Verfolgung der religiösen Minderheit der Bahai nimmt neue Ausmaße an. Beim Teheraner Freitagsgebet am 19. September sammelten religiöse Fanatiker Unterschriften gegen die Bahai im Iran. Ihre Forderungen lautete, die Versammlungen der Bahai-Gemeinden endgültig zu unterbinden. Die Unterschriften wurden der Staatsanwaltschaft übergeben. Die Bahai-Administration ist im Iran ohnehin seit 30 Jahren verboten. Die Gemeindemitglieder treffen sich bestenfalls in privaten Räumen zum Gebet.

Während die deutsche Regierung und die deutschen Politiker zu diesen gefährlichen Entwicklungen im Iran schweigen, hat die US-Kommission für internationale Religionsfreiheit eine Erklärung abgegeben und von einer Bedrohung der iranischen Gesellschaft gesprochen. Es wird zu Recht davor gewarnt, dass wenn dieses Gesetz, das im vorletzten Stadium ratifiziert worden ist, in Kürze umgesetzt sein wird, Angehörige vieler religiöser Minderheiten mit der Todesstrafe bestraft werden könnten.

 

 


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