München, 30.07.2015 – Die eindeutige Mehrheit im Münchner Stadtrat hat sich gegen ein Projekt ausgesprochen, das die Wunden der Opfer erneut mit Füßen treten wollte. Diese Stadträtinnen und Stadträte haben richtig erkannt, dass diese Form einen Trugschluss im Gedenken darstellt. Als überwältigende Mehrheit haben sie diesen Trugschluss zu seinem notwendigen Ende geführt. Ebenso haben sie in der Debatte klargemacht, dass sie klar differenzieren zwischen einer persönlichen Ablehnung und der Auffassung einer Repräsentantin wie Charlotte Knobloch. Das hilft, schlimmen Theorien zu undemokratischer Einflussnahme und weiterer Diffamierung den Boden zu entziehen.
Zwei Stadträte (Linke, Rosa Liste) sprachen leider davon, „dass es zahlreiche weitere Opfergruppen gäbe und deshalb der jüdische Einwand gegen Stolpersteine nicht so schwer wiegen könne“. Des weiteren, „dass sich eine Lagerhierarchie nicht wiederholen dürfe“. Wir lehnen diese mit hiermit eingeführte Hierarchisierung von Opfern der Shoah in aller Entschiedenheit ab! Offenbar sehen sich Befürworter der Steine selbst als Opfer (dann wohl 2. Klasse, weil sie ja nichts am eigenen Leib erlitten haben). Ist das ein schwerer Fall von Überidentifikation !
Durch die weise Entscheidung der Mehrheit der Stadträte sehen wir, eine Gruppe von Überlebenden der Shoah, ihren Nachkommen wie auch Nichtjuden, uns so darin bestärkt, weiteren Forderungen am Telefon und Mobbing u.a. im Internet standzuhalten.
Jeder Widerspruch gegen diese – nun dritte – mehrheitliche Entscheidung verstößt gegen die Regeln der Demokratie.
Wir sind stolz auf unsere Stadt und tragen gerne dazu bei, in München respektvolle Gedenkprojekte zu realisieren.
Was hat der Kulturreferent Herr Dr. Küppers in seiner Vorlage zu reflektieren versäumt?
- Er hat mit fragwürdigen Begründungen argumentiert. Die von T. Swartzberg eingebrachte Online-Petition mit weltweit gesammelten Unterschriften von Menschen, denen die Schatten in den Abläufen nicht bekannt sein dürften, kann keine Grundlage für ein Stadtratsvotum vor Ort sein. Zudem kann ein Wunsch nach Selbstbestimmung bürgerschaftlich engagierter Gruppen, wie der Kulturreferent anführt, nicht über die Menschenwürde eines NS-Opfers gestellt werden. Dies nicht zu reflektieren, leistet Beliebigkeit und einem egomanischen Element im Stolperstein-Projekt Vorschub. Ein Mensch, an dessen Schicksal erinnert werden soll, darf nicht in den Hintergrund geraten, weil der Aktionismus einer Gruppe ihn übertönt.
- Darauf aufbauend hat der Kulturreferent eine fragwürdige Institutionalisierung vorgeschlagen. Das betrifft Recherche-Services des Stadtarchivs, was schon bis dato Fehler und Ungenauigkeiten nicht in dem Projekt bisher verhindern konnte. Das betrifft auch die Zusammensetzung und die Aufteilung der Rechte in einer Fachjury. Wir sehen nicht die gebotene Distanz zu den Kritikpunkten am Stolperstein-Projekt.
Was sind unsere wichtigsten Kritikpunkte am Stolperstein-Projekt?
- Boden
Ein Projekt mit dem Ziel Gedenken bedient sich der Methoden der Nazis. Kritikern an der Form erwidert man, dass eine Ablehnung Neonazis Raum geben würde. Fakt ist aber, dass diese Form Stolpersteine nicht vor Fußtritten und Schändung geschützt werden können, ebenso wenig wie die Juden und anderen Opfer in der Zeit des NS-Terrors. Für eine große Zahl von Shoah-Überlebenden, ihren Angehörigen und Nachkommen wiederholen sich so diese Schandtaten der Nazis heute mit den Namen der Toten. Das verletzt erneut. So empfinden auch Nichtjuden, die zu diesem Thema sensibilisiert sind. Gibt es heute, 2015, keinen anderen Ort als den Boden, um an ermordete Menschen der Shoah zu erinnern?
- Inschrift
Der kurze Text auf den Stolpersteinen reduziert einen Menschen auf das Mindeste. Als wäre das nicht genug, werden teilweise sogar Begriffe im Nazijargon verwendet wie „Rassenschande“, „Kleinkriminelle“ oder „Gewohnheitsverbrecher”. Dies ist eine zweite Stigmatisierung der Getöteten, leider typisch für die Attribute, die das Stolperstein-Projekt ausmacht. Diese Verletzung wird von den Unterstützern des Projekts irritierenderweise nicht wahr genommen – auch das bedeutet eine weitere Verletzung.
- Schändungen und Diebstähle
Uns begegnen mittlerweile viele Schändungen und Diebstähle der Stolpersteine, somit kann keine Rede mehr sein von Einzelfällen. Diese Vorfälle verwundern uns nicht, die Lage am Boden macht dies leicht vorhersehbar.
- Schatten in den Abläufen
Es irritiert sehr, dass zahlreiche Angehörige nicht gefragt wurden, nicht nach ihrem Einverständnis vorab oder lediglich als Information nach dem Verlegen. Auch haben wir festgestellt, dass Befürworter des Stolperstein-Projekts oftmals unter Israelgegnern zu finden sind, die mit extrem feindlichen Äußerungen auffallen. Die veröffentlichten Zahlen und Angaben des Projekts sind ungenau und variieren ständig. Was gilt? Pausenlose, vehemente Promotion -wie auch Steine-Putz-Aktionen- verbaut redliches Gedenken und anderen Gedenkprojekten eine faire Chance. Sind Stolpersteine inzwischen ein Monopol?
Wir wünschen uns, wie die Mehrheit im Münchner Stadtrat, dass kommende Generationen in den Prozess eines respektvolles Gedenkens eingebunden sind.
Wir sehen eine hohe Qualität in der gestrigen Entscheidung, an die man sich noch oft mit großem Respekt erinnern wird und die München zum Vorbild macht.
Kontakt: Gabriella Meros, Cell: 0151 23 00 11 13 GabMeros@aol.com
Jossi Gross
Schwere Zeiten für Gunter Demnig und die sog. Stolpersteine! München und Annaberg-Buchholz lassen den Künstler abblitzen! Der hält die Debatte für absurd.