Debatte um die Rolle des Wächterrats im Iran

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Debatte um die Rolle des Wächterrats im Iran

In Iran wird in diesen Tagen die Rolle des Wächterrates diskutiert. Laut iranischer Verfassung hat der Wächterrat die Aufgabe, vor den Wahlen die Kandidaten für das iranische Parlament (Majless) zu kontrollieren und nur die „richtigen“ zuzulassen. Außerdem soll er jegliche vom Islam abweichende Entscheidung des Parlaments verhindern. Damit ist er eine der zentralen Institutionen für die Macht der konservativen Islamisten im Iran Angesichts der im kommenden Frühjahr stattfindenden Parlamentswahlen hat der Wächterrat nun im ganzen Land Büros zur Überwachung der Kandidaten und Abgeordneten gegründet. Diese „Überwachungsbüros“ werden von manchen Reformislamisten als illegal bezeichnet. Das rief die Verteidiger der Funktion des Wächterrats auf den Plan. Im Folgenden dokumentieren wir die Auseinandersetzung um die Büros und die Rolle des Wächterrats:

Zunächst hatte Seyyed Abdolwahed Mussawi Lari, Staatsminister des Iran, die Überzeugung geäußert, dass die „Überwachungsbüros“ des Wächterrates illegal seien: „Unsere gesetzliche Aufgabe ist die Befolgung der Gesetze, die im Majless verabschiedet und vom Schlichtungs-und dem Wächterrat bestätigt worden sind. Die illegale Gründung der ´Überwachungsbüros´ des Wächterrates in den Provinzen und die Art und Weise, in der diese sich in die Wahlprozedur einmischen, machen uns Sorgen.“ Lari kritisierte, dass die Mitarbeiter der „Überwachungsbüros“ unkontrolliert arbeiten. Der Wächterrat solle seine Position bezüglich dieser Büros revidieren und ihre Arbeitsweise überprüfen. (1)

Vor dem Hintergrund, dass im kommenden Frühjahr im Iran die siebten Parlamentswahlen durchgeführt werden und der Wächterrat erneut Kandidaten (dis)-qualifizieren wird, erklärte der Staatsminister, dass die Disqualifizierung der Kandidaten nicht zu den Aufgaben der Institutionen des Wächterrates, sprich der „Überwachungsbüros“ gehöre. (2)

In der gleichen Ausgabe der Zeitung Entekhab erklärte dagegen mit Shahi Arbalu ein Mitglied der Minderheiten-Fraktion (Antireformfraktion) im Majless, dass die „Qualifizierung der Kandidaten und die Annullierung der Wahlen zu den Aufgaben des Wächterrates“ gehöre. Moddris Motamed, ein weiteres Majlessmitglied, fügte hinzu, für wie unwahrscheinlich er es halte, dass das Staatsministerium sich gegen die Positionen des Wächterrates behaupten könne -insbesondere gelte dies in Fragen der Qualifizierung von Kandidaten für die kommenden Wahlen. Wenn sich das Staatsministerium autonom und stur gegen den Wächterrat stelle, sei schließlich die Möglichkeit gegeben, dass der Wächterrat die abgegebenen Stimmen als ungültig erkläre und die Wahlen annulliere. (3)

Auch der Sprecher der Judikative, Qolamhossein Elham, stellte sich dann auf die Seite des Wächterrates. Er bezeichnete die Aussagen des Staatsministers als illegal und erklärte: „Die Judikative hat bisher kein Schreiben zur Blockierung der Aktivitäten der ´Überwachungsbüros´ erhalten.“ Das Gesetz gebe dem Wächterrat die Vollmacht zur Errichtung der Büros. Wer diese legalen Institutionen kritisiere, müsse dann auch das Sekretariat und das Forschungszentrum des Wächterrates als illegal erklären. (4)

Darauf reagierte der Sprecher des Staatsministeriums, Jahanbakhsh Khanjani und kritisierte den Sprecher der Judikative. Dieser könne „nicht wie ein Staatsanwalt eine öffentliche Anklage aussprechen.“ Elham sei über die Aktivitäten der ´Überwachungsbüros´ nicht genügend informiert. Auch wisse er offenbar nicht, wie weit das Aufgabengebiet des Staatsministers und der Provinzgouverneure reiche. Diese hätten nämlich das Recht die Arbeit der ´Überwachungsbüros´ zu kontrollieren. (5) Khanjani tritt damit für eine Kontrolle der Institutionen des Wächterrates durch die Provinzregierungen ein.

Zu Wort meldete sich auch der Vorsitzende der ´Gesellschaft der moslemischen Ingenieure´. Das Staatsministerium dürfe die Aktivitäten der ´Überwachungsbüros´ nicht  verhindern, da der Wächterrat in seiner von der Verfassung vorgesehenen Aufsichtsfunktion solche Institutionen führen könne. (6) Dem widersprach zuletzt Hossein Kashefi, Vorsitzender des Exekutivkomitees der ´Partizipationsfront´ [Reformflügel im Parlament] und erklärte: „Das Staatsministerium kann auf der Grundlage seiner gesetzlichen Möglichkeiten die illegalen Aktivitäten des Wächterrates verhindern“.(7)

Kashefi ist überdies davon überzeugt, dass es „besser gewesen wäre, wenn es vor der Gründung der Büros Absprachen gegeben hätte, dann müssten die Menschen jetzt nicht Zeugen dieser kontroversenAuseinandersetzung werden“. Die ´Überwachungsbüros´ seien ja, meint Kashefi und spricht so mit Blick auf die anstehenden Wahlen den machtpolitischen Hintergrund der Debatte an, in diesem Jahr zum ersten Mal seit der Revolution eingerichtet worden.

                        (1) Yaase No, 29 Juli 2003

                        (2) Entekhab, 5 August 2003

                        (3) Entekhab, 5 August 2003

                        (4) ISNA, 11 August 2003

                        (5) ISNA, 11 August 2003

                        (6) ISNA, 13 August 2003

                        (7) ISNA, 13 August 2003

 

 


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