Iran: Verbot wegen eines Interviews

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Iran: Verbot wegen eines Interviews* 

 
Wahied Wahdat-Hagh von Wahied Wahdat-Hagh, Kolumnist für WELT DEBATTE
 
 
 
Die in Kanada lebende iranische Dichterin Saqi Qahreman, wurde am 4. August von der Zeitung Sharq interviewt. Zwei Tage später wurde die Zeitung verboten. Grund: Qahreman sei eine Lesbin.

Sharq war zuvor am 11. September 2006 verboten worden – wegen einer Karikatur. Nun wurde das Verbot damit begründet, dass die bekannte iranische Dichterin Saqi Qahreman eine „konterrevolutionäre homosexuelle und verdorbene Frau sei.” Die Zeitung Aftab dokumentierte dennoch das Interview.

Die Entschuldigung des verantwortlichen Redakteurs der Zeitung, Mohamadreza Rahmanian, reichte nicht dafür aus, das Verbot zu verhindern. Er kapitulierte und erklärte, er wolle nie wieder für eine Zeitung arbeiten.

In einer Art Selbstkritik wurde ein anderer Redakteur der Zeitung Sharq von Kayhan zitiert, der behauptet habe, dass die „Homosexuellen die Redaktionen der Zeitungen unterwandert hätten.” Er entschuldigte sich für das Interview und warnte die Redakteure anderer Zeitungen vor dem Versuch der Einflussnahme „solcher Gruppen.”

Saqi Qahreman ist im Jahre 1956 in Mashad geboren und hat mehrere Gedichtsbände geschrieben. Gegenwärtig lebt sie in Kanada und gibt die Zeitschrift Cheraq heraus.

In dem Interview hob Qahreman hervor, für sie habe Emigration keine Bedeutung. Die Leser und diejenigen, die für die Zeitschrift schrieben, würden im Iran leben. Gerade sie würden Themen der Homosexualität artikulieren. Ihre Schriften, die nicht allein aus Gedichten bestünden, würden Grenzen überschreiten.

Sharq schrieb, es heißt, Saqi Qahreman würde „nicht schreien, wenn sie leidet, sondern die Gewissheiten ihres Gegenübers in Zweifel verwandeln.”

Fließende Grenzen

Die Zeitung Scharq fragte, ob sie in ihrer Dichtung die Grenzen zwischen einem „femininen Schreibstil” und einem „männlichen Schreibstil” überwinden wolle?

Qahreman antwortete, dass meistens die Protagonisten und die Antagonisten sich gegenseitig neutralisieren würden. Sie glaubt, dass sie die Grenzen des „femininen” und des „männlichen” Stils überwinden könne, da sie sich nicht in einer geschlossenen femininen Gesellschaft bewege. Sie wisse eigentlich nicht, was der Interviewer unter „männlichem und femininem Stil” verstehe. Die Unterschiede zwischen männlichen und femininen Schreibweisen müssten doch überwunden werden, „zugunsten einer Identität, die je nach Bewusstsein die Weiblichkeit und Männlichkeit identifizierbar mache.”

Die menschliche Identität müsse sich doch von der Uniformität befreien und zulassen, dass jeder Mensch so lebt, wie der Mensch tatsächlich ist. Der Mensch müsse die Übergänge zwischen den Geschlechtern wahrnehmen. Sie hebe in manchen Gedichten die Grenze zwischen den Geschlechtern auf, keineswegs zugunsten einer femininen Sprache, sondern „zugunsten von Männern und Frauen, die im Namen des Geschlechts verurteilt werden.”

Diktatur der Sprache

Der Interviewer Mojtaba Purmohssen fragte die Lyrikerin: „Glaubst du, dass die persische Sprache sich auf einer männlichen Achse bewegt, d.h. glaubst du an eine Diktatur der persischen Sprache, die sogar die Männer bezwingt und den Frauen nicht erlaubt feminin zu schreiben? Glaubst du nicht, dass einige in den letzten 10 Jahren versucht haben eine „Frauensprache” in die Literatur einzubringen?”

Qahreman: „Der Mann war schon immer die Achse. Aber der Mann ist wegen des Patriarchats zu einer Achse Mann geworden, nicht wegen der Natur seiner Glieder. Die Diktatur der Sprache hat auch den Männern nicht erlaubt über sich zu schreiben. Es herrscht die Sprache des Patriarchats, nicht deine Sprache, nicht die Sprache eines Mannes, der du bist.”

In den letzten zehn Jahren seien Grenzen überschritten worden, die erlauben, dass die Identität des Schriftstellers oder der Schriftstellerin sprachlich zum Ausruck kommt. Die Alternative einer „femininen Sprache” müsse in der Tat gegenüber der offiziellen „patriarchalischen” Sprache gestärkt werden. Die Benutzung einer „femininen Sprache ist ein erster Schritt und kann als ein Instrument zum Verständnis der Teile der Gesellschaft dienen, die zum Schweigen verurteilt waren.”

Qahreman weiter: „Die Sprache muss sich jenseits des kulturellen Geschlechts zum Ausdruck bringen.”
Es sei nur ein Spezifikum der patriarchalischen Gesellschaft, die den Männern und Frauen spezifische Rollen zuschreibe.

„Sie schreibt anders als die anderen.”

Der Interviewer der Zeitung Scharq schreibt, dass es keinen Zweifel gäbe, dass Saqi Qahreman „feminin” schreibe. Scharq konstatiert, dass sie anders schreibe als die anderen und auch die „traditionelle Sprache der Frauen, die in der Männersprache wurzele, überwunden habe.”

Qahreman erwiderte, dass es beispielsweise „nicht ein nur männliches oder nur feminines Gedicht gäbe.” Die Männlichkeit und die Weiblichkeit würden sich annähern, feminine Gefühle würden den männlichen manchmal ähneln und umgekehrt.

Manchmal würden Gedichte, die von Männern geschrieben worden seien, einer Frauensprache nahe kommen. Manchmal würden sogar die Mauern zwischen den Männern und den Frauen verschwinden.

„Wir sehen nicht, wir vermuten nur.”

Qahreman sagte der Zeitung: „In unserer Kultur ist es tabu direkt zu sein. Wir sind daran gewöhnt den Schleier zu sehen und zu vermuten, was sich dahinter verbirgt. Wir sehen nicht aktiv, wir vermuten nur.”

In einem Gedicht habe sie das Leben mit dem Tod verglichen, da in der Gesellschaft nicht gelebt werde und wenn jemand mit dem Leben nicht verbunden sei, sei dieser wie tot.

Mojtaba Purmohssen, der Interviewer der verbotenen Zeitung, stellte fest, dass die Dichterin sich durch sehr viel Arbeit und Anstrengungen entwickelt haben müsse, da man doch eigentlich nicht als Dichter auf die Welt komme.

Sharq kann sich seit Montag nicht mehr entwickeln, wie der Chefredakteur der Zeitung, Rahmanian, am letzten Montag sagte: „Sharq ist ab heute tot.”

 

 

*Zuerst veröffentlicht bei WELT Online. Für die Rechte zur Weiterveröffentlichung bedanken wir uns beim Autor.

 

 

 


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