Syrische Armee stürmt Jisr Al-Shugur

  • 0

Jerusalem, 10. Juni 2011
Obgleich die Kleinstadt Jisr Al-Shugur inzwischen eine Geisterstadt ist, weil die 44.000 Bewohner geflohen sind, rückt die syrische Armee laut syrischem Staatsfernsehen „auf Bitten der Familien, die Sicherheit wieder herzustellen“ mit Dutzenden Panzern ein, um die Stadt von „bewaffneten Verbrecherbanden zu befreien“. Ausländische Journalisten werden in Syrien nicht geduldet und syrische Reporter sind weitgehend ausgesperrt. Deshalb  ist das Bild von den Vorgängen rund um Jisr Al-Shugur so bruchstückhaft und wenig stimmig.  Angeblich sind 5.000 syrische Soldaten mitsamt Panzern am Sturm auf die Stadt Jisr Al-Shugur beteiligt.
Bis Freitag Mittag seien 2792 Syrer über die Grenze in die Türkei geflüchtet, wo sie in Lagern des Roten Halbmonds Aufnahme finden. Das berichtet die türkische Nachrichtenagentur Anatolia. Die Verletzten werden behandelt. Andere Bewohner der umzingelten Stadt seien bei Verwandten und in umliegenden Dörfern untergekommen.
CNN beruft sich auf einen „Oppositions-Aktivisten“, Yusuf Mohamad Ali Hassan, der von einem Hügel aus beobachtet, wie Panzer das Dorf Sirmaniya mit mehreren Granaten pro Minute angreifen. Das Dorf liegt nur 10 Kilometer von Jisr Al-Shugur entfernt, wo inzwischen Panik ausgebrochen sei. Das syrische Regime habe laut CNN der Stadt Jisr Al-Shugur „Rache“ geschworen, nachdem „bewaffnete Banden“ dort am Wochenende 120 Polizisten oder Soldaten ermordet hätten. Es ist immer noch unklar, wer da wen aus welchen Motiven erschossen hat. Möglicherweise wurden da Meuterer mit Kopfschüssen hingerichtet.
Der wahlkämpfende türkische Premierminister Tayyip Erdogan, der am Sonntag eine dritte Regierungskadenz erringen könnte, hatte bisher zu den Vorgängen in Syrien geschwiegen, zumal er Syrien und besonders Präsident Bashar Assad zu einem engen Verbündeten gemacht hat. Doch angesichts der Vorgänge, die auch seinen möglichen Wählern nicht entgehen, sagte er am Freitag: „Leider handelt (das Assad Regime) in unmenschlicher Weise. Die derzeitige Brutalität…Schaut Euch die Bilder der in hässlicher Weise getöteten Frauen an. Die Bilder sind ungenießbar und schwer zu verdauen. Ich habe vor fünf Stunden mit Assad gesprochen. Aber der schätzt die Lage nicht richtig ein.“ Das Zitat hat die britische Zeitung Guardian veröffentlicht.
Die Türkei hat im Rahmen der Annäherung an Syrien (und Abkehr von Israel) einen visumsfreien Grenzverkehr vereinbart. Jetzt erwägt Ankara angesichts der Flüchtlingsströme, eine „Pufferzone“ entlang der Grenze einzurichten.
Reem Haddad, die Sprecherin des syrischen Informationsministeriums, wird von der Zeitung schon als die syrische Version des damaligen Sprechers von Saddam Hussein im Irak, Comical Ali, lächerlich gemacht, weil sie gegenüber BBC behauptet hatte: „Die Menschen von Jisr Al-Shugur fliehen vor den bewaffneten Banden, den die Armee ist doch (noch) gar nicht in der Stadt. Sie besuchen ihre Verwandten jenseits der Grenze in der Türkei.“
Der arabische TV-Sender Al-Dschesira zeigte jedoch Filmaufnahmen, die angeblich syrische Soldaten in Jisr Al-Shugur zeigen, wie sie Demonstranten treten und auf ihnen herumtrampeln.
Während das offizielle Israel zu den Vorgängen in Syrien schweigt, behaupten israelische Experten, dass Assads Regime zunehmend seine Legitimität innerhalb der Bevölkerung Syrien verliere. Je mehr Tote es gibt und je härter die Armee gegen Demonstranten vorgeht, desto heftiger und umfassender wird der Widerstand gegen das Regime im Homs, Hama und anderswo. Wegen der Vorgänge an der israelischen Grenze auf den Golanhöhen habe Assad inzwischen auch die palästinensischen Flüchtlinge als seine engsten Verbündeten im Lande verloren.

(C) Ulrich W. Sahm


Hinterlasse eine Antwort