Die Stadt der Finsternis erhält ein Gesicht

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Umm el Fachem, 30. Juni 2008 – Umm el Fachem, wörtlich „Mutter der Kohle“, wird im Arabischen auch als „Quelle der Finsternis“ verstanden. Die Einwohner der arabischen Stadt mit rund 50.000 Einwohnern zwischen Tel Aviv und Haifa nahe der Grenze zum Westjordanland gelegen, wird von ihren Bürgern eher „Stadt des Lichts“ genannt. Obgleich zum ersten Mal im Jahr 1265 als Hort von Köhlern erwähnt, war Umm el Fachem ein „weißer Fleck“ in der Landschaft, nur selten und gelegentlich fotografiert. Die ersten Fotos des Ortes, der 1944 nur 2.500 Einwohner zählte, stammen von der archäologischen Expedition des Gottlieb Schumacher 1903.
An diesem Wochenende erhielt Umm el Fachem erstmals dank seiner Kunstgalerie ein photographisches Gesicht. Der arabische Historiker Mustafa Kabha hat zusammen mit Guy Raz, einem jüdischen Fotografen und Kurator, ein fotografisches Portrait dieser arabischen Stadt mitten in Israel zusammengestellt. Mangels Stadtarchiv mussten die Bilder einzeln zusammengesucht werden. Weil Umm el Fachem weder über christliche Stätten verfügt noch Bedeutung für die jüdische Geschichte hat, hat kaum jemand Umm el Fachem dokumentiert.
Zur Eröffnung erschienen modern gekleidete arabische Frauen mit Minirock und Kopftuch, während die Männer offenbar ihren Hochzeitsanzug aus dem Schrank hervorgeholt hatten, während jüdische Israelis in Jeans und offenem Hemd kamen. Im Oktober 2000, kurz nach Ausbruch der Intifada, kam es auch in Umm el Fachem zu schweren Unruhen mit Toten. Seitdem mieden jüdische Israelis die zahllosen Restaurants und Schnellimbisse dieser arabischen Stadt aus Angst. So symbolisierte die Eröffnung dieser Ausstellung auch einen Wendepunkt der Beziehungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis.
Die ältesten Fotos von Umm el Fachem und Umgebung stammen aus Militärarchiven. Deutsche Flieger, die auf Seiten der Türken gegen die Briten kämpften, hatten erste Luftaufnahmen des Heiligen Landes gemacht, bis die Türken bei Megiddo endgültig geschlagen waren. Eine britische Luftaufnahme von 1944 zeigt Umm el Fachem als winzigen bewohnten Flecken inmitten von kahlen Hügeln, die auf einer neuen Luftaufnahme von 2007 mit einem Häusermeer übersät sind.
Der Kurator Guy Raz hat ein Jahr lang alle bekannten israelischen Fotografen um Bilder aus Umm el Fachem gebeten und zugleich die Bewohner gebeten, Hochzeitsbilder und Portraitaufnahmen bereit zu stellen. Zur Verfügung standen ihm zunächst nur Bilder der britischen Militärbehörden und der israelischen Regierung. Gemäß einem Abkommen mit Jordanien 1949 wurde das Wadi Ara Tal mitsamt Umm el Fachem von Israel übernommen und annektiert. „Wadi Ara liegt nicht auf der Route christlicher Pilger und biblischer Geschichte, während jüdische Fotografen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kein Interesse hatten, arabische Dörfer zu dokumentieren“, sagt Guy Raz.
In der Ausstellung ist neben Straßenverkauf von Äpfeln und Portraits der „Ältesten“ auch das Sportleben von Umm el Fachem dokumentiert, mitsamt dem gemeinsamen Gebet mitten auf dem Fußballfeld, wo sich die Spieler kniend gen Mekka verbeugen, sowie der Muezzin zum Gebet ruft. Zu der Ausstellung gibt es einen 288 Seiten starken dreisprachigen Katalog, auf Arabisch, Hebräisch und Englisch. Allerdings wurden da einige Bilder „zensiert“. So zum Beispiel Fotos arabischer Frauen, wie sie eine nackte Barbie-Puppe ankleiden. Die Bilder werden zwar in der Abteilung „Frauenleben“ gezeigt, wurden aber nicht in den Katalog aufgenommen.

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