Ich habe im Jahr 2013 (manche würden es für Zufall halten, ich persönlich glaube aber nicht an Zufälle) begonnen, in der Krabbelstube einer jüdischen Gemeinde zu arbeiten. Mit der Zeit durfte ich immer tiefere Einblicke in das Leben derer bekommen, die von so vielen Menschen verachtet und gehasst werden. Vor allem aber wurde ich mit der Zeit zum Teil einer Gemeinschaft, von der man glaubte, sie würde Außenstehende bewusst von sich fernhalten. Ich konnte viel über das Leben von Juden, ihrer Religion, Kultur und ihren Traditionen lernen und begann, mich intensiver mit dem Judentum zu beschäftigen. Ich wollte mir so viel Wissen wie nur möglich aneignen, um meine jüdischen Mitmenschen besser kennenlernen und verstehen zu können. Ich las viele Bücher über das Judentum, über Israel (und den Nahost-Konflikt) und kommunizierte offene Fragen bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Es dauerte nicht lange, bis die ersten Reaktionen aus meinem Umfeld kamen. Es gab einige Menschen, die mich für meine Arbeit in jüdischen Einrichtungen oder in der Synagoge und meinen offenen Umgang mit Juden kritisierten und verurteilten. Ein junger Mann sagte mal zu mir, ich würde in die Hölle kommen, weil ich eine Kette mit einem Davidstern trug. Er war der Meinung, ich sei von meinem jüdischen Umfeld manipuliert worden. Er sah es als seine „Aufgabe“ mich vor dem Höllenfeuer zu bewahren. Dieses Beispiel ist nur eines von vielen aus den vergangenen vier Jahren. Anfangs wusste ich nicht genau mit diesen Menschen umzugehen und ließ mich oft auf Diskussionen ein, die im Nichts endeten. Mit der Zeit jedoch lernte ich, dass ich einen anderen Weg einschlagen musste, um mich nicht immer wieder für meine Arbeit, das Leben mit meinen jüdischen Mitmenschen oder meiner Solidarität mit ihnen rechtfertigen zu müssen. Dafür gab es schließlich keinen Grund. Ich fing an, mich von denjenigen zu distanzieren, die mich dafür verurteilten, dass ich ihren Hass und ihre Abneigung gegenüber Juden nicht teilte. Für mich wurde es zu einer Angelegenheit des Herzens und der Menschlichkeit, ein Zeichen gegen den Hass zu setzen. Es spielte nun keine Rolle mehr, was mein Umfeld von meiner Solidarität gegenüber Juden hielt.
Mein Name ist Seyda und ich möchte insbesondere meinen jüdischen Mitmenschen sagen, dass ich als Nichtjüdin genauso von Antisemitismus betroffen bin, wie alle Juden dieser Welt. Ihnen und allen anderen Menschen, die meinen Erfahrungsbericht lesen, möchte ich auch sagen, dass ich bewusst die Entscheidung getroffen habe, mich vom Antisemitismus betroffen zu machen und ihn nicht zu ignorieren – und das bis zu meinem letzten Atemzug.
Shalom!
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