Jerusalem, 21. August 2015 – Erstmals seit dem Jom Kippur-Krieg1973 wurden von Syrien aus am Donnerstag zwei Raketen auf israelisches Territorium und zwei weitere auf die Golanhöhen abgeschossen. So wurde Israels Souveränität erstmals seit 42 Jahren militärisch durch Syrien verletzt. Israel reagierte deshalb mit harten Angriffen auf Stellungen der syrischen Armee. Ebenso hatte ein israelischer Hubschrauber gezielt einen zivilen Peugeot angegriffen, in dem vier Freischärler des Islamischen Dschihad saßen. Die hätten die Raketen aus der Nähe der Grenzstadt Kuneitra abgeschossen.
Wie der Militärkorrespondent des israelischen Fernsehens, Amir Bar Schalom, ohne Quellenangabe erklärte, hätten die Terroristen vor einigen Monaten eine Attacke auf Kibbuz Ein Siwan auf den Golanhöhen durchgeführt. Deshalb sei die Gruppe vom israelischen Geheimdienst unter Beobachtung gewesen. Am Donnerstag passierten die Kämpfer auf Weisung Iraners Said Isadi vom palästinensischen Arm der iranischen Al-Kuds-Eliteeinheiten, alle Straßensperren der syrischen Regierungstruppen auf ihrem Weg von Damaskus nach Kuneitra. Von Kuneitra aus hätten sie Katjuscha-Raketen (modernisierte Stalinorgeln aus der Sowjet Union) auf Israel abgeschossen.
Damit war den Israelis klar, dass der Iran hinter der Attacke stand und, dass eine der letzten noch intakten Einheiten der Assad-treuen syrischen Armee mit den Terroristen kooperiert habe. Weil noch dazu am hellichten Tag israelisches Kernland getroffen worden war, konnte oder musste Israel das als eine „Kriegserklärung“ Syriens auffassen.
Israel griff mit Artillerie und Kampfflugzeugen die syrischen Armeestellungen an, um eine Botschaft an Präsident Assad zu schicken. Assads Armee ist tief in den syrischen Bürgerkrieg verwickelt und teilweise aufgerieben. Die Division nahe der Grenze zu Israel auf den Golanhöhen scheint noch intakt zu sein. Sie gilt deshalb als eine der verbliebenen Stützen des bedrängten Assad-Regimes.
Israel hätte problemlos die Fähigkeit, diese Division zu zerschlagen und einen Sturz Assads zu beschleunigen. Das widerspräche den Interessen des Iran, der mit der schiitisch libanesischen Miliz Hisbollah als einziges Land der Welt noch Präsident Baschar Assad stützt. Deshalb waren die israelischen Angriffe auf die Militärstellungen von Assads Armee auch eine direkte Warnung an Iran, wie es der israelische Verteidigungsminister und Ministerpräsident Benjamin Netanjahu andeuteten.
Der gezielte Abschuss der vier oder fünf Terroristen, die in ihrem zivilen Peugeot nach Damaskus zurückkehrten, war für alle Betroffenen wohl ein Hinweis auf die exakte Aufklärungsarbeit des israelischen Geheimdienstes.
Diese Analyse des Militärreporters klingt schlüssig und entspricht Angaben aus anderen Quellen. Der erstmals offen eingestandene israelische Angriff auf Syrien wird gleichwohl nicht den vielfach herbeispekulierten „Flächenbrand“ im Nahen Osten auslösen. Denn nach vier Jahren Bürgerkrieg und einem Verlust der Kontrolle über zwei Drittel der Landfläche Syriens an Aufständische, Rebellen, IS, El Qaeda, Al Nusra und Kurden kann sich Assad kaum noch eine zusätzliche Kriegsfront gegen Israel erlauben.
Auf Querschläger des Bürgerkriegs, darunter Granaten, die auf den israelisch besetzten Golanhöhen einschlugen, hat Israel gar nicht oder nur mäßig und gezielt reagiert. Etwas anderes sind jedoch Raketenangriffe auf sein Kernland. Es ist wohl damit zu rechnen, dass dieser Schlagabtausch vorerst ohne weitere Folgen bleibt.
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