Siedler beschimpfen deutsche Parlamentarier

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Jerusalem, 19. April 2008 – Die radikalen Siedler im Zentrum der geteilten Stadt Hebron gehen nicht zimperlich mit Besuchern um, die ihnen nicht ins Konzept passen. Das hat am vergangenen Mittwoch auch eine Delegation des Rechtsausschusses des Bundestages zu spüren bekommen. Jerzy Montag (Grüne) habe gar einen „Stoß“ erhalten, obgleich es angeblich nicht zu einem physischen Kontakt zwischen den Abgeordneten und Extremisten gekommen sei. Zwei Siedler hätten erst mit „durchdringendem Geschrei“ den Rundgang der Delegation im jüdischen Viertel zu stören versucht. Teile des Basars von Hebron gleichen mit verschlossenen Ladentüren und Gestrüpp überwachsenen Bürgersteigen einer Geisterstadt. Die Vizechefin des deutschen Vertretungsbüros in Ramallah, Gudrun Isphording, wurde angeblich als „Nazischlampe“ beschimpft.
Israelische Sicherheitskräfte erklärten der deutschen Diplomatin erklärt, dass sie nicht für die Sicherheit der Delegation garantieren könnten. Daraufhin beschlossen die Abgeordneten umgehend, Hebron zu verlassen. Zum Abschied sprühten Siedler noch Farbe auf ihre gepanzerten Diplomatenwaren. Die deutsche Botschaft in Tel Aviv formulierte eine scharfe Protestnote, während die Abgeordneten wütend ihren Besuch in Israel vorzeitig abbrachen. 
Das Auswärtige Amt in Berlin reagierte empört auf die Beleidigungen der Siedler. „Das sind sehr unschöne Vorfälle, die wir mit großem Befremden zur Kenntnis genommen haben.“ Der israelische Botschafter in Berlin Yoram Ben Zeev sprach eine Entschuldigung aus und wollte jeden Abgeordneten persönlich aufsuchen. Mit zwei von ihnen habe er schon am Donnerstag telefoniert und die „sehr unschönen Vorgänge“ bedauert.
So kurz nach einem Besuch der Bundeskanzlerin Angela Merkel in Israel, während dem sie in hohen Tönen die vorzüglichen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland in Israel lobte, herrscht nun Missstimmung.
Was genau vorgefallen ist, lässt sich wegen zu vieler widersprüchlicher Aussagen aller Seiten kaum ermitteln. Wegen Wochenende und dem jüdischen Passahfest sind zudem die israelischen Sprecher unerreichbar.
Die deutsche Botschaft in Tel Aviv habe dem israelischen Außenministerium vorab das Besuchsprogramm übermittelt, doch das Außenministerium behauptet, dass der Besuch in Hebron nicht mit israelischen Stellen koordiniert worden sei. Besuche in den besetzten Gebieten werden grundsätzlich vom Vertretungsbüro in Ramallah abgewickelt. Es ist kaum anzunehmen, dass die israelischen Sicherheitskräfte in Hebron informiert waren.
Nach Angaben des Siedlersprechers David Wilder habe Jehuda Schaul die Delegation geführt, was auch andere Stellen auf Anfrage bestätigten. Es wäre nicht das erste Mal, dass das Vertretungsbüro in Ramallah deutsche Besucher ausgerechnet von diesem israelischen anti-Siedler-Aktivisten durch das Siedlerviertel in Hebron führen lässt. Während einer früheren Tour kam es zu einer lautstarken Diskussion. Ein Siedler namens Ofer, ein Bruder von Schauls Frau, schrie: „Du Verräter hast hier mehr Araber verprügelt als alle anderen Kommandeure in Hebron und jetzt spielst du den Friedensaktivisten. Du hast weggeschaut, als neben Dir ein jüdisches Kind erstochen wurde. Du hast auf den Araber nicht einmal geschossen und ihn laufen lassen. Zwei Jahre lang suchte ihn der Geheimdienst, um ihn zu verhaften.“
Schaul, selber fromm, war zwischen 2001 und 2003 Kommandeur in Hebron. Er stammt aus einer jüdischen Familie, die 1929 während eines arabischen Massakers an der uralten jüdischen Gemeinde Hebrons vertrieben wurde. Im Privatgespräch gesteht er, selber nach Hebron ziehen zu wollen. Vorerst leitet er jedoch die von ihm gegründete Organisation „Das Schweigen brechen“. Mit ihr stellt Schaul israelische Menschenrechtsverletzungen an den Pranger, nicht aber palästinensische Verbrechen. „Als ich hier Kommandant war, zwischen 2001 und 2003, wurden täglich Juden ermordet. Unter den Palästinensern gab es kaum Opfer“, erzählt er vertraulich. Heute wirbt Schaul für Sympathie für die „unterdrückten“ Palästinenser, obgleich er im Privatgespräch rätselt, „wieso die Palästinenser nicht dem Mord an Juden Einhalt gebieten, um ihre systematische Verdrängung durch Israel zu verhindern“.
Die Führung der deutschen Abgeordneten durch den bekannten anti-Siedler-Aktivist war eine bewusste Provokation. Das Vertretungsbüro hat schon zuvor die Erfahrung gemacht. Der Zwischenfall hätte vermieden werden können, wenn die Delegation sich bei den Siedlern von Siedlern hätte rumführen lassen und nicht durch einen ihrer schärfsten Gegner.

Vor genau einem Jahr hat Ulrich W. Sahm auf Einladung des Vertretungsbüros eine Führung durch Hebron miterlebt, mit eben jenem Jehuda Schaul. Hier sein Kommentar:
http://www.n-tv.de/787528.html


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