Iranische Feste und Proteste

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Iranische Feste und Proteste
 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
Das Nowruzfest ist ein altes iranisches Neujahrsfest. Nowruz heißt der neue Tag. Es wird seit über 2500 Jahren im Iran gefeiert. Heute wird dieser Tag immer mehr zu einem Tag des iranischen Widerstandes gegen die islamistische Herrschaft.

Das neue iranische Jahr 1388 fängt am 21. März an. Die Feierlichkeiten beginnen jedoch schon am letzten Dienstagabend des alten Jahres.

Chaharshanbesuri ist ein altiranisches, vorislamisches Fest, das von der iranischen Bevölkerung heute noch massenhaft gefeiert wird. Am letzten Dienstagabend des Jahres wird auf den Straßen ein kleines Feuer angezündet, Kinder und Erwachsene, Frauen und Männer springen über die Flammen und singen: „Du gibst mir das Gelb und ich dir die Röte.“ Das Feuer, das leuchtende Gelb und die glühende rote Farbe gehören in der langen alten Tradition der Iraner zum Leben und besonders zum Frühling, wenn die Natur wieder zu leben beginnt.

Eine Art von Passionsspiel

Seit Jahrhunderten ziehen sich an diesem Tag junge Iraner und Iranerinnen einen Schleier auch übers Gesicht, damit sie nicht gesehen werden. Sie gehen von Haus zu Haus und klopfen an die Türen ihrer Nachbarn und schlagen mit zwei Löffeln aufeinander. Man nennt diese Tradition, Qashoqsani, Löffelschlagen, und die Hausherren geben dann den klopfenden unangemeldeten Besuchern an der Tür Süßigkeiten.

Es heißt, manche iranische Mädchen hoffen an einem solchen Tag leichter einen freundlichen Mann kennen zu lernen und ihn zu heiraten. Es heißt auch, dass die Mädchen sich auf die Straßen stellen und der zufällig gesprochenen Rede eines passierenden Mannes heimlich zuhören, um dann daraus mögliche Schlussfolgerungen für ihre eigene Zukunft zu ziehen, was einer Art von Passionsspiel gleich kommt.

Großayatollah gegen nationales Fest

Großayatollah Makrem Shirazi ist der Meinung, dass das Feuerfest, das am letzten Dienstag des Jahres begangen wird, Chaharshanbesuri, auf „Aberglauben“ zurückzuführen sei, wie Farsnews am 16.3.2009 berichtete. An einem solchen Tag würden „Jugendliche unwürdige Schritte unternehmen.“ Ayatollah Makarem Schirazi sagte: „Dieses Fest hat keinen Platz in der islamischen Kultur“. Er fuhr fort: „Der geehrte Prophet des Islam hat zu Beginn seiner Botschaft einige arabische Sitten, die auf Unwissenheit zurückzuführen sind, abgelehnt. Wir müssen auch gegen diese falschen Sitten des Chaharshanbesuri Widerstand leisten und dieses Fest abschaffen.“

Er argumentiert nicht gegen das Nowruzfest, das iranische Neujahresfest an sich. In der Tat konnten die Islamisten in den letzten 30 Jahren dieses iranische Fest nicht abschaffen. Sehr wohl wollte der Revolutionsführer Ayatollah Khomeini zu Beginn der islamischen Revolution von 1979 nicht nur das Neujahrsfest, sondern sogar das Schachspiel abschaffen, da das Schachspiel doch einen König habe und mit Königen spielt man nicht. Aber auch dies gelang den Islamisten letztlich nicht. Immerhin ist das Schachspiel ursprünglich ein iranisches Spiel.

Das Fest als Nein zur Islamischen Republik

Farsnews ging in einem anderen Bericht so weit zu argumentieren, dass die Sitte, dass Knaller und Raketen bei diesem Fest abgeschossen würden, eigentlich überhaupt nichts mit dem alten Iran zu tun habe, sondern aus China importiert worden sei.

Tatsache ist, dass auch in diesem Jahr dieses altiranische Fest von vielen Iranern als ein Nein zur „Islamischen Republik“ gefeiert wurde. Die Menschen tanzten in nicht besonders islamischer Manier auf den Straßen iranischer Städte und sangen Lieder. Im Feuer des altiranischen Festes sollen auch viele Iraner Photos von gegenwärtigen iranischen Machthabern öffentlich verbrannt haben, berichten iranische Exilmedien. Iranpressnews berichtete, dass Tausende im gesamten Iran von Sicherheitskräften verhaftet worden seien. Ein nationaler Festtag hat sich erneut in einen Tag des Protests gegen das islamische Regime verwandelt, berichten iranische Medien.

Religiöser Formalismus gegen iranische Kultur

Hassan Jussefi Eschkewari, früher Kleriker, geht in diesem Zusammenhang auf die Geschichte der arabischen Eroberung des Iran und dessen Islamisierung ein. Eschkewari erklärt, dass die Araber vor etwa 1000 Jahren zwar das alte Rechtssystem des Iran teilweise übernahmen, weil sie selbst keine Gerichtsbarkeit in Form von Gerichten kannten, aber stets Schwierigkeiten hatten die iranische Mythologie zu respektieren und zu akzeptieren. Eschkewari schreibt, dass nur Hochkulturen Mythologien schaffen und die arabische Welt damals keine Mythologien kannte wie sie im Iran verfasst wurden. Für manche arabische Herrscher galten daher das „Nowruzfest“, das Neujahresfest, oder „Chaharshanbesuri“, das Feuerfest, die alle auf Traditionen der altiranischen Religion Zarathustras zurückgehen, lediglich als „Aberglauben“.

Eschkewari erinnert aber auch daran, dass es Ausnahmen gab, beispielsweise habe der schiitische Imam Ali durchaus eine positive Haltung gegenüber den altiranischen Zeremonien, Festlichkeiten und Mythologien gehabt. Dennoch seien bis heute auch besonders als gelehrt geltende Kleriker, wie Morteza Motahari, ein Lehrer des Ex-Präsidenten Mohammad Khatami, gegenüber den iranischen Mythologien besonders negativ eingestellt. Beispielsweise habe Motahari das Feuerfest als „dumm“ bezeichnet. Für Jussefi Eschkewari ist diese negative Reaktion gegenüber den alten iranischen Traditionen und Mythologien nur ein Beweis für dessen „religiösen Formalismus“.

Der Stellenwert der Symbolik in der iranischen Kultur

Eschkewari fährt fort und meint, dass „diese Leute“, er meint den herrschenden Klerus, die gesamten alten iranischen Traditionen, die von deren Definition des Islam abweichen als „falsch“ abstempeln. Eschkewari betont den Stellenwert der Symbolik in der iranischen Kultur und Literatur. Symbole haben demnach die alten Mythologien besonders geprägt. Diese existieren Eschkewari zufolge auch im Islam und man könne doch nicht alle alten Mythologien als „dumm“ bezeichnen.

Eschkewari erinnert, dass die altiranischen Feste zum Erbe eines alten Volkes gehören. Jeder Iraner müsse die Erinnerung an die alten nationalen Traditionen festhalten. Das Feuer sei ein altes Symbol der altpersischen Religion Zarathustras. Das Symbol des Feuers sei aber schon immer von Muslimen mit Misstrauen betrachtet worden. Feuer und Licht seien aber in der alten persischen Kultur ein Leben spendendes Symbol. Eschkewari meint, dass auch Mythologien wahr seien und nicht wie manche behaupten würden „irrationaler Aberglauben“.

Auch die ursprünglich aus dem Iran stammende Religionsgemeinschaft der Bahai feiert weltweit das iranische Neujahresfest, in einer Form, die nicht mehr nur auf den alten Iran bezogen ist, sondern Bestandteil einer neuen Weltreligion geworden ist. Für die Bahai ist der 21. März ein Festtag. Über fünf Millionen Bahai, ob Afrikaner, Inder oder Europäer, ob Chinesen, Japaner oder Lateinamerikaner, feiern am 21. März den ersten Tag des Jahres 166 des Bahai-Kalenders.

 


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