Kolumne Iran aktuell – Staatliche Verbrechen im Iran

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Kolumne Iran aktuell
Staatliche Verbrechen im Iran


Von Dr. Wahied Wahdat-Hagh
12. Februar 2010, 12:39 Uhr

Die Menschenrechtsorganisation „Iran Human Rights Documentation Center“ hat in New York einen neuen bewegenden Bericht vorgelegt. Darin werden massive Menschenrechtsverletzungen seit der Wiederwahl des Präsidenten Ahmadinedschad am 12. Juni 2009 nachgewiesen.

Im neuen Bericht des Iran Human Rights Documentation Center (IHRDC) kommen Zeugen zu Wort.

Menschen, die von staatlichen Agenten in iranischen Gefängnissen gefoltert und vergewaltigt worden sind. Viele von ihnen wollen aus Angst vor Verfolgung nicht namentlich erwähnt werden.

Die Autoren des 128-seitigen Berichts gehen zunächst ausführlich auf die landesweiten Proteste nach der zehnten Präsidentschaftswahl im Juni 2009 ein. Die Motive der Demonstranten waren deutlich: Sie warfen den Machthabern Wahlbetrug vor. Präsidentschaftskandidat Moussavi erklärte sich zum Sieger, die Regierung gab dagegen bekannt, dass Ahmadinedschad mit 62 Prozent der Stimmen gewonnen habe. Das iranische Regime griff hart gegen protestierende Demonstranten durch, sogar elektronische Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone und Internet wurden zeitweise heruntergefahren. Ausländischen Journalisten wurde es verboten, über die Proteste zu berichten. Hunderte einheimische Journalisten wurden verhaftet und eingeschüchtert. In den ersten Wochen nach der Wahl wurden nach offiziellen Angaben rund 4000 Menschen verhaftet. Im Juni wurden mindestens 30 Menschen getötet, berichtet IHRDC. Eine noch unbekannte Zahl von Gefangenen sei infolge der Verletzungen durch Vergewaltigung und Folter gestorben.

Die Schauprozesse

Anfang August 2009 begann eine neue Reihe von Schauprozessen in Teheran. Die IHRDC liefert ausführliche Informationen über die Massen-Schauprozesse und vergleicht diese mit den stalinistischen Schauprozessen. Die Autoren des Berichts erinnern auch daran, dass das Pahlavi-Regime vor der Revolution solche „Taktiken“ benutzt habe. Tatsächlich haben Schauprozesse eine eigene Geschichte im Iran: Zu Beginn der Revolution von 1979 wurden säkulare Intellektuelle, die der revolutionären linken Bewegung angehörten, im Fernsehen dem Volk vorgeführt. Manche bereuten ihre Taten und wurden dennoch erbarmungslos hingerichtet. In dem Menschenrechtsbericht ist die Sprache von fünf Massen-Schauprozessen, in denen einige namhafte Reformintellektuelle, Royalisten und Volksmodschahedin, Intellektuelle, denen man vorwirft umstürzlerische Ziele zu verfolgen, im Staatsfernsehen vorgeführt wurden.

Dem IHRDC-Bericht zufolge sind die Schauprozesse noch nicht einmal mit dem iranischen Rechtssystem vereinbar und erst recht nicht mit dem Völkerrecht. Denn Gefangene haben auch im Iran ein Recht auf einen Anwalt eigener Wahl, auch das Prinzip der Unschuldsvermutung müsse eingehalten werden, was mitnichten in solchen Prozessen der Fall sei.

Paramilitärische Bassiji wurden vor der Wahl mobilisiert

In den Monaten nach der Wahl wurden von Ahmadinejad Dutzende Studentenführer, Gewerkschafter, Frauen- und Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Oppositionelle willkürlich verhaftet.

Paramilitärische Bassiji waren lange vor den Wahlen vom 12. Juni 2009 mobilisiert worden. Die IHRDC zitiert Zeugen, die beschreiben, wie Bassij-Motorradfahrer Demonstranten brutal und willkürlich verletzen. Besonders hart sollen die Bassij-Einheiten gegen Frauen vorgegangen sein.

Laut dem IHRDC-Bericht gibt es im Iran rund 400.000 Bassiji, ca. 90.000 von ihnen sind in ständigem Einsatz und 300.000 sind Bassiji-Reservisten. Es werde auch davon ausgegangen, dass bis zu 1 Mio. Bassiji mobilisiert werden könnten, wenn auch die studentischen Bassiji-Einheiten einberufen würden. Die Bassij werden von den Revolutionsgardisten befehligt.

Vergewaltigungen und Folter

Authentische Zeugen berichten, wie Studentenheime angegriffen wurden. Eine Studentin berichtet von sexuellen Vergewaltigungen bei den Überfällen in den studentischen Einrichtungen. Manche sollen zu Tode geprügelt worden sein, mit elektrischen Schlagstöcken, im übrigen made in Germany.

Mindestens zwei Studenten sollen allein im Juni 2009 im Campus eines Teheraner Studentenheims ermordet worden sein. Auch in einem weiteren Studentenheim in Schiras sollen in den ersten Tagen nach der umstrittenen Wahl zwei Studenten gezielt getötet worden sein. Die Angriffe auf die Studenten in Schiraz sollen so brutal gewesen sein, dass der Universitätsdirektor aus Protest zurücktrat. Am 20. Juni, wurde Neda Agha-Soltan auf offener Straße ermordet. Sie wurde zur Symbolfigur des Widerstandes und der „Opfer“ des Regimes.

Sogar Bürger Griechenlands, Kanadas, Frankreichs, der USA und Ortsangestellte der britischen Botschaft in Teheran wurden verhaftet.

Der Bericht stellt fest, dass sowohl nach dem herrschenden islamischen Gesetz im Iran als auch nach den internationalen Menschenrechtsnormen der „Opposition“ ein Demonstrationsrecht gegeben werden müsse. Dieses Demonstrationsrecht werde zwar den Anhängern von Ahmadinedschad gegeben, aber nicht den Anhängern seiner Rivalen. Dieser Fakt sei eine eindeutige Rechtsverletzung. An der Stelle muss hinzugefügt werden, dass die säkulare Opposition schon kurz nach der Revolution von 1979 eliminiert worden ist.

Verbrechen gegen Menschlichkeit

In dem Bericht wird davor gewarnt, dass wenn festgestellt werde, dass Folter, Morde, das Verschwindenlassen von Menschen systematisch und weit verbreitet in der „Islamischen Republik Iran“ praktiziert werde und die staatlichen Täter bewusst gehandelt haben, ein Fall der Verletzung des Völkerrechts vorläge. Der Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit werde dadurch erfüllt.

Insgesamt tragen laut IHRDC der Revolutionsführer Ali Khamenei, Präsident Ahmadinejad, führende Beamte der Revolutionsgardisten und der Bassij, so wie der Polizei (NAJA), aber auch die Leitung der iranischen Justiz die Verantwortung für das harte Vorgehen gegen Demonstranten und den sadistischen Umgang mit Gefangenen.

Die IHRDC will durch die Dokumentation und Analyse von Menschenrechtsverletzungen und durch die Identifizierung von denjenigen Führern, die für die Verbrechen im Iran verantwortlich sind, für Haftbarkeit sorgen.

Der in Kanada lehrende Völkerrechtsprofessor Payam Akhavan, der im Vorstand der IHRDC mitwirkt, schrieb in einem Mail-Interview, dass „Iran kein Unterzeichnerstaat des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC) ist und wenn sogar der UN-Sicherheitsrat nicht bereit sei den Fall anzunehmen, bald eine andere Regierung im Iran herrschen werde. Um eine Kultur der Herrschaft des Gesetzes und des Respekts vor Menschenrechten abzusichern, müssen glaubwürdige Gerichtsverfahren eingeleitet werden, entweder vor nationalen Gerichten oder einem internationalen Gericht.“ Prof. Akhavan plädiert zudem für eine „Wiederversöhnungskommission“, um die Probleme des Iran historisch aufzuarbeiten.

Der Tag Gottes

Im Vorfeld des Jahrestages der Islamischen Revolution wurden einige iranische Journalisten verhaftet. „Jomullah“, „Tag Gottes“ heißt der 11. Februar. Am 11.2.2010 sollen iranische Polizisten auf iranische Demonstranten, die gegen die gegenwärtig im Iran herrschende Diktatur demonstriert haben, sogar geschossen haben.

Besonders sollen die Bassiji gegen junge Frauen vorgegangen sein. Auch der Präsidentschaftskandidat Karoubi und die Frau des Präsidentschaftskandidaten Moussavi wurden angegriffen und geschlagen. Staatliche Medien berichteten, dass Herr Moussavi verschleiert vom Ort der Demonstrationen geflohen sei, um unerkannt zu bleiben. Demonstranten berichteten mit Kurzfilmen, die mit Mobiltelefonen aufgenommen worden sind, von einer faktischen militärischen Belagerung mancher Bezirke der Hauptstadt Teheran.

Die Verfolgung der Baha’i ist besonders besorgniserregend

Im Vorfeld des sogenannten „Tag Gottes“ wurden mehrere Baha’i in Teheran verhaftet. Wie die Human Rights Activists berichten, wurden am 10. Januar sechs Bahai willkürlich verhaftet. Am 3. Januar 2010 waren 10 Baha’i verhaftet worden.

Das gerichtliche Verfahren – das eher einer Farce entspricht als einem legalen Prozeß – gegen die sieben Führungsmitglieder der Bahai-Gemeinde ist nach einer kurzen Sitzung am 7.2.2010 erneut auf ein unbekanntes Datum verschoben worden.

 

 

 


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